Als Kind war ich oft als Batman unterwegs – mit Cape, rauer Stimme, dunkler Maske und einer Mission. Später wollte ich Pilot werden, wie mein Patenonkel. Heute, zwölf Jahre nach meinem Einstieg ins Nachhaltigkeitsmanagement, sieht die Realität anders aus: keine Flüge, kein Cape, aber immer noch eine klare Mission.
Wenn ich an meinen Karriereweg denke, erscheint mir ein Ziel besonders spannend: Chief Sustainability Officer (CSO) zu werden. Da mein aktueller Anstellungsvertrag Ende Juni 2025 ausläuft und ich das Thema Nachhaltigkeitsmanagement wieder in einem Unternehmen vorantreiben möchte, ist es vielleicht genau der richtige Moment, über diese Perspektive nachzudenken. Aber was genau macht ein:e CSO, und wie kommt man in diese Position?
Die Rolle des CSO – mehr als ein Titel
Der CSO hat sich in den letzten Jahren zu einer strategischen Schlüsselfigur in Unternehmen entwickelt. Sie arbeiten gemeinsam mit der Geschäftsleitung und ihre Rolle geht weit über die bloße Überwachung der Einhaltung von ESG-Vorgaben (Environmental, Social, Governance) hinaus. CSOs integrieren Nachhaltigkeit in die Geschäftsstrategie und definieren ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele, die eng mit den Unternehmenszielen verzahnt sind.
Zu ihren Aufgaben gehören Innovationen – von ressourcenschonenden Prozessen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen, die gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Gleichzeitig müssen CSOs Stakeholder koordinieren: intern, zwischen Abteilungen und extern, etwa in Abstimmung mit Investoren, NGOs oder staatlichen Stellen. Die Kombination aus strategischer Weitsicht, Kommunikationsstärke und Führungskompetenz macht diese Position zu einer der anspruchsvollsten in der heutigen Unternehmenswelt.
Wie viele CSOs gibt es – und wie wird man eine:r?
Ein kurzer Blick auf LinkedIn zeigt: Über 2.000 Personen in Deutschland tragen den Titel CSO. Doch wie relevant ist das? Viele nennen sich so, nehmen in ihren Unternehmen aber eine ganz andere Rolle ein. Ein zweiter Blick auf Google Trends offenbart, dass die Zahl der Suchanfragen nach „Chief Sustainability Officer“ in den letzten Jahren stark gestiegen ist – allerdings bleibt die Popularität hinter anderen vergleichbaren Rollen wie dem „Chief Digital Officer“ zurück.
Um es genauer zu verstehen, habe ich mir die DAX-40-Unternehmen angeschaut. Dabei fand ich heraus: 15 Unternehmen haben explizit eine:n CSO, während andere ähnliche Rollen wie „Head of Sustainability“ oder „Executive Vice President“ verwenden. Die 40 Fach- und Führungskräfte, die Nachhaltigkeit in den DAX-Unternehmen verantworten, sind zu 55 Prozent weiblich, im Schnitt 3,6 Jahre in ihrer Position und haben häufig einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund.
Was mich überrascht hat: Nur eine Person aus den DAX-40 hat den renommierten MBA Sustainability Management an der Leuphana Universität absolviert. Ich hätte mit deutlich mehr gerechnet. Vielleicht ändert sich das in Zukunft.
Drei Wege zum CSO, alle anders
Einige Karrierewege finde ich besonders inspirierend. Hier drei Beispiele:
- Elke Reichart, Chief Digital and Sustainability Officer bei Infineon, kombiniert Digitalisierung und Nachhaltigkeit in einer Doppelrolle. Mit ihrer langjährigen Erfahrung in der IT-Branche zeigt sie, wie Synergien zwischen Technologie und Nachhaltigkeit gestaltet werden können.
- Dr. Oliver Engels, CSO und Chief Diversity Officer bei der Deutschen Börse, bringt eine unkonventionelle Perspektive ein: Der Physiker kam über die Risikoabteilung und hat zuvor bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und in der Auditfunktion gearbeitet.
- Ulrike Sapiro, CSO bei Henkel, hat klassische Stationen im Nachhaltigkeitsmanagement durchlaufen. Die studierte Politikwissenschaftlerin startete im Stakeholder-Management, wechselte ins Umweltmanagement eines Getränkeherstellers und stieg von dort die Karriereleiter bis zur europaweiten Verantwortung auf. Mit einem Unternehmenswechsel stieg sie in die Rolle der CSO ein.
Die CSO-Rolle in Zukunft - mehr Themen und mehr Change
Die Rolle des CSO erfordert mehr als fachliche Expertise – sie verlangt nach Kompetenzen, die über das klassische Nachhaltigkeitsmanagement hinausgehen. Zukunftsthemen wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Kreislaufwirtschaft spielen eine immer größere Rolle. Ein moderner CSO muss in der Lage sein, diese Technologien strategisch zu nutzen, um sowohl die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens als auch die Resilienz gegenüber globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder Ressourcenknappheit zu stärken.
Gleichzeitig ist der CSO eine Schlüsselperson im Change Management. Nachhaltigkeit lässt sich nur dann erfolgreich in das Unternehmen integrieren, wenn eine offene und zukunftsorientierte Führungskultur gefördert wird. Dazu gehört die Fähigkeit, Teams und Führungskräfte auf allen Ebenen zu inspirieren, Widerstände zu überwinden und einen echten kulturellen Wandel zu bewirken. Die beziehungsweise der CSO agiert somit nicht nur als Strateg:in, sondern auch als Change Agent – eine Facette, die oft unterschätzt wird, aber entscheidend für langfristigen Erfolg ist.
Willst Du auch CSO werden, wenn Du groß bist?
Die Rolle des CSO ist anspruchsvoll, facettenreich und bietet die Möglichkeit, echten Wandel zu gestalten. Für mich ist klar: Der Weg zum CSO ist nicht geradlinig, sondern von vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen geprägt – noch. In den nächsten zehn Jahren könnte sich das ändern: Mit einer wachsenden Zahl studierter Nachhaltigkeitsmanager:innen dürfte der Anteil an Quereinsteiger:innen abnehmen. Dennoch bleibt der aktuelle Mix aus Perspektiven, sei es aus der Digitalisierung, dem Risikomanagement oder klassisch aus der Nachhaltigkeit, ein großer Gewinn. Diese Erfahrungen und die damit verbundenen Geschichten sind oft so facettenreich, dass sie nicht in LinkedIn-Profilen sichtbar werden, aber enorm zum Erfolg der Position beitragen.
Was mich betrifft: Ich suche wirklich ab dem 1. Juli 2025 eine neue Herausforderung. In einem zukunftsgerichteten und wegweisenden Unternehmen das Thema nachhaltiges Wirtschaften voranzutreiben, das wäre ein Traum. Der Titel dahinter ist mir fast egal.
Falls Ihr etwas hört, sagt mir gern Bescheid.
Euer
Alex Kraemer