Von der Berichtspflicht zur Innovationschance

Nachhaltigkeitsberichterstattung bindet zweifellos Ressourcen in Unternehmen. Dabei sollte es nicht nur darum gehen, Compliance-Anforderungen zu erfüllen, meinen Jens Lange und Norbert Taubken. In diesem Artikel zeigen sie auf, wie Unternehmen ESG von verschiedenen Ausgangspunkten aus nutzen können, um sich und ihre Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln.

Warum nicht die teilweise zeit- und kostenintensiven ESG-Berichtspflichten als Chance nutzen? Denn es lohnt sich auch wirtschaftlich, in Sachen Nachhaltigkeit voranzugehen und neue Standards zu setzen. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung: „Die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in den eigenen Geschäftsmodellen bildet einen wichtigen Einflussfaktor für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz von Unternehmen. Die Daten legen nahe, dass die deutsche Wirtschaft hierbei eher noch am Anfang einer tiefergreifenden Transformation steht.“

Fünf Ausgangspunkte für Weiterentwicklung

Wir begleiten viele Unternehmen bei Veränderungsprozessen, bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien, bei der Berichterstattung und bei der Umsetzung der Strategien. Dieser Artikel fasst zusammen, an welchen Entscheidungspunkten die Unternehmen aus unserer Sicht stehen. Eine Standortbestimmung. Und wir machen Vorschläge, wie der nächste Schritt aussehen könnte. Vielleicht finden Sie sich wieder:

1. „Wir sind schon auf dem manchmal steinigen Weg.“

Viele Unternehmen haben sich ernsthaft auf den Weg gemacht nachhaltig zu wirtschaften. Manche verändern nicht nur ihre Wertschöpfungskette, sondern auch ihr Kerngeschäft. Ihr Ziel: Umwelt und Menschen nicht zu schaden und möglichst einen positiven Beitrag zu leisten. Hier hören und sehen wir Fragen rund um die Stabilisierung der Organisation. Was müssen wir tun, um unseren Beitrag in der Welt zu stärken? Es geht um Strukturen, Mitarbeitende und Kultur.

Nächste Schritte könnten sein: Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, hat das wunderbare Potenzial, nach vorne zu schauen. Es geht darum, das Verständnis von Nachhaltigkeit in das tägliche Denken und Handeln zu integrieren. Und es geht darum, die für eine nachhaltige Transformation notwendigen Kompetenzen weiter zu trainieren: Kooperation und proaktive Kommunikation, eigenverantwortliches Engagement, hierarchieübergreifende Co-Kreation und Innovation. Mögliche Maßnahmen sind partizipative Strategieentwicklung, Stakeholder-Barcamps oder Workshops zur Innovationsfähigkeit.


2. „Kleine Pflänzchen der Nachhaltigkeit wachsen, aber es ist keine gemeinsame Bewegung.“

Einzelne Initiativen und Maßnahmen werden mit viel Engagement auf die Beine gestellt, bleiben eine Zeit lang bestehen, versanden aber auch wieder. Uns wird in diesen Kontexten oft die Frage gestellt, wie eine teamübergreifende Dynamik im Unternehmen entstehen kann, um den Weg der Nachhaltigkeit konsequenter zu beschreiten.

Nächste Schritte könnten sein: Die meisten wirksamen Bewegungen beginnen im Kleinen. Hier geht es darum, Vernetzung und Synergieeffekte zu schaffen, das besondere Potenzial von Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu rücken. Es geht darum Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie zu verankern. Dazu müssen Rollen geschaffen werden, damit Nachhaltigkeit nicht mehr nur das recycelte Druckerpapier im Kopierraum ist, sondern einen echten Impact auf die wirtschaftlichen Handlungen des Unternehmens hat. Mögliche Maßnahmen sind der Einstieg in eine partizipative Strategieentwicklung auf Basis der Wesentlichkeitsanalyse, die gemeinsame Neugestaltung von Verantwortlichkeiten und die Überarbeitung der Kommunikation nach innen und außen.


