Pauschalierung bei zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistungen
Hintergrund: Zuschüsse für Fahrtkosten und Internetnutzung
Der Arbeitgeber A traf in 2011 mit einigen Arbeitnehmern neue Lohnvereinbarungen. Darin wurde der bisherige Bruttolohn herabgesetzt (z.B. um 245 EUR) und ein Zuschuss für die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb sowie für Internetnutzung vereinbart.
Das FA ging davon aus, die Pauschalversteuerung der Zusatzleistungen stelle eine steuerschädliche Gehaltsumwandlung dar. Dem folgte das FG und wies die gegen den LSt-Nachforderungsbescheid erhobene Klage ab.
Entscheidung: Eine vertraglich vereinbarte Gehaltsumwandlung schließt die Pauschalierung nicht aus
Die Pauschalierung der Zuschüsse nach § 40 Abs. 2 EStG (Fahrtkosten: 15 %; Internetnutzung 25 %) setzt voraus, dass die Zuschüsse "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" gezahlt werden.
Bisherige Rechtsprechung: Freiwilligkeitserfordernis
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH werden Zuschüsse des Arbeitgebers "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" geleistet, wenn sie zu den Lohnzahlungen hinzukommen, die arbeitsrechtlich geschuldet sind. Der "ohnehin geschuldete Arbeitslohn" ist danach der Arbeitslohn, auf den (zumindest im Zeitpunkt der Zahlung) ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht (BFH v. 19.09.2012, VI R 54/11, BStBl II 2013, 395). Der zusätzlich hierzu geleistete Lohn ist somit derjenige, auf den der Arbeitnehmer arbeitsrechtlich keinen Anspruch hat, der folglich freiwillig vom Arbeitgeber erbracht wird.
Rechtsprechungsänderung: Pauschalierung auch bei vereinbartem Lohnformenwechsel ("Gehaltsumwandlung")
An den bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen hält der BFH nicht mehr fest. Nunmehr geht der BFH davon aus, dass der zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn der Arbeitslohn ist, den der Arbeitgeber verwendungs- bzw. zweckgebunden leistet. Der ohnehin geschuldete Arbeitslohn ist damit derjenige, den der Arbeitnehmer verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erhält. Dieser Lohn unterliegt grundsätzlich der Regelbesteuerung. Der hinzutretende verwendungsgebundene (zusätzliche) Lohn ist demgegenüber durch die Pauschalierungsmöglichkeit bzw. die Steuerfreiheit (§ 3 Nrn. 15, 33, 34, 34a, 37, 46 EStG) begünstigt, wenn der besondere Verwendungszweck gewahrt wird.
Ein etwaiger Anspruch auf die zusätzliche Zahlung ist unerheblich
Auf die Frage, ob der Arbeitnehmer auf den Lohnbestandteil arbeitsrechtlich einen Anspruch hat, kommt es nicht mehr an. Insbesondere zwingt der Gesetzeswortlaut nicht zu der Auslegung, der zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn dürfe nicht geschuldet sein. Denn Freiwilligkeit und Zusätzlichkeit schließen sich nicht aus. Vielmehr kann zu einer Zahlung, auf die im Zeitpunkt der Zahlung ein verbindlicher Rechtsanspruch besteht, eine weitere ebenfalls arbeitsrechtlich geschuldete Leistung hinzutreten. Die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele werden nicht durch die Freiwilligkeit der Arbeitgeberleistung, sondern durch die - gesetzlich angeordnete und arbeitsvertraglich vereinbarte - zweckgebundene Verausgabung des steuerbegünstigten Arbeitslohns erreicht. Ob der Lohnbestandteil vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich geschuldet ist, ist unerheblich.
Die Zusätzlichkeit beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Lohnzahlung
Das Zusätzlichkeitserfordernis ist auf den Zeitpunkt der Lohnzahlung zu beziehen. Das folgt aus dem Zuflussprinzip als allgemeinem Grundsatz. Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist deshalb nicht begünstigungsschädlich. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den "ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen. Diese treten nunmehr im Zahlungszeitpunkt zum ohnehin - nur noch in geminderter Höhe - geschuldeten Lohn hinzu und werden somit "zusätzlich" zu diesem erbracht.
Hiervon ausgehend war die von A geltend gemachte LSt-Pauschalierung für die geleisteten Zuschüsse anzuerkennen. Der BFH hob das entgegenstehende FG-Urteil auf und gab der Klage statt. A hat die Lohnzuschüsse – entgegen der Auffassung des FG – zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt.
Hinweis: Ein vereinbarter – nicht ein einseitiger - Lohnformenwechsel ("Gehaltsumwandlung") ist anzuerkennen
Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformwechsel ("Gehaltsumwandlung") ist sonach nicht begünstigungsschädlich. Damit widerspricht der BFH der Auffassung der Verwaltung. Nach BMF v. 22.5.2013 (BStBl I 2013, 728) und R 3.33 Abs. 5 Satz 2 LStR sind "Gehaltsumwandlungen" nicht anzuerkennen. Das beruht auf der Vorstellung, dass ohnehin geschuldet ist, was seit jeher (bisher) geschuldet war. Dass jedoch für das Zusätzlichkeitserfordernis auf den Zuflusszeitpunkt abzustellen ist, ergibt sich schon daraus, dass andernfalls während der Laufzeit des Arbeitsverhältnisses eingeführte Begünstigungstatbestände (z.B. Überlassung eines Fahrrads, § 3 Nr. 37 EStG) nur im Rahmen von Gehaltserhöhungen in Anspruch genommen werden könnten.
Die eigentliche Bedeutung des Zusätzlichkeitserfordernisses (und der Beanstandung von "Gehaltsumwandlungen") liegt demnach in einem Anrechnungsverbot auf den unverändert bestehenden Lohnanspruch. In Anrechnungs-/Verrechnungsfällen wird ein Vorteil nicht "zusätzlich zum", sondern "ersatzweise an Stelle von" regelbesteuertem Arbeitslohn geleistet. Dem Arbeitgeber ist es damit verwehrt, einseitig, d.h. ohne Vertragsänderung, eine im Hinblick auf die vorhandenen Begünstigungstatbestände geänderte Berechnung der LSt zu bewirken.
Schließlich bemerkt der BFH, dass der Lohnformenwechsel nicht willkürlich ist. Er entspricht vielmehr der Vertragsfreiheit und damit dem berechtigten Interesse an der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen "Optimierung des Arbeitsverhältnisses".
In zwei Parallelurteilen vom 01.08.2019 - VI R 21/17 und VI R 40/17 hat der BFH in Wesentlichen inhaltsgleich entschieden.
BFH Urteil vom 01.08.2019 - VI R 32/18 (veröffentlicht am 24.10.2019)
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