Option zur Umsatzsteuer bei teilweise unternehmerisch genutztem Gebäude
Hintergrund
Streitig war die Option zur USt für Umsätze aus der Vermietung eines teils privat, teils beruflich genutzten Gebäudes.
Die Ehefrau (F) ist Eigentümerin eines aus einer Hauptwohnung und einer Einliegerwohnung bestehenden Gebäudes. Die Einliegerwohnung umfasst 20 % der Gesamtwohnfläche und wird vom Ehemann (M) zum Betrieb seiner Steuerberaterpraxis genutzt. Im Übrigen dient das Gebäude (die Hauptwohnung) als Familienwohnung.
F vermietete nach Fertigstellung des Gebäudes zunächst (bis 2006) nur die Einliegerwohnung an M, ordnete das gesamte Gebäude ihrem Unternehmensvermögen zu und versteuerte die Privatnutzung als unentgeltliche Wertabgabe. Dementsprechend machte sie den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes einschließlich des privat genutzten Teils geltend. Ab 1.1.2007 vermietete F das gesamte Gebäude an M und erklärte lediglich steuerpflichtige Vermietungsumsätze (ohne eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe).
M ordnete das Nutzungsrecht an dem Gebäude insgesamt seinem Unternehmen "Steuerberatungspraxis" zu und machte den vollen Vorsteuerabzug aus der Anmietung geltend. Hinsichtlich des zu privaten Wohnzwecken genutzten Teils erklärte er eine unentgeltliche Wertabgabe.
Das FA erkannte ab 2007 den Verzicht der F auf die Steuerbefreiung ihrer Vermietungsumsätze hinsichtlich des als Wohnung genutzten Gebäudeteils nicht an und nahm bei ihr wegen der insoweit steuerfreien Vermietung eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vor. Ebenso war auch das FG der Auffassung, F habe für den als Privatwohnung genutzten Teil nicht wirksam zur USt optieren können.
Entscheidung
Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (z.B. zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf nach der sog. Seeling-Rechtsprechung (BFH v. 24.7.2003, V R 39/99, BStBl II 2004, 371) das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude - einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils - entfallenden Vorsteuerbeträge abziehen. Die in der privaten Nutzung (als Wohnung) liegende Wertabgabe ist zu versteuern. F war daher im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt.
Durch die Vermietung des gesamten Gebäudes ab 2007 ist eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs. 1 UStG eingetreten. F nutzte zwar von da an das gesamte Gebäude zur Ausführung von Vermietungsumsätzen. Sie konnte aber wirksam nur hinsichtlich des auf die Einliegerwohnung entfallenden unternehmerisch genutzten Teils zur USt optieren. Hinsichtlich der Familienwohnung liegen die Voraussetzungen für eine Option nicht vor. Denn der Leistungsempfänger (M) konnte die bezogene Mietleistung insoweit nicht seinem Unternehmen zuordnen. Dieser Umsatz wurde daher nicht an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt. Da die Vermietungsumsätze der F hinsichtlich der privat genutzten Wohnung somit steuerfrei sind, führen sie zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs.
Beabsichtigt der Unternehmer bei Bezug einer Leistung, diese teilweise für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit und teilweise seiner nichtwirtschaftlichen Tätigkeit zu verwenden, ist er grundsätzlich nur im Umfang der beabsichtigten Verwendung für die wirtschaftliche Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Davon macht der BFH (der Seeling-Rechtsprechung des EuGH folgend) für Gegenstände/Investitionsgüter eine Ausnahme, indem er dem Unternehmer ermöglicht, einen nur teilweise unternehmerisch genutzten Gegenstand in vollem Umfang seinem Unternehmen zuzuordnen. Dieses Zuordnungswahlrecht gilt aber nur für die Herstellung oder Anschaffung von Gegenständen. Der Bezug von sonstigen Leistungen (hier Vermietungsleistungen) ist nicht in voller Höhe zuordenbar, sondern ist entsprechend der (beabsichtigten) Verwendung aufzuteilen. Die Revision der F wurde daher zurückgewiesen.
Hinweis
F berief sich auf die Seeling-Rechtsprechung. M habe das aus der Anmietung resultierende Nutzungsrecht zu 100 % seinem Unternehmensvermögen zugerechnet und den vollen Vorsteuerabzug aus der Anmietung geltend gemacht. Bei ihm liege daher ein steuerpflichtiger Umsatz vor, der sie, F, ihrerseits berechtige, voll zur USt zu optieren. Daher lägen bei ihr die gleichen Verhältnisse vor wie in einem Seeling-Fall. Dem widerspricht der BFH mit der Begründung, dass das Zuordnungswahlrecht nur die Herstellung/Anschaffung von Gegenständen (hier Gebäude) betrifft, nicht den Bezug sonstiger Leistungen (Vermietung). Diese sind entsprechend der beabsichtigten Verwendung aufzuteilen.
Übrigens hat das Seeling-Modell mit der Einfügung des § 15 Abs. 1b UStG mit Wirkung ab 1.1.2011 durch das JStG 2010 sein Ende gefunden. Danach bleibt zwar das Zuordnungswahlrecht des Unternehmers, gemischt genutzte Grundstücke/Gebäude seinem Unternehmen zuzuordnen, unberührt. Der Vorsteuerabzug ist aber nicht mehr zu 100 %, sondern nur noch zu dem unternehmerisch genutzten Anteil möglich. Als Folgeänderung regelt der zugleich neu eingeführte § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG, dass eine Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe bezüglich der Lieferungen und Leistungen, die unter den Vorsteuerausschluss des § 15 Abs. 1b UStG fallen, nicht in Betracht kommt.
BFH, Urteil v. 14.10.2015, V R 10/14, veröffentlicht am 9.12.2015
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