Datenbrillen: Vor- und Nachteile gegenüber anderen Digitalgeräten


Datenbrillen: Vor- und Nachteile

Datenbrillen werden in der Industrieproduktion und der Logistik zunehmend eingesetzt. Erste Studien legen nahe, dass sich die Vor- und Nachteile beim aktuellen Stand der technischen Entwicklung noch die Waage halten und die Beschäftigten oft noch andere digitale Geräte für die Arbeit bevorzugen.

„Datenbrille“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Head-Mounted Display (HMD) oder Smart Glasses, also von digitalen Anzeigegeräten, die am Kopf getragen werden. Ihr Wert für den Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen, die ihren Beschäftigten diese Geräte bereits zur Verfügung stellen, ist noch umstritten. Hinsichtlich der Normung markiert das Jahr 2024 einen ersten Meilenstein, denn im Februar wurde die ISO/IEC 5927 „Sicherheit von Augmented und Virtual Reality – Anleitung zum sicheren Eintauchen, Einrichten und Verwenden“ veröffentlicht. Sie bietet einen ersten vollständigen Überblick über Standardisierungen und sicheres Anwenden dieser Technologie.

Augmented-Reality- und Virtual-Reality-Technologie

Ein HMD-System besteht aus einem Tragegestell, z. B. einer Brille, einer Displayeinheit und einem Bedienelement. Es werden zwei HMD-Systeme unterschieden:

  1. Bei der Augmented Reality (AR) werden die Daten nur vor einem Auge eingeblendet, mit dem zweiten Auge ist daher weiterhin eine uneingeschränkte Sicht auf das reale Umfeld des Trägers möglich. Die Darstellung erfolgt in 2D, die Steuerung über Sprachbefehl.
  2. Bei der Virtual Reality (VR) wird das Sichtfeld komplett vom Bildschirm innerhalb der Brille eingenommen, das Bild ist in 3D. Auch hier werden die Arbeitsprozesse über Sprachbefehle gesteuert.

Vorteile von Datenbrillen: kognitive Belastung geringer

Die große Herausforderung beim Einsatz digitaler Technologie für den Nutzer ist, dass er kontinuierlich eine sog. „kognitive Distanz“ überwinden muss. Was bedeutet das? Beim Ablesen von einem Bildschirm muss der Beschäftigte ständig die abgelesene Information aufnehmen, sie im Gedächtnis speichern und sie gleichzeitig auf seine „analoge“ Umgebung übertragen. Das Überbrücken dieser kognitiven Distanz zwischen virtueller und realer Welt kann zu großen Belastungen führen, die mit der Zeit auch zu psychischen Beeinträchtigungen führen können.

Hier bringen die Datenbrillen einen großen kognitiven Vorteil für ihre Anwender: Indem sie ein virtuelles Bild schaffen und dieses über das real-physische Umfeld des Beschäftigten legen, helfen sie diesem, die digitalen Informationen einfacher in den relevanten Kontext einzuordnen. Somit reduziert sich für den Beschäftigten die kognitive Distanz und damit auch die kognitiv-psychische Belastung.

Nachteile von Datenbrillen: Tragekomfort, Blendung und Sichtfeld

Die Nachteile der Datenbrillen betreffen vor allem das Gewicht der Hardware (teilweise über 400 Gramm), das den Tragekomfort einschränkt. Dies führt dazu, dass Datenbrillen von vielen Beschäftigten nur für eine relativ kurze Zeit getragen werden können, ohne als Belastung wahrgenommen zu werden. Das eingeschränkte Sichtfeld und häufig eine starke Blendung im Display kommen hinzu. Gerade dieser Aspekt ist vor dem Hintergrund der mit dem Alter abnehmenden visuellen Leistungsfähigkeit der Beschäftigten von den Unternehmen besonders zu beachten.

Datenbrille: Vergleich zu Tablet-PC und PC-Bildschirm

Wie aber bewerten die Beschäftigten die Arbeit mit Datenbrillen, vor allem auch im Vergleich zu anderen Mobilgeräten, in ihrer subjektiven Wahrnehmung? In zwei Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) aus den vergangenen Jahren wurden u. a. Lagerbeschäftigte in Unternehmen der Logistikbranche befragt, die für Kommissioniertätigkeiten mit Datenbrillen ausgerüstet wurden. Diese Beschäftigten arbeiteten zuvor mit Tablet-PCs und an PC-Monitoren.

Dabei wurde die subjektiv empfundene Beanspruchung von den Testpersonen bei der Datenbrille deutlich höher eingestuft als beim Tablet-PC – sowohl was die geistige, körperliche und zeitliche Anforderung angeht als auch die Faktoren Leistung, Anstrengung und „Frustration“. Auch im Vergleich zu PC-Monitoren (sowohl PC als auch Laptop) konnten die Datenbrillen nicht ganz überzeugen. Die Arbeit an PC-Monitoren wurde insgesamt als angenehmer empfunden. Dennoch nannten die Testpersonen auch Vorzüge der Datenbrillen gegenüber dem PC-Monitor. Der Umgang mit ihnen sei leichter zu erlernen, die Bedienung einfacher und die Informationsdarstellung und -verfügbarkeit besser als beim PC-Bildschirm.

Subjektive Wahrnehmung, objektive Fakten

Ein weiteres Ergebnis der BAuA-Studien war: Die von den Forschern an den Testpersonen gemessenen Daten konnten die von diesen subjektiv wahrgenommenen Belastungserhöhungen zumindest teilweise nicht bestätigen. Beispiel Sehkraft und Sehvermögen: Die Messungen an den Beschäftigten hatten gezeigt, dass sich der Einsatz von Datenbrillen über mehrere Stunden nicht negativ auf die Augen auswirkt: Weder die Anpassungsfähigkeit des Auges an das Nah- und Fernsehen noch das Gesichtsfeld wurden negativ beeinflusst. Trotzdem fühlen sich Arbeitnehmer beim Einsatz von Datenbrillen stärker beansprucht als bei der Arbeit mit einem Tablet-PC und teilweise auch mit einem PC.

Technologische Weiterentwicklung

Die technologische Weiterentwicklung von Datenbrillen dürfte aber schon in den kommenden Jahren für eine Trendwende sorgen. So könnten Unternehmen bereits heute auf mobile Lösungen im Smartphone-Format mit integriertem Scanner oder Bilderkennung zurückgreifen, die noch nicht einmal 100 Gramm wiegen. Die gesamte Rechenleistung wird auf das Smartphone ausgelagert, das via USB-C mit der Brille verbunden ist. Diese Modelle haben sich aber im Arbeitsleben bislang kaum durchgesetzt, weil sie hierfür noch zu wenig robust sind.

Meistgenutzte Datenbrille

Die bislang in der Industrieproduktion und vor allem der industriellen Instandhaltung/Wartung vermutlich meistgenutzte Datenbrille ist der RealWear Navigator 532. Bei diesem Android-basierten Modell gibt es keine direkte Realitätsüberlagerung, es handelt sich also um eine AR-Lösung. Im peripheren Sichtfeld des Trägers befindet sich ein 2D-Assistenzbildschirm, über den Informationen mit nicht vor Ort befindlichen Personen ausgetauscht werden können. So kann der Träger sein Sichtfeld an einen Kollegen oder Experten übermitteln und sich mit ihm austauschen.