Science Based Targets Initiative: Diskussion um CO2-Zertifikate

Knapp 6.000 Unternehmen haben mittlerweile ihre Klimaziele von der Science Based Targets Initiative validieren lassen – Tendenz weiter steigend. Doch trotz wachsender Popularität gab es die letzten Monate vermehrt Kritik an der Initiative. Im Kern geht es dabei um die Frage, was als Emissionsreduktion auf ein Klimaziel angerechnet werden kann. Was steckt dahinter und was bedeutet die aktuelle Diskussion für Unternehmen? Ein Überblick.

Im April veröffentlichte der Vorstand der Science Based Targets Initiative (SBTi) ein Statement, in dem in Aussicht gestellt wurde, dass zukünftig CO₂-Zertifikate für die Erreichung der Scope-3-Klimaziele genutzt werden könnten. Scope-3-Emissionen entstehen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette von Unternehmen und sind komplexer zu bilanzieren und zu reduzieren als direkte, energiebezogene Emissionen im Unternehmen.

Bisher müssen Unternehmen ihre Scope-3-Emissionen tatsächlich reduzieren, um ihre von der SBTi validierten Klimaziele zu erreichen. Der Vorschlag, stattdessen CO₂-Zertifikate kaufen zu können, stoß bei vielen Organisationen wie dem NewClimate Institute auf Kritik. Auch ein großer Teil der Mitarbeitenden der SBTi positionierte sich in einem Brief gegen den SBTi-Vorstand. Sie sollen vorab nicht in die neue Positionierung involviert worden sein und teilten die inhaltliche Position nicht. Dahingegen begrüßten die Akteure des CO₂-Zertifikatemarkts die neue Aufgeschlossenheit.

Eine inhaltliche Änderung der Standards durch den SBTi Vorstand ist jedoch gar nicht möglich, da ein formaler und mehrstufiger Prozess durchlaufen werden muss. Für den Prozess zur Überarbeitung des Net-Zero-Standards hat die SBTi diese Woche neue Dokumente veröffentlicht, die Einblicke in den Stand der Diskussion geben.

Einblicke in die laufende Überarbeitung

In einem Scope-3-Diskussionspapier zeigt die Initiative bestehende Herausforderungen mit den aktuellen Zielsetzungsmethoden auf und skizziert alternative bzw. ergänzende Ansätze. Mit diesen soll eine schnelle Dekarbonisierung der Wertschöpfungsketten sichergestellt und gleichzeitig die bestehenden Herausforderungen von Unternehmen bei der Scope-3-Bilanzierung berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der Verwendung von CO₂-Zertifikaten stellt die SBTi drei mögliche Szenarien vor: die Nutzung von Zertifikaten aus Aktivitäten in der eigenen Wertschöpfungskette, zur Neutralisation von Residualemissionen und zur zusätzlichen Finanzierung von Aktivitäten außerhalb der Wertschöpfungskette. Das klassische Offsetting von Emissionen durch den Kauf von Zertifikaten ist dabei allerdings ausdrücklich keine Option. Oberste Priorität soll auch in Zukunft die tatsächliche Dekarbonisierung der Wertschöpfungskette haben.

Die von der SBTi durchgeführte Evidenzanalyse deutet darauf hin, dass verschiedene Arten von CO₂-Zertifikaten die beabsichtigten Emissionsminderungen nicht wirksam erzielen können und ihr Einsatz zur Verzögerung der benötigten Dekarbonisierung von Unternehmen führen kann. Während Offsetting somit keine Option für Unternehmen darstellt, können Modelle wie Beyond Value Chain Mitigation und sogenannte Contribution Claims bevorzugte Ansätze darstellen, um die Transformation zu beschleunigen. Bei diesen investieren Unternehmen in Klimaschutzprojekte außerhalb ihrer Wertschöpfungskette, können dies aber nicht als Reduktion zur Zielerreichung anrechnen.

Neben der möglichen Nutzung von CO₂-Zertifikaten evaluiert die SBTi auch andere Varianten sogenannter Environmental Attribute Certificates. Bei der Bilanzierung von Grünstrom im marktbasierten Ansatz in Scope 2 findet dieses Modell schon heute Anwendung. In anderen Feldern, etwa dem Einkauf von Sustainable Aviation Fuel oder grünem Stahl, darf es noch nicht genutzt werden. Auch das GHG-Protokoll überarbeitet bis 2026 seine Bilanzierungsstandards und könnte diese Aspekte aufgreifen.

Was Unternehmen wissen müssen

Während die SBTi sich in der Überarbeitung ihrer Standards befindet, ändert sich für Unternehmen erst einmal nichts. Die bestehenden Standards und Richtlinien gelten weiterhin. Ende des Jahres soll ein erster Entwurf des überarbeiteten Net-Zero-Standards veröffentlicht werden. Mit tatsächlichen Änderungen und der finalen Entscheidung zum Umgang mit CO₂-Zertifikaten kann frühstens ab Mitte 2025 gerechnet werden.

Für Unternehmen kein Grund zu warten. Um die negativen Folgen des Klimawandels auf ein Minimum zu begrenzen, braucht es eine schnelle Dekarbonisierung aller Sektoren. Durch die CSRD-Berichtspflicht müssen Unternehmen zukünftig offenlegen, ob ihre Klimaziele mit einem 1,5°C-Pfad kompatibel sind. Auch die Anforderungen von Großunternehmen an ihre Lieferanten und von Banken an ihre Kreditnehmer nehmen weiterhin zu. Die Validierung der Klimaziele über die SBTi ist dabei weiterhin eine viel genutzte Anforderung und bietet Unternehmen eine erste Anlaufstelle. Darüber hinaus gibt es aber auch alternative Ansätze, wie zum Beispiel die XDC-Methodik von right°, die Unternehmen nutzen können, um eine 1,5°C kompatible Klimastrategie zu entwickeln.

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