Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus Termingeschäften
Hintergrund
Die - inzwischen aufgelöste - A-KG zeichnete seit 2005 Zins-Währungs-Swaps. In ihrer Feststellungserklärung für 2009 erklärte sie einen Gewinn von 30.000 EUR, der sich nach Abzug von Verlusten aus Swapgeschäften in Höhe von 250.000 EUR ergab. Im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2009 stellte das FA die gewerblichen Einkünfte mit 280.000 EUR fest und traf zugleich die Feststellung, es handele sich um Verluste aus Termingeschäften. Damit waren die Verluste nicht mit den übrigen Gewinnen der KG auszugleichen, sondern nur mit künftigen Gewinnen aus Termingeschäften verrechenbar. Dem folgte das FG und wies die Klage des ehemaligen Gesellschafters der KG ab.
Entscheidung
Nach § 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung weder mit anderen Einkünften ausgeglichen noch nach § 10d EStG abgezogen werden. Sie mindern jedoch nach § 10d EStG die Gewinne in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Wirtschaftsjahren die Gewinne aus Tierzucht/Tierhaltung. Diese Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung gilt nach Satz 3 des § 15 Abs. 4 EStG entsprechend für Verluste aus Termingeschäften. Ob und in welcher Höhe in den gewerblichen Einkünften einer Personengesellschaft (positive oder negative) Einkünfte aus Termingeschäften enthalten sind und wie sich diese Verluste auf die Gesellschafter verteilen, wird im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung mit Bindungswirkung für die nachfolgende Veranlagung des einzelnen Gesellschafters entschieden.
Der BFH sieht die Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Verluste aus Termingeschäften jedenfalls dann, wenn es nicht zu einer Definitivbelastung kommt, als verfassungsgemäß an. Streitfall tritt jedoch - trotz Beendigung der KG in 2011 - keine Definitivbelastung ein. Denn für die Frage der Definitivbelastung kommt es nicht auf die KG, sondern auf den (ehemaligen) Gesellschafter an. Es geht darum, ob dieser als Steuersubjekt die auf ihn entfallenden Verluste aus Termingeschäften bei seiner ESt-Veranlagung noch nutzen kann. Davon ist hier auszugehen. Denn der ehemalige Gesellschafter hat die Möglichkeit, die Verluste mit von ihm allein oder aus einer Beteiligung erzielten positiven Einkünften aus Termingeschäften auszugleichen. Die Frage, ob die Regelung auch im Falle einer Definitivbelastung verfassungsgemäß wäre, stellt sich daher im Streitfall nicht.
Vor Eintritt einer Definitivbelastung bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken. Das objektive Nettoprinzip gebietet zwar den Abzug von Aufwendungen, die mit der Einkünfteerzielung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Allerdings muss dies nicht in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum geschehen. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, ggf. in einem anderen Veranlagungszeitraum und beschränkt auf die gleiche Einkunftsart steuerlich berücksichtigt werden. Der Gleichheitsgrundsatz entfaltet seine Wirkung grundsätzlich periodenübergreifend (BFH, Urteil v. 10.2.2015, IX R 8/14).
Auch die Schlechterstellung betrieblicher Verluste aus Termingeschäften gegenüber sonstigen betrieblichen Verlusten, die grundsätzlich in vollem Umfang im Veranlagungsjahr verrechnet werden können, ist sachlich gerechtfertigt. Denn bei den von der Regelung betroffenen Termingeschäften handelt es sich um hochspekulative und damit besonders risikogeneigte Geschäfte, und der Eintritt von Verlusten bei solchen Geschäften ist daher deutlich wahrscheinlicher als der Eintritt von Verlusten bei sonstigen betrieblichen Tätigkeiten. Der Gesetzgeber ist berechtigt, derartige risikogeneigte betriebliche Tätigkeiten, auch wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen werden, steuerlich anders zu behandeln als sonstige betriebliche Tätigkeiten, die nicht einen vergleichbar spekulativen Charakter haben. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, dass in § 15 Abs. 4 Satz 4 EStG Ausnahmen von der Verlustausgleichs- und Abzugsbeschränkung für Finanzinstitute und Absicherungsgeschäfte vorgesehen sind.
Der BFH bestätigte daher das FG-Urteil und wies die Revision zurück.
Hinweis
Der BFH betont das objektive Nettoprinzip und den Gesichtspunkt der Lastengleichheit für das Einkommensteuerrecht. Obwohl er die Frage ausdrücklich offen gelassen hat, dürfte sich daraus entnehmen lassen, dass der BFH für den Fall der Definitivbesteuerung die Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichs- und Abzugsbeschränkung verneinen würde.
Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass die Prüfung, ob dem Gesellschafter im konkreten Fall das Existenzminimum verbleibt oder ob die Besteuerung dem subjektiven Nettoprinzip zuwiderläuft, nicht im vorliegenden Feststellungsverfahren der KG vorzunehmen ist. Das erfordert die Kenntnis aller Einkünfte und der (privaten) existenzsichernden Aufwendungen. Das kann nur im ESt-Verfahren des Gesellschafters geprüft werden.
BFH, Urteil v. 28.4.2016, IV R 20/13, veröffentlicht am 29.6.2016
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