Schulkosten als außergewöhnliche Belastung (BFH)
Hintergrund:
Die Stpfl. (A und B) haben einen – 1987 geborenen - Sohn (S), der als hochbegabt beurteilt wird (Intelligenzquotient 133). Nachdem S von der zweiten in die vierte Grundschulklasse gewechselt hatte und anschließend ein Gymnasium besuchte, stellten sich bei ihm Verhaltensauffälligkeiten (aggressives Verhalten gegenüber Mitschülern) heraus, die ihre Ursache in einer psychischen Fehlentwicklung hatten. Nach Auffassung des Allgemeinen Sozialdienstes und der Hausärztin sind solche bei Hochbegabten auftretende Störungen als Krankheit und als seelische Behinderung anzusehen. Wegen dieser Behinderung sei S auf den Besuch einer Privatschule mit individueller Förderung angewiesen. Ein nachträglich hinzugezogener Amtsarzt bestätigte diese Diagnose. Da eine geeignete Schule in Deutschland nicht verfügbar war, brachten A und B ihren Sohn in einem Internat in Schottland unter. Dort bestand er im Mai 2003 das Abitur.
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 machten A und B Schul- und Internatskosten in H. v. 51.616 DM (2001) und 23.457 EUR (2002) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FA ließ die geltend gemachten Beträge nicht zum Abzug zu, weil die medizinische Notwendigkeit der Internatsunterbringung nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden war. Dieser Auffassung schloss sich auch das FG an.
Entscheidung des BFH:
Durch Krankheit verursachte Aufwendungen können als außergewöhnliche Belastung (a.B.) nach § 33 EStG geltend gemacht werden. Dabei werden an den Nachweis der Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung unterschiedliche Anforderungen gestellt. In der Regel werden die Aufwendungen für die Heilbehandlung als a.B. berücksichtigt, ohne dass Umfang und Zweckmäßigkeit der Behandlung nachgewiesen werden müssen.
Dagegen werden in Fällen, in denen zweifelhaft ist, ob überhaupt eine Krankheit vorliegt oder in denen die medizinische Erforderlichkeit der Aufwendungen schwer zu beurteilen ist, strenge Nachweisanforderungen gestellt. Nach früherer Rechtsprechung mussten solche Nachweise durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. durch Attest einer öffentlichrechtlichen Institution erbracht werden. Da der BFH an diesen Nachweisanforderungen nicht mehr festhält, kann der Nachweis einer Krankheit nunmehr auch noch später und durch andere geeignete Beweismittel geführt werden (BFH, Urteile v. 11.11.2010 VI R 16/09, BFH/NV 2011, 501, und VI R 17/09, BFH/NV 2011, 503).
Im Streitfall geht der BFH davon aus, dass der Besuch einer Internatsschule wegen der Hochbegabung des S medizinisch angezeigt gewesen sein kann. Deshalb können die geltend gemachten Kosten unmittelbare Krankheitskosten sein – und zwar auch die Kosten der auswärtigen krankheitsbedingten Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung diente. Der BFH hat die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen.
Anmerkung:
Ausdrücklich gesetzlich geregelt ist der Abzug von Zahlungen, die als Entgelt für den Besuch bestimmter Privatschulen entrichtet und – in Höhe von 30% des Entgelts – als Sonderausgaben abgezogen werden können (§ 10 Abs.1 Nr.9 EStG). Diese Vorschrift steht dem Abzug der im Streitfall geltend gemachten krankheitsbedingte Schulkosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG nicht entgegen.
Urteil v. 12.5.2011, VI R 37/10, veröffentlicht am 10.8.2011
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