Anschaffungskosten oder Betriebsausgaben ?
Praxis-Tipp: Weshalb der Betriebsausgabenabzug nicht vorgenommen werden kann
Der sofortige Betriebsausgabenabzug kann nicht für Aufwendungen vorgenommen werden, wenn ein Teil der Leistung zum Zeitpunkt der Bezahlung noch gar nicht erbracht, jedoch vertraglich für die Zukunft vereinbart wurde. Gezahlte Beträge für zukünftig erwartete Leistungen für immaterielle Wirtschaftsgüter sind als (geleistete) Anzahlungen zu bilanzieren.
Anzahlung im Bereich Auftragsforschung
In dem vom Hessischen Finanzgericht (FG Hessen, Urteil v. 26.2.2019, 4 K 2033/17) geführten Verfahren war strittig, ob die von der Klägerin Ende 2012 geleistete Zahlung für eine von der Vertragspartnerin zu erbringende Dienstleistung im Bereich der Auftragsforschung als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig war oder zur Aktivierung einer geleisteten Anzahlung führen musste.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Auftraggeberin (und Klägerin) A und die Auftragnehmerin B vereinbarten im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvertrags die Entwicklung einer Maschinenserie in verschiedenen Größen und Ausführungen. Der Vertrag wurde am 15.10.2012 geschlossen, die Zusammenarbeit sollte laut den vertraglichen Vereinbarungen bis spätestens 31.03.2016 abgeschlossen sein. Das Entgelt betrug pauschal 500.000 EUR zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer und sollte sämtliche von B zu erbringenden Leistungen abgelten. Die Zahlung des Entgelts war zum 31.12.2012 fällig und wurde von A auch fristgerecht entrichtet. Im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund wurde vereinbart, dass im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht verbrauchtes Entgelt an A zurückgezahlt wird. Das „noch nicht verbrauchte Entgelt“ richtete sich nach dem Stand des erreichten Ergebnisses im Falle einer Kündigung.
Abgrenzung eines entgeltlich erworbenen zu einem selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgut
Die Klägerin A verbuchte das an B gezahlte pauschale Entgelt als sofort abzugsfähige Betriebsausgabe. Im Jahr 2014 führe das zuständige Finanzamt der A eine Betriebsprüfung für die Jahre 2009 bis 2012 durch und betrachtete hierbei insbesonder die von A verbuchte Betriebsausgabe der 500.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer aus dem Forschungs- und Entwicklungsvertrag.
Von vornherein wurde auf Seiten des Finanzamtes und der Klägerin Einigkeit darüber erzielt, dass es sich bei dem Vertrag um eine echte Auftragsforschung handelt und deshalb kein entgeltlicher Erwerb eines immateriellen Wirtschaftsgutes vorliegt. Es wurde davon ausgegangen, dass A Herstellerin eines immateriellen Wirtschaftsgutes war. Aufgrund des Aktivierungsverbotes des § 5 Abs. 2 EStG für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter erkannte das Finanzamt nur die bis zum 31.12.2012 erbrachten Leistungen als Betriebsausgaben an. Der Teil des Entgelts, der auf den Zeitraum nach dem 31.12.2012 entfällt, muss als geleistete Anzahlung aktiviert werden. Mangels ausreichender Dokumentation auf Seiten der Klägerin wurde das Entgelt von der Betriebsprüfung vereinfacht auf den Zeitraum bis 31.12.2012 und die weiteren 3 folgenden Jahre aufgeteilt (200.000 EUR erbrachte Leistungen bis 31.12.2012 und jeweils weitere 100.000 EUR pro Jahr für die Jahre 2013 bis 2015).
Gegen die nach der Betriebsprüfung erlassenen, geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide legte A Einspruch ein. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren folgte letztlich die Klage.
Realisationsprinzip als Grund für das Finanzamt
Die Aktivierung der jeweils 100.000 EUR pro Jahr für den Zeitraum 2013 – 2015 begründete der Beklagte (das Finanzamt) mit dem Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, welcher nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit auch für das Steuerrecht gilt. Nach Auffassung des Finanzamtes gilt das Realisationsprinzip nicht nur für Einnahmen, sondern sei auch analog bei Aufwendungen anzuwenden, wenn diese Leistung zum Bilanzstichtag noch nicht vollständig erbracht wurde.
Die Klägerin machte hingegen geltend, dass die Voraussetzungen für die Aktivierung der Aufwendungen nicht vorliegen. Die Zahlungen an B stellen Herstellungskosten eines immateriellen Wirtschaftsgutes dar, eine Aktivierung der Aufwendungen entfällt gem. § 5 Abs. 2 EStG. Die Klägerin war ebenfalls der Ansicht, dass das Realisationsprinzip hier keine Anwendung findet, weil der Grundsatz der periodengerechten Abgrenzung von Betriebsausgaben durch das Vorsichtsprinzip und die spezielle Norm des § 5 Abs. 2 EStG durchbrochen wird.
Hiergegen wandte der Beklagte ein, dass es sich nicht um Herstellungskosten eines immateriellen Vermögensgegenstandes handelte, sondern um Anzahlungen für noch nicht erbrachte Leistungen. Insoweit sah das Finanzamt für die Anwendung des § 5 Abs. 2 EStG hier keinerlei Spielraum.
Klage wurde als unbegründet abgewiesen, Hinweis vom FG auf Rückforderungsanspruch mit darlehensähnlichem Charakter
Werden im Rahmen eines schwebenden Geschäfts Vorleistungen erbracht, sind diese als „geleistete Anzahlungen“ zu aktivieren. Auch wenn der Anspruch gegenüber dem Vertragspartner nicht zu einem aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut wird, kann sich die Aktivierung auf schwebende Geschäfte ergeben, vgl. BFH-Urteil vom 16.5.1973 – I R 186/71-, BFHE 110, 325, BStBl. II 1974, 25. Dennoch besteht Uneinigkeitin in der Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf den Grund für die Aktivierung. Folgt man Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG 289. Lieferung 11.2018, § 5 EStG Rz. 573 handelt es sich bei der Aktivierung um den Anspruch auf eine noch ausstehende Leistung.
Nach Krumm in Blümich, EStG 144. Ergänzungslieferung Oktober 2018, § 5 Rz. 501 bildet die Aktivierung der Vorauszahlung
- den Anspruch auf die Gegenleistung oder
- die Rückforderung des gezahlten Betrages im Falle der Nichterfüllung.
Nach Schubert/F. Huber im Beck'schen Bilanz-Kommentar, 11. Auflage 2018, HGB § 247, Rn. 545 bildet die Bilanzierung als geleistete Anzahlung ab, dass es sich um ein schwebendes Kreditgeschäft handelt. Das Hessische Finanzgericht folgt der Auffassung, dass es sich um einen darlehensähnlichen Rückforderungsanspruch handelt.
Eine Zahlung, die der Zahlungsempfänger, hier die Auftragnehmerin B, nicht behalten darf, wenn sie bei Nichterfüllung zurückgefordert werden kann, stellt in Höhe der möglichen Rückforderung einen Anspruch mit darlehensähnlichem Charakter dar. Aufgrund der zwischen A und B getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, ist im vorliegenden Fall bei einer Kündigung mit einer Rückzahlung eines Teilentgelts in jedem Fall zu rechnen. Der darlehensähnliche Charakter der Forderung ist damit nach Ansicht des Gerichts nicht zu widerlegen und die Aktivierung einer geleisteten Anzahlung damit konsequent.
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