Abzinsung von Verbindlichkeiten
Die Verpflichtung, unverzinsliche Betriebsschulden mit 5,5 % abzuzinsen, ist zumindest bis zum Jahr 2010 als verfassungsgemäß anzusehen. Dies hat der BFH (BFH Urteil vom 22.05.2019 - X R 19/17) klargestellt. Die nachträgliche Vereinbarung einer Verzinsung ist steuerlich unwirksam.
Praxis-Hinweis: Vereinbaren Sie bei Abschluss eines Darlehensvertrags die Verzinsung
Der wichtigste Praxis-Hinweis aus dieser Entscheidung kann nur lauten, dass in jedem Fall bei Abschluss eines Darlehensvertrages mit einer Laufzeit von über einem Jahr auf eine Verzinsung zu achten ist. Ansonsten droht regelmäßig eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5 %. Bei größeren Beträgen können die Auswirkungen hierbei durchaus beträchtlich sein.
Wichtig ist,
- dass auch eine Minimalverzinsung ausreicht und
- dass diese Verzinsung im Voraus vereinbart wird.
Einer rückwirkenden Vereinbarung ist steuerlich die Anerkennung zu versagen. Das hat der BFH in der Entscheidung noch einmal klargestellt.
Außerdem erscheint es aus Beweisgründen angezeigt, ausschließlich schriftliche Verträge abzuschließen, auch wenn dies hier nicht zwingend erforderlich gewesen wäre, weil der Vertrag zwischen fremden Dritten abgeschlossen wurde. Hätten die Vertragsparteien diese Voraussetzungen berücksichtigt, wäre es vermutlich nicht zu der Klage gekommen.
Die Ausführungen des BFH zur Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung sind dabei zwar sehr interessant zu lesen, das Vorbringen der Klägerin hierzu war aber wohl eher ein Rettungsanker. Im Jahr 2010 dürfte eindeutig noch eine Verfassungsmäßigkeit anzunehmen sein. Hinsichtlich des weiteren Darlehens hat der BFH dem FG im weiteren Verfahrensgang den Arbeitsauftrag gegeben zu prüfen, ob die besonderen Voraussetzungen für die Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen erfüllt sind. Insofern konnte der BFH keine abschließende Entscheidung treffen. Der Verweis auf besondere Regelungen für Angehörigenverträge führt aber vor Augen, dass gerade in diesen Fällen eine besondere Vorsicht geboten ist.
Finanzamt erhöhte aufgrund fehlender Verzinsung den Gewinn
Die Klägerin erhielt im Jahr 2010 für ihren Gewerbebetrieb im Einzelhandel von einem Bekannten, mit dem sie nicht verwandt war, ein langfristiges und zunächst nicht verzinsliches Darlehen über rund 250 TEUR. Zudem erhielt sie ein weiteres Darlehen über 238 TEUR von ihrem Schwager. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung, in der es um eine bilanzielle Gewinnerhöhung aufgrund der fehlenden Verzinsung ging, schlossen die Vertragspartner des Darlehens über 250 TEUR eine Zusatzvereinbarung, in der sie ab dem 1.1.2012 eine Verzinsung von jährlich 2 % festlegten. Später hoben sie den ursprünglichen Darlehensvertrag auf und vereinbarten rückwirkend ab 2010 eine Darlehensgewährung zu 1 % Zins. Das Finanzgericht, das das Darlehen steuerlich dem Grunde nach anerkannte, ließ die nachträglich getroffenen Verzinsungsabreden unberücksichtigt, so dass sich für das Streitjahr ein einkommen- und gewerbesteuerpflichtiger Abzinsungsgewinn ergab. Mit der Revision rügte die Klägerin die steuerliche Behandlung beider Darlehen. Auch führte sie an, das gesetzliche Gebot zur Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten sei verfassungswidrig.
Zinsvereinbarungen dürfen nicht mit Wirkung für die Vergangenheit getroffen werden
Der BFH wies indes die Revision gegen die Entscheidung des FG Köln zurück. Durch das Abzinsungsgebot für unverzinsliche Verbindlichkeiten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG wird steuerlich berücksichtigt, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht und mangels Gegenleistung für den Zahlungsaufschub nicht mit dem Nenn-, sondern dem geringeren Barwert zu passivieren sei. Es ist hierbei steuerlich nicht zulässig, Zinsabreden mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen. Dies gilt selbst dann, wenn solche Zinsvereinbarungen zivilrechtlich wirksam rückwirkend vereinbart werden können. Dies folgt aus dem bilanzsteuerrechtlichen Stichtagsprinzip sowie dem allgemeinen steuerlichen Rückwirkungsverbot.
Eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zur Abzinsung von unverzinslichen Verbindlichkeiten ist zumindest für das Streitjahr nicht ersichtlich. Zu dem weiteren, von einem Schwager der Klägerin gewährten Darlehen konnte der BFH keine abschließende Entscheidung treffen, da zunächst durch das Finanzgericht festzustellen ist, ob dieses Darlehen den Anforderungen an Angehörigenverträge gerecht wird.
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