Der Fall: Erkrankung ist Dienstfolge
Der 46-jährige Kläger, ehemaliger Polizeikommissar, ist seit Ende des Jahres 2021 aufgrund von Dienstunfähigkeit im Ruhestand. Im Jahr 2017 war er nach einer längeren Krankheitszeit während der Wiedereingliederungsphase im Zentralen Kriminaldienst der Polizeiinspektion Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel mehrere Monate zur Sichtung kinderpornografischen Bild- und Videomaterials eingesetzt. In einem psychiatrischen Gutachten wurde dem Kläger in der Folge eine durch diese Tätigkeit ausgelöste spezifisch Stress-assoziierte Störung attestiert. Die beklagte Polizeidirektion Braunschweig bestritt im Prozess nicht, dass diese Erkrankung durch die Sichtung der Bilder und Videos von Kindesmisshandlungen im Dienst ausgelöst wurde. Die Anerkennung der psychisch belastenden Tätigkeit als Dienstunfall wurde aber abgelehnt. Dagegen wendete sich der Kläger in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
VG Braunschweig: Kein Dienstunfall, keine Berufskrankheit
Die 7. Kammer des VG Braunschweig hat am 10.08.2023 die Klage des ehemaligen Polizeibeamten auf Anerkennung eines Dienstunfalls abgewiesen (Az. 7 A 140/22). Nach dem Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetz ist ein Dienstunfall als ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, zeitlich und örtlich bestimmbares Ereignis definiert, das einen Körperschaden verursacht. Nach der ständigen Rechtsprechung fielen schädliche Dauereinwirkungen über mehrere Monate nicht unter das Merkmal eines plötzlichen Ereignisses, so die Kammer. In den vergangenen fünf Jahren des Verfahrens habe weder vom Kläger selbst, noch von den behandelnden Therapeuten und insbesondere nicht durch den psychiatrischen Fachgutachter eine konkrete einzelne Sichtung oder ein Diensttag als allein krankheitsauslösend und damit als ein plötzliches Ereignis identifiziert werden können.
Die Erkrankung des Klägers, so die Kammer, sei nach der geltenden Rechtslage auch nicht als Berufskrankheit einem Dienstunfall gleichgestellt. Das Niedersächsische Beamtenversorgungsgesetz verweist hierzu auf die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) des Bundes. In diese Verordnung sind bislang keine psychischen Erkrankungen aufgenommen worden.
Gegen das Urteil hat der Kläger noch das Rechtsmittel eines Berufungszulassungsantrags vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht.
Wichtig für die Praxis
Die hier zugrunde gelegten Maßstäbe lassen sich ohne weiteres auf die „freie Wirtschaft“ übertragen. Auch hier wäre die Anerkennung eines Arbeitsunfalls nicht möglich gewesen.
Allerdings ist hier wie dort die Einschätzung des VG hinsichtlich des Vorliegens einer Berufskrankheit stark in Zweifel zu ziehen. In der Tat kennt die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) psychische Erkrankungen nicht. Diese sind aber - wenngleich auch nur in Ausnahmefällen – möglicherweise als sog. „Wie-Berufskrankheit“ anerkennungswürdig. Das hätte das VG in diesem Fall prüfen müssen.