Kein zusätzlicher Sonderausgabenabzug für Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke
Hintergrund
Die Eheleute haben zwei Kinder. Die Ehefrau (F) war in 2006 bis 2009 als Arbeitnehmerin in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Der Ehemann (M) war selbstständiger Steuerberater und ist nach Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung seit 2000 Mitglied in einem berufsständigen Versorgungswerk (Bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung). Von 1976 bis 1999 war er in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Die in dieser Zeit erworbenen Rentenanwartschaften des M würden (Stand September 2009) einer monatlichen Rente von rd. 815 EUR entsprechen.
Die Eheleute schlossen jeweils im eigenen Namen einen Altersvorsorgevertrag zum Aufbau einer sog. Riesterrente. Für die Streitjahre 2006 und 2009 erhielten sie Altersvorsorgezulagen (Grundzulagen und Kinderzulagen). F leistete auf ihre Verträge für 2006 und 2009 Altersvorsorgebeiträge. M zahlte nur für 2009 Beiträge ein.
Bei der ESt-Veranlagung berücksichtigte das FA lediglich für F einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG. Dagegen wandten sich die Eheleute und begehrten einen zusätzlichen Abzug für M. Der Ausschluss von Pflichtversicherten eines berufsständischen Versorgungswerks aus dem Kreis der Begünstigten sei gleichheitswidrig. Das FG wies die Klage mit dem Hinweis auf den Gesetzeswortlaut ab.
Entscheidung
Pflichtversicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung können zusätzlich zu der Altersvorsorgezulage (Grundzulage und Kinderzulage) zum Aufbau einer Riesterrente Altersvorsorgebeiträge bis zum Höchstbetrag (ab 2006: 1.575 EUR, ab 2008 2.100 EUR) als Sonderausgabe geltend machen. Im Rahmen der Günstigerprüfung (§ 10a Abs. 2 EStG) wird sodann von Amts wegen geprüft, ob die Zulage (einschließlich Kinderzulage) günstiger ist als die Steuerentlastung durch den Sonderausgabenabzug. In Übereinstimmung mit dem FA und dem FG entschied der BFH, dass M der zusätzliche Sonderausgabenabzug nicht zusteht:
- Der Sonderausgabenabzug steht M nicht bereits deshalb zu, weil er in früheren Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert war. Begünstigt sind lediglich Steuerpflichtige, die in dem konkreten Veranlagungszeitraum in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ("aktiv" versichert) sind. Der Systematik und gesetzgeberischen Intention ist zu entnehmen, dass eine frühere Pflichtmitgliedschaft nicht genügt.
- Die Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk genügt nicht. Die gesetzliche Rentenversicherung und berufsständische Versorgungseinrichtungen werden steuerlich unterschiedlich behandelt. Da die Mitglieder der Versorgungswerke nach dem Altersvermögens-Ergänzungsgesetz (AVmEG) keine Absenkung ihrer Versorgungsleistungen hinnehmen müssen, bedarf es keiner Einbeziehung der berufsständischen Versorgungswerke in die Steuervergünstigung.
- M kann den zusätzlichen Sonderausgabenabzug auch nicht daraus ableiten, dass er mittelbar einen Anspruch auf die Altersvorsorgezulage hat. Anders als § 79 Satz 2 EStG räumt § 10a Abs. 1 EStG dem mittelbar betroffenen Ehegatten nicht die Möglichkeit ein, selbst einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug in Anspruch zu nehmen. Im Gegensatz zu vielen Vorschriften, nach denen im Fall der Zusammenveranlagung die Pausch- und Höchstbeträge ohne weitere Voraussetzungen verdoppelt werden, sieht § 10a Abs. 3 Satz 1 EStG ausdrücklich vor, dass der zusätzliche Sonderausgabenabzug die persönlichen Voraussetzungen bei jedem Ehegatten erfordert.
- Der BFH lehnt auch einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz ab. In der Entscheidung, welche Personen durch finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Solange eine Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht widersprechende Würdigung der Lebensverhältnisse stützt, insbesondere den Kreis der Begünstigten sachgerecht abgrenzt, ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschränkung des zusätzlichen Sonderausgabenabzugs auf "aktiv" Pflichtversicherte stellt daher keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar.
Hinweis
Die am Wortlaut orientierte Auslegung überzeugt. Der zusätzliche Sonderausgabenabzug kommt nur für in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherte in Betracht. Sinn, Zweck und Entstehungsgesichte geben keine Anhaltspunkte für die Herleitung eines anderen Ergebnisses. Dabei kann dahinstehen, ob eine andere gesetzgeberische Lösung rechtspolitisch zu bevorzugen wäre.
BFH, Urteil v. 29.7.2015, X R 11/13, veröffentlicht am 4.11.2015
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