Zukunftsbilder als Kompass für nachhaltige Transformation

Angesichts der spürbaren Folgen der Klimakatastrophe sei auch die Wirtschaft zum entschlossenen Handeln aufgefordert, meinen Julia Straub und Sören Krüger. Die Organisationsberater:innen stellen jedoch fest: Für einige Unternehmen ist Nachhaltigkeit eher leidige Pflichtaufgabe als Zukunftschance. So drohe die Transformation zu scheitern.

Sechs der neun Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten sind bereits überschritten (vgl. Stockholm Resilience Center 2023). Wissenschaftler:innen zweifeln daran, dass das 1,5-Grad-Ziel noch erreicht werden kann. Klar ist: Es bedarf großer und unmittelbarer Anstrengungen, um der Klimakatastrophe und ihren Folgen für den Planeten und unser Leben zu begegnen. Entsprechend heiß wird das Thema Nachhaltigkeit diskutiert – in der öffentlichen Debatte und auch in Unternehmen. Befördert wird das durch das wachsende Interesse von Bürger:innen, Verbraucher:innen und Arbeitnehmer:innen – und durch steigende regulatorische Anforderungen mit Inkrafttreten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).

Nachhaltigkeit verkommt zur Pflichtaufgabe

Alles gut also in puncto nachhaltige Transformation? Leider führen weder die steigende Dringlichkeit noch die öffentliche Debatte dazu, dass Nachhaltigkeit zum neuen Nordstern für Unternehmen wird. Die Arbeit an Nachhaltigkeitsthemen ist für einige eher lästige Pflichtaufgabe als leidenschaftliches Zukunftsthema. Die Aufmerksamkeit liegt auf der Erfüllung externer Anforderungen statt auf dem Hinterfragen der eigenen Wirtschafts- und Arbeitsweise.

Zwei Beobachtungen aus der Praxis:

  • Verantwortungsdelegation an Nachhaltigkeitsteams: Viele Unternehmen haben inzwischen Nachhaltigkeitsmanager:innen. Deren Aufgabe ist allerdings oft darauf beschränkt, Zahlen für die ordnungsgemäße Berichterstattung zusammenzutragen. Damit ist der Wirkungskreis vieler Nachhaltigkeitsteams begrenzt: Statt die Weiterentwicklung des Unternehmens mitgestalten zu können, laufen sie Zahlen hinterher und müssen dabei oft auch noch mit der Erwartung umgehen, das business as usual nicht zu stören. Die nachhaltige Transformation soll geräuschlos stattfinden. Ein tiefgreifender Wandel des Unternehmens ist so nicht möglich.
  • Isolierte Nachhaltigkeitsstrategien: Obwohl Nachhaltigkeit in vielen Unternehmen inzwischen strategisch als Top-Thema markiert wird, lassen nur wenige diesem Anspruch konsequente Entscheidungen folgen. Nachhaltigkeitsstrategien beschränken sich oft auf Teilaspekte von Nachhaltigkeit (wie etwa Klimaneutralität), ohne die grundlegende Ausrichtung des Unternehmens infrage zu stellen. Nachhaltiges Wirtschaften bedeutet aber: Wirtschaftlicher Erfolg darf nicht auf Kosten der Umwelt oder der Gesellschaft fußen, sondern geht idealiter mit einem positiven Beitrag zum Ökosystem einher. Unternehmen, die diesen Anspruch ernst nehmen, müssen ihre Wirtschafts- und Arbeitsweise gänzlich auf den Prüfstand stellen. Das beinhaltet auch ihr Geschäftsmodell.

Der Gestaltungsraum wird immer kleiner

Alles übertriebene Forderungen und Zukunftsmusik? Nein. Es wird Jahre brauchen, bis wir unsere Wirtschaft umgebaut haben. Und die Klimakatastrophe verschärft sich Jahr für Jahr. Wir müssen also jetzt beginnen. Neben der Verantwortung für den Planeten und folgende Generationen, ist es auch strategisch betrachtet naiv, die Klimakatastrophe aussitzen zu wollen, denn sie ist das „größte Risiko für unser Wirtschafts- und Finanzsystem“ (vgl. Bertelsmann Stiftung 2024). Durch den zögerlichen Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit gehen wertvolle Zeit und Potenzial verloren: Der unternehmerische Gestaltungsraum wird kontinuierlich kleiner. Je länger Unternehmensleitungen zögern, umso geringer ist die Chance, dass ihre Organisation in 10 bis 15 Jahren überhaupt noch eine relevante Rolle spielen wird.

