Rückerstattung von unrichtig in Rechnung gestellter Umsatzsteuer
Hintergrund:
Die Klägerin hatte für den Verkauf einer Immobilie an eine Gesellschaft E Umsatzsteuer in der Rechnung ausgewiesen. E hatte aus dieser Rechnung einen Vorsteuerabzug geltend gemacht, der mit bestandskräftigem Bescheid versagt wurde, weil die Lieferung der Immobilie nach bulgarischem Recht steuerfrei und der Steuerausweis in der Rechnung somit unzutreffend gewesen sei. Die Klägerin hatte daraufhin die Rückerstattung der ausgewiesenen (und bereits abgeführten) Umsatzsteuer beantragt. Die bulgarische Finanzbehörde versagte dies mit der Begründung, nach Art. 85 ZDDS (= BG-MwStG) werde jegliche unzutreffend in Rechnung gestellte Umsatzsteuer vom Rechnungsaussteller geschuldet. Die Erstattung wurde auch versagt, da eine Rechnungsberichtigung nach den nationalen verfahrensrechtlichen Regelungen nicht mehr möglich war.
Die Klägerin machte geltend, dass es auf Seiten des Käufers der Immobilie nicht zu einem Vorsteuerabzug gekommen sei und von daher habe sie Anspruch auf Rückerstattung der abgeführten Umsatzsteuer. Das Vorlagegericht billigte der Klägerin diesen Anspruch zu, weil die Lieferung der Immobilie unstreitig steuerfrei gewesen sei und der Käufer unstreitig keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte, weil dieser mit bestandskräftigem Bescheid versagt wurde. Mit der Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug erhalte der Käufer das Recht, den ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer-Betrag zivilrechtlich vom Lieferer zurückzuverlangen. Demzufolge habe die Klägerin einen Berichtigungsanspruch, andernfalls sei sie hinsichtlich der Umsatzsteuer doppelt belastet.
Entscheidung:
Der EuGH verweist in dem Urteil auf seine bisherige Rechtsprechung zur Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer (insbesondere EuGH, Urteil v. 18.6.2009, C-566/07 (Stadeco)), wonach die Berichtigung zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer möglich sein muss, wenn der Rechnungssteller die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.
Weiter führt er aus, dass die Mitgliedstaaten die Erstattung fälschlich in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer grundsätzlich von der Berichtigung der fehlerhaften Rechnung abhängig gemacht haben können, da damit grundsätzlich sichergestellt werden kann, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist. Dem Steuerpflichtigen dürfe die Erstattung jedoch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden.
Hinsichtlich des vorgelegten Falles, in dem eine Rechnungsberichtigung nach dem nationalen Recht nicht mehr möglich ist, eine Gefährdung des Steueraufkommens aber völlig ausgeschlossen ist, weil dem Rechnungsempfänger der Vorsteuerabzug endgültig versagt wurde, kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Versagung der Erstattung der unrichtig in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer gegen den Neutralitätsgrundsatz verstößt.
EuGH, Urteil vom 11.04.2013, C-138/12
Praxishinweis:
Die deutsche Rechtslage steht im Einklang mit dem Urteil, da nach § 14c Abs. 1 UStG die Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises möglich ist (vgl. auch Abschn. 14c.1 Abs. 5 UStAE). Insbesondere scheint eine Rechnungsberichtigung - anders als im bulgarischen Recht - nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Leistung Gegenstand einer Steuerprüfung war und dem Empfänger der Vorsteuerabzug mit bestandskräftigem Bescheid versagt wurde.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH war bereits entschieden, dass in Fällen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Anspruch auf Berichtigung bzw. Rückerstattung unrichtig in Rechnung gestellter Umsatzsteuer besteht.
Bereits im Urteil v. 19.9.2000, C-454/98 (Schmeink & Cofreth und Strobel) hatte der EuGH entschieden, dass es zwar grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten ist, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann. Wenn der Aussteller der Rechnung allerdings die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat, verlangt - so der EuGH - der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass die ausgewiesene Mehrwertsteuer berichtigt werden kann. Diese Berichtigung hängt nicht davon ab, dass der Rechnungsaussteller gutgläubig gehandelt hat.
Im Urteil v. 15.3.2007, C-35/05 (Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH) hatte der EuGH angedeutet, dass der Rechnungsaussteller die Rückerstattung ausgewiesener Steuer verlangen kann, wenn der Rechnungsempfänger keinen Vorsteuerabzugsanspruch (im entschiedenen Fall im Vorsteuer-Vergütungsverfahren) hat.
Im Ergebnis zeigen diese Urteile, dass den Mitgliedstaaten aus irrtümlich ausgewiesener Umsatzsteuer trotz der Vorschrift in Art. 203 MwStSystRL, dass in einer Rechnung ausgewiesene Steuer geschuldet wird, kein Steueraufkommen verbleiben soll, wenn ein Vorsteuerabzug aus der ausgewiesenen Steuer nicht möglich ist.
Im Gegensatz zu den Fällen des unberechtigten Steuerausweises (§ 14c Abs. 2 UStG) hat der Gesetzgeber für die Fälle des unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 UStG die Beseitigung der Gefährdungslage nicht zur Voraussetzung für die Berichtigung beim leistenden Unternehmer gemacht. Einzige Voraussetzung für die Berichtigung der Steuer ist, dass der Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt wird.
Lediglich für die Fälle des unrichtigen Steuerausweises bei Geschäftsveräußerungen nach § 1 Abs. 1a UStG und infolge der Rückgängigmachung eines Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG sieht § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG ausdrücklich die Beseitigung der Gefährdungslage für das Steueraufkommen als Berichtigungsvoraussetzung vor.
Die Gefährdung des Steueraufkommens ist nach § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist.
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