Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags bei unterbliebener Hinzurechnung
Beispiel A machte in 2012 einen Investitionsabzugsbetrag (IAB) geltend, ohne allerdings zu erläutern, für welches Wirtschaftsgut bzw. für welche Wirtschaftsgüter der IAB gebildet werden soll. Im Einkommensteuerbescheid, welcher ohne Vorbehalt der Nachprüfung erging, wurde der Gewinn erklärungsgemäß in Ansatz gebracht. Im Jahr 2013 erwarb A zwei Wirtschaftsgüter. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2013 erklärte er, dass die Anschaffungskosten für die zwei Wirtschaftsgüter um 40 % aufwandswirksam mit dem Hinweis auf § 7g Abs. 2 EStG gemindert wurden. Eine gewinnerhöhende Auflösung des IAB erfolgte hingegen nicht.
Der Einkommensteuerbescheid 2013 erging ebenfalls ohne Vorbehalt der Nachprüfung und übernahm den erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb. Im Rahmen einer Betriebsprüfung teilte der Prüfer der Veranlagungsstelle mit, dass der im Jahr 2012 gebildete IAB zwei Wirtschaftsgüter betroffen habe, die im Jahr 2013 angeschafft worden seien. A habe jedoch versehentlich versäumt, den Gewinn nach § 7g Abs. 2 EStG entsprechend zu erhöhen. Da die Bescheide endgültig erlassen wurden, sei eine Änderung im Jahr 2013 nicht mehr möglich. Der IAB sei aber bei nicht erfolgter Hinzurechnung nach § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG im Jahr der Inanspruchnahme rückgängig zu machen. Daraufhin wurde der Bescheid 2012 (im Juli 2017) unter Berufung auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG geändert.
A vertrat die Auffassung, dass § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG nicht einschlägig sei, weil die Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers nur solche Fälle erfassen solle, in denen das Wirtschaftsgut tatsächlich nicht angeschafft worden sei. Nach einer Literaturmeinung (Kulosa im Kommentar von Schmidt, 37. Auflage, Rz. 29 ff.) soll es als Grund für die Rückgängigmachung des Abzugs nur folgende Gründe geben:
- die ganz oder teilweise unterbliebene Investition,
- die vorzeitige freiwillige Rückgängigmachung des Abzugs,
- die Anschaffung eines nicht funktionsgleichen Wirtschaftsguts.
FG Rheinland-Pfalz entscheidet auf Rückgängigmachung
Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 26.2.2019, 3 K 1658/18, Haufe Index 13053557) sieht hier die Voraussetzung des § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG als erfüllt an, weil der für das Jahr 2012 gewährte IAB nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres (Ende 2015) hinzugerechnet wurde. Nach Auffassung des FG enthält die Vorschrift keine weiteren Voraussetzungen. Es sei insbesondere (auch) unerheblich, aus welchen Gründen die Hinzurechnung unterblieben ist. Es würden sowohl die Fälle erfasst, in denen das begünstigte Wirtschaftsgut nicht angeschafft wurde, als auch die Fälle, in denen das Wirtschaftsgut zwar angeschafft, die Hinzurechnung aber aus welchen Gründen auch immer (absichtlich, versehentlich oder irrtümlich) unterblieben ist (so auch schon FG Hamburg vom 21.5.2015, 2 K 14/15 Haufe Index 8140276).
Zwar könnte man die Gesetzesbegründung so verstehen, dass der Gesetzgeber die Rückgängigmachung des IAB daran knüpft, dass der Steuerpflichtige die beabsichtigte Investition überhaupt nicht, nicht in dem geplanten Umfang oder nicht fristgerecht durchführt (Auszug aus der Gesetzesbegründung: Unterbleibt die geplante Investition, für die ein Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen wurde, innerhalb des Investitionszeitraums gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a EStG oder sind die beabsichtigte Anschaffung/Herstellung und die später tatsächlich durchgeführte Investition nicht gleichartig, ist die Berücksichtigung des Investitionsabgabebetrages rückgängig zu machen); all dies sei nach dem Wortlaut des § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG jedoch unerheblich.
Weshalb der Gesetzgeber zu Recht nicht auf das Ausbleiben der Investition, sondern auf das Ausbleiben der Hinzurechnung abgestellt hat, habe fiskalische Gründe. Es soll nämlich vermieden werden, dass dem Steuerpflichtigen die außerbilanzielle Begünstigung von bis zu 40 % der (voraussichtlichen) Anschaffungs- oder Herstellungskosten entgegen dem Zweck der Norm, die nur auf eine Vorverlagerung des Steuerminderungspotenzials angelegt ist, in den Fällen endgültig verbleibt, in denen die Hinzurechnung trotz tatsächlich durchgeführter Investition (fälschlich) unterblieben ist und dieser Fehler im Investitionsjahr aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr korrigiert werden kann.
Nachteilige Folgen für Steuerpflichtige
Das FG weist aber darauf hin, dass diese Auslegung für den Steuerpflichtigen nachteilige Folgen haben kann, wenn statt der vom Gesetzgeber angeordneten Hinzurechnung im Investitionsjahr eine rückwirkende Rückgängigmachung des IAB im Abzugsjahr erfolgt (z. B. eine höhere steuerliche Belastung durch einen höheren Steuersatz). Ob diesem Umstand über die Billigkeitsvorschriften der §§ 163, 227 AO Rechnung zu tragen ist oder ob § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG dahingehend einschränkend auszulegen wäre, ließ das FG aber offen, weil sich im Urteilsfall keine Nachteile ergaben.
Revisionsverfahren anhängig
Da der hier dargestellte Sachverhalt bisher nicht höchstrichterlich entschieden wurde, hat das FG die Revision zugelassen. Vergleichbare Fälle können offen gehalten werden, bis der BFH (Az. der Revision: X R 11/19) entschieden hat.
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