3. „Compliance ist dran.“

In vielen Unternehmen ist Nachhaltigkeit in erster Linie ein Compliance-Thema. Die Berichterstattung muss bewältigt werden, die rechtlichen Risiken minimiert werden. Die Verantwortlichen stellen sich die Frage: Was bringt uns diese Berichterstattung? Was ist hier der return on invest? Andere Verantwortliche im Unternehmen sind frustriert, weil alle Mittel für das Thema Nachhaltigkeit in die Bewältigung der Berichterstattung fließen und nicht ins nachhaltige Wirtschaften.

Nächste Schritte könnten sein: Unternehmen können diesen Moment nutzen, um strukturiert und partizipativ darüber nachzudenken, wo die Organisation mit dem Thema Nachhaltigkeit hin will: Ignorieren, verwalten, ein bisschen optimieren oder Pflicht und Innovation verbinden? Mit welchen Schwerpunkten aus dem Kanon der wesentlichen Themen will ich das eigene Nachhaltigkeitsprofil schärfen? Ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Prozessdesign mit verschiedenen Workshop-Formaten kann einen gut abgrenzbaren Einstieg bilden.


4. „Wir haben Lust auf das Thema. Aber wo fange wir an?“

Wo fangen wir an? Wäre Beratung von außen sinnvoll und wann? Welche Optionen und welche Pflichten haben wir?

Nächste Schritte könnten sein: Wenn schon Energie für Nachhaltigkeit da ist, ist es für Unternehmen besonders wichtig, ihr einen Kanal zu geben, damit engagierte Mitarbeiterinnen bleiben wollen. Es geht darum, interessierte und motivierte Menschen im Unternehmen zu finden. Es geht um einen zielgerichteten Dialog, um das Erkennen von Potenzialen und Risiken, um Erfahrungs- und Lernräume. Der Einstieg kann über Kurzinterviews erfolgen, um herauszufinden, wer im Unternehmen Lust auf das Thema hat. Eine „Druckbetankung“ mit Basiswissen für die Schlüsselakteure im Unternehmen ist ratsam und bringt alle auf den gleichen Wissensstand. Zum Beispiel zum Thema Regulierung, ESG am Kapitalmarkt oder zu Nachhaltigkeitsstrategien.


5. „Müssen wir uns mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen?“

Niemand bei uns will sich wirklich mit dem Thema beschäftigen. Viele sagen, das geht uns nichts an. Oder ganz im Gegenteil. Es wird gesagt: Wir waren schon immer nachhaltig. Schließlich sind wir seit drei Generationen im Familienbesitz. Es stellt sich die Frage: Welchen Mehrwert kann eine strategische Ausrichtung auf Nachhaltigkeit für unser Unternehmen haben?

Nächste Schritte könnten sein: Mit interner oder externer Hilfe über eine Bedarfs- und Marktanalyse die Potenziale für nachhaltiges Wirtschaften in der Branche und im Unternehmen erkennen. Dabei auch schauen was andere machen. Zudem über Experteninput erfahren, welche Regularien und Berichtspflichten bestehen, wie ein Reporting aufgesetzt werden sollte und welche Potenziale sich damit verbinden.


Wirksames Handeln ist möglich!

Nehmen wir uns die Freiheit zu handeln. Denn effektives Handeln ist möglich. Ein gutes Beispiel: Bis 2066 könnte sich laut Experten das Ozonloch komplett geschlossen haben. Warum? Weil die Weltgemeinschaft mit dem Montrealer Protokoll entschlossen gehandelt hat und fast alle ozonschädigenden Substanzen verboten hat. Wie stolz werden wir sein, wenn wir in Deutschland die Energiewende vollzogen haben! Oder die Verkehrswende. Oder den Umbau der Wirtschaft, hin zu nachhaltigem Wirtschaften in den gegebenen planetaren Grenzen. Was für eine gewaltige Heraufforderung und gleichzeitig: welches Ziel kann motivierender sein?