Strafrechtliches Haftungsrisiko für GmbH-Geschäftsführer trotz Zustimmung der Gesellschafter (BGH)
Hintergrund
Der GmbH-Geschäftsführer unterliegt nach dem GmbH-Gesetz strengen Pflichten zur Kapitalerhaltung, zur Wahrung der Liquidität, sowie zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung. Die zentralen Regelungen sind die §§ 30 f., 43 und 64 GmbHG. Der Geschäftsführer nimmt als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft die Vermögensinteressen der Gesellschaft wahr und hat ihr gegenüber eine Vermögensbetreuungspflicht. Verstöße gegen seine Pflichten können, je nach der Konstellation im Einzelfall, sowohl auf strafrechtlicher, als auch auf zivilrechtlicher Ebene Konsequenzen haben (Rückzahlungsansprüche der Gesellschaft, Ansprüche von Gläubigern, Strafbarkeit wegen Vermögensdelikten).
Entscheidung
Der BGH hatte vorliegend über eine Revision gegen ein strafrechtliches Urteil zu entscheiden, mit dem ein (faktischer) GmbH-Geschäftsführer wegen Betruges, Untreue und Bankrott verurteilt wurde. Dem Untreuevorwurf lag die Feststellung zugrunde, dass der Geschäftsführer mehrfach Beträge vom Geschäftskonto auf das Privatkonto seiner Ehefrau, die zugleich Alleingesellschafterin der GmbH war, seiner Tochter und des Vermieters seiner Privatwohnung überwiesen hatte, ohne dass den Überweisungen Gegenleistungen zugunsten der Gesellschaft gegenüber standen.
Der BGH stellte in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung fest, dass dem Geschäftsführer eine Vermögensbetreuungspflicht zukomme. Er unterstrich jedoch auch, dass der strafrechtliche Tatbestand der Untreue eine Pflichtwidrigkeit voraussetze, die im Regelfall durch das Einverständnis des Vermögensinhabers ausgeschlossen werde. Bei einer GmbH sei das entscheidende Organ die Gesellschafterversammlung. Das Einverständnis stehe der Pflichtwidrigkeit und damit der Strafbarkeit des Geschäftsführers jedoch dann nicht entgegen, wenn die Zustimmung gegenüber der Gesellschaft treuwidrig und damit wirkungslos ist. Dies sei bei Verstößen gegen §§ 30, 64 GmbHG der Fall.
Im vorliegenden Fall führten unzureichende Tatsachenfeststellungen des Tatgerichts zu einer Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Landgericht.
Anmerkung
Der BGH bestätigt durch das Urteil die Rechtsprechung, dass sich ein Geschäftsführer bei Verstößen gegen Gläubigerschutzvorschriften nicht durch einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss der Haftung und strafrechtlichen Verantwortung entziehen kann.
Zugleich macht das Urteil nochmals das System von Gläubigerschutz und Kapitalerhaltung deutlich: Die Einhaltung des Pflichtenkatalogs auf Seiten des Geschäftsführers wird im Falle des Zuwiderhandelns durch die persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft sanktioniert, aber auch durch seine strafrechtlichen Haftung. Ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter ist kein „Freifahrtschein“. Obgleich es den Gesellschaftern freisteht, ob sie ihre Gesellschaft erhalten wollen oder nicht, ob sie ihr Vermögensgegenstände entziehen wollen, sie rekapitalisieren oder in die Insolvenz führen wollen – der Gläubigerschutz steht im öffentlichen Interesse und damit nicht zur Disposition der Gesellschafter.
Der Geschäftsführer hat sich zunächst zu vergegenwärtigen, dass insbesondere §§ 43, 64 GmbHG keineswegs erst Anwendung finden, wenn die Krise der Gesellschaft schon offensichtlich ist. Vielmehr hat der Geschäftsführer eine dauerhafte Verpflichtung, den Liquiditätsbedarf der Gesellschaft zu analysieren und Zahlungen und Maßnahmen zu vermeiden, die in die Krise führen. Der Geschäftsführer hat sich also im normalen Geschäftsalltag der Herausforderung zu stellen, die Einhaltung dieser Vorschriften – auch zu seinem eigenen Schutz – gegebenenfalls auch gegenüber den Gesellschaftern durchzusetzen – sei es im Rahmen eines Cash-Pooling, beim Abschluss von Darlehensverträgen mit Gesellschaftern oder der Sicherheitengewährung für die Verbindlichkeiten Dritter.
BGH, Urteil v. 30.8.2011, Az. 3 StR 228/11
Rechtsanwältin Iris Jachmann, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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