Positive Zukunftsbilder kreieren Sogwirkung

Viele Menschen verbinden die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit mit Verzicht. Und in der Tat: nachhaltig wirtschaftende Unternehmen verzichten bewusst auf realisierbare Profite der Gegenwart, wenn diese nur zu Lasten des Ökosystems realisierbar sind (vgl. Burmester/Straub 2022). Sie handeln strategisch aus der Überzeugung heraus, dass sich ihr Verzicht auch für sie als Unternehmen lohnen wird. Dass er die eigene Resilienz stärkt und einen positiven Beitrag für die Zukunft leisten wird, auf die sie hinarbeiten.

Viele Unternehmen haben allerdings überhaupt kein Bild der Zukunft, auf die sie hinwirken. Sie wissen nicht, wie ihr Unternehmen aussehen könnte, wenn es nachhaltig handeln würde. Dabei lohnt es sich, den Blick auf dieses Neue zu lenken, auch wenn wir es noch nicht konkret beschreiben können. „We cannot achieve what we cannot imagine“, hat die Soziologin Elise M. Boulding gesagt. Wir brauchen dringend positive Bilder einer nachhaltigen Zukunft. Auch für Unternehmen. Ein solches Bild zieht uns in die Zukunft und befähigt uns zu wirksamer Arbeit für mehr Nachhaltigkeit. Die gelebte Praxis der bloßen Befassung mit Reportings steht dem entgegen und verhaftet uns nur im Hier und Jetzt.

Unternehmen brauchen ein Zukunftsbild als Kompass

Ein starkes Zukunftsbild wirkt wie ein Kompass und gibt auch in volatilen Umfeldern die Richtung vor. Damit das Bild des nachhaltigen Unternehmens nicht in der Schublade endet, muss es fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sein und in die DNA eingewoben werden. Konkret kann das so aussehen:

  • Nachhaltigkeit zieht sich durch das Zukunftsbild: Die Basis für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens ist ein Zukunftsbild. Es beschreibt die Organisation, ihre innere Verfasstheit sowie ihr Wirken im Außen in 5-7 Jahren. Die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Bild. Nachhaltigkeit steht damit nicht mehr im Widerspruch zu anderen Vorhaben, sondern ist integriert – beim Geschäftsmodell genauso wie in der IT, im HR-Bereich und im Vertrieb.
  • Das Zukunftsbild ist verankert in der Unternehmensstrategie:  Ein starkes Zukunftsbild schafft Orientierung nach vorn und macht deutlich, was in den kommenden Jahren Priorität hat. Durch die Verankerung in der Unternehmensstrategie wird Nachhaltigkeit zur gemeinsamen Ambition und Aufgabe aller Unternehmensbereiche und zum festen Bestandteil der strategischen Planung. Eine separate Nachhaltigkeitsstrategie wird obsolet.
  • Das Zukunftsbild stärkt dezentrales Arbeiten an Nachhaltigkeit: Mit der Strategie definiert das Unternehmen übergeordnete Ziele und Maßnahmen, um sich dem Zukunftsbild zu nähern. Darüber hinaus ist das Bild die Basis für einen Dialog zur Zukunft des Unternehmens, an dem sich die Führungskräfte mit ihren Mitarbeiter:innen beteiligen. Dabei reift in den Teams das Bewusstsein über die eigene Gestaltungskraft und es entstehen Ideen, die zeigen, dass andere Wirtschafts- und Arbeitsweisen möglich sind. Unternehmen, die solche Ideen umsetzen, gestalten die Arbeit an mehr Nachhaltigkeit als produktive gemeinsame Lernerfahrung.

Nachhaltigkeit ist unsere Chance

Nachhaltigkeit ist keine leidige Pflicht, die wir abarbeiten müssen. Nachhaltigkeit ist unsere gemeinsame Chance. Nachhaltige Unternehmen können einen erheblichen Beitrag zur Transformation unseres Wirtschaftssystems und zur Regeneration unseres Planeten leisten. Deshalb brauchen wir den Mut und die Entschlossenheit von Unternehmen, ihr Tun kritisch zu hinterfragen und neue Wege zu gehen.

Nachhaltige Unternehmen schaffen auch Räume, in denen Menschen Verantwortung für die Zukunft übernehmen können. Gemeinsam können sie Strategien erarbeiten: Wie kann anderes Wirtschaften aussehen? Was ist unser Beitrag? Was können wir verändern und weiterentwickeln? Es reicht nicht, den Staat oder Dritte in die Pflicht zu nehmen. Das eigene Handeln macht den Unterschied.

Nachhaltigkeit wird dann wirksam, wenn sie in der DNA von Unternehmen verankert ist, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter:innen neugierig über neue Wege sprechen und entsprechend handeln.Es geht darum, sich auf den Weg zu machen und dranzubleiben. Anpassungsfähig zu werden. In Zukunft hoffentlich mit mehr Freude, Leichtigkeit und Konsequenz als heute.


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