Nachhaltige Unternehmenssteuerung: große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit


Nachhaltige Unternehmenssteuerung: Anspruch und Wirklichkeit

Nachhaltigkeit bzw. ESG (Environmental, Social, Governance) gewinnt in der Unternehmenssteuerung zunehmend an Bedeutung. In der Praxis zeigt sich jedoch eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Integration von ESG-Themen in den Unternehmensalltag.  Prof. Dr. Utz Schäffer stellt die Ergebnisse der aktuellen Nachhaltigkeitsstudie des WHU Controller Panels vor. Diese beleuchtet die zentrale Herausforderungen, denen sich Unternehmen stellen müssen, um ESG erfolgreich in der Unternehmenssteuerung zu verankern.

Vier Haupttypen von Unternehmen im Umgang mit ESG

Die Studie identifiziert vier Haupttypen (siehe Abb. 1) von Unternehmen, um die Bandbreite des Umgangs in der Praxis mit ESG-Themen zu verdeutlichen: vom reinen Shareholder-Value-Ansatz, der ESG-Kosten minimiert (Typ I), bis hin zu Unternehmen, die Nachhaltigkeit als zentralen Unternehmenszweck verstehen (Typ IV). Die Mehrheit der an der Studie teilnehmenden Controllerinnen und Controller ordnet ihr Unternehmen den beiden mittleren Typen zu. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sehen ESG lediglich als Reporting- und Compliance-Thema (Typ II), während insbesondere in Großunternehmen ESG in strategische Prozesse integriert und steuerungsrelevant ist (Typ III).

Abb 1 Schäffe

Komplexität der Regulierung überlagert einen konstruktiven Managementansatz

Eine wesentliche Herausforderung liegt in der hohen Komplexität der regulatorischen Anforderungen. Besonders mittlere und kleine Unternehmen kämpfen damit, diese Anforderungen trotz knapper Ressourcen zu bewältigen. Die regulatorischen Anforderungen erhöhen definitiv den Handlungsdruck in den Unternehmen, führen jedoch oft zu einem reinen Compliance-Denken und nicht zu einem verstärkten Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltigerer Geschäftspraktiken.

ESG-Verankerung in der Steuerung und kultureller Wandel notwendig

Obwohl ESG zunehmend in strategischen Überlegungen berücksichtigt wird, mangelt es häufig an echter Verankerung in der Unternehmenskultur. So ist in den Augen der Studienteilnehmer die Identifikation des Top-Managements mit dem Nachhaltigkeitsansatz des Unternehmens keine Selbstverständlichkeit (siehe Abb. 2:). Ohne klare Kommunikation und Identifikation mit dem eigenen Nachhaltigkeitsansatz droht das Thema als reine Compliance-Aufgabe abgetan zu werden. Wenn jedoch Nachhaltigkeit von strategischer Bedeutung sein soll, bedarf es einer Integration in die Steuerungsinfrastruktur als auch eines kulturellen Wandels.

Abb 2 Schäffer

Ownership in Controlling schaffen

Trotz der wachsenden Bedeutung von ESG sehen sich viele Controller nicht in der Verantwortung, die ESG-Datenqualität sicherzustellen oder ESG-Kennzahlen in die Unternehmenssteuerung zu integrieren. Bedenklich ist auch, dass in vielen Unternehmen (auch vom Typ III und Typ IV) ESG weitgehend am Controlling vorbeiläuft, obwohl Controller potenziell für die Datenqualität im Unternehmen verantwortlich sein sollten. Hier gilt es, Ownership zu schaffen.

Zusammenfassend betonte Prof. Dr. Schäffer in seinem Vortrag, wie komplex die Herausforderung ist, ESG in die Unternehmenspraxis zu integrieren. Vor diesem Hintergrund erfordere sie Zeit und Engagement. Er appellierte gleichzeitig an Controllerinnen und Controller, für ihren Platz auf dem (Bei-)Fahrersitz auf dem Weg dorthin zu kämpfen, sich als „Single Source of Truth“ für ESG-Daten zu positionieren und als zentrale Schnittstelle zwischen Strategie, Finanzen und ESG zu fungieren. Nur durch diese aktive Einbindung des Controllings könne der Anspruch, ESG-Themen umfassend in die Steuerung zu integrieren, tatsächlich Wirklichkeit werden.

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Schlagworte zum Thema:  Unternehmenssteuerung, Controlling