Grundsätzlich unterliegen alle Leistungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens im Inland gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer. Hiervon ausgenommen ist die sogenannte Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG und zwar unabhängig davon, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, darf keine Umsatzsteuerberechnung erfolgen. Diese Beurteilung des Umsatzes hat sowohl Auswirkungen auf den Veräußerer als auch den Käufer.
Dem Grunde nach ist eine Option zur Umsatzsteuerpflicht bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht möglich. Dennoch kann es relevante Gründe geben, die Option zur Umsatzsteuerpflicht vorsorglich auszusprechen. So z. B. um Liquiditätsschäden hinsichtlich der Vorsteuer, die in der Zukunft liegen, abzuwenden. Dies kann der Fall sein, wenn sich im Rahmen einer später durchgeführten Betriebsprüfung beim Veräußerer herausstellt, dass die Geschäftsveräußerung im Ganzen gar keine Geschäftsveräußerung war. Liegen die formalen Voraussetzungen für die Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht vor, ist die Grundstücksveräußerung automatisch steuerbar, jedoch steuerbefreit gem. § 4 Nr. 9a UStG. Dies gilt unabhängig davon, ob Veräußerer und Erwerber einheitlich oder eben nicht einheitlich von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgegangen sind. Da niemand die Geschäftsveräußerung im Ganzen wählen kann, liegt sie entweder vor, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, oder sie liegt nicht vor. Da Betriebsprüfungen häufig erst nach mehreren Jahren durchgeführt werden, kann eine Nichtanerkennung der Geschäftsveräußerung im Ganzen zu erheblichen Steuernachzahlungen – in Form von zurück zu zahlenden Vorsteuerbeträgen – nebst Verzinsung führen.
Wichtig: Liquiditätsschäden durch fehlende Anerkennung einer Veräußerung im Ganzen Hat der Veräußerer einer Immobilie im Rahmen der Anschaffung oder Herstellung Vorsteuerbeträge abgezogen oder ist der 10-jährige Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG im Zeitpunkt der Veräußerung noch nicht vorbei, kann es für den Veräußerer zu einem erheblichen Liquiditätsschaden führen, wenn die Geschäftsveräußerung im Ganzen durch die Finanzverwaltung nicht anerkannt wird. |
Praxis-Beispiel: Rückzahlung von Vorsteuer aufgrund steuerfreier Grundstücksveräußerung
Veräußerer Pots hat im Jahr 2018 (Januar) ein Fabrikgebäude erworben, dass er für seinen Produktionsbetrieb einsetzt. Der Erwerb erfolgte umsatzsteuerpflichtig und Pots führt auch umsatzsteuerpflichtige Ausgangsleistungen aus. Die Umsatzsteuer auf den damaligen Kaufpreis hat Pots zu 100 % als Vorsteuer abgezogen, insgesamt 171.000 EUR.
Das Geschäft des Unternehmer Pots wächst so rasant, dass er sich dazu entschließt, das Fabrikgebäude im Jahr 2022 (Dezember) zu veräußern, weil es zu klein geworden ist. Pots und der Erwerber des Gebäudes gehen von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG aus. Der Erwerber übernimmt den verbleibenden Berichtigungszeitraum des Pots gem. § 15a UStG.Im Rahmen einer Betriebsprüfung wird festgestellt, dass es sich nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt, weil Pots mit dem Fabrikgebäude nicht auch die für die Produktion wesentlichen Maschinen an den Erwerber mitübergeben hat. Mangels Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Damit ist die Geschäftsveräußerung im Ganzen steuerbar, aber steuerbefreit nach § 4 Nr. 9a UStG (steuerfreie Grundstücksveräußerung). Gem. § 15a Abs. 8, 9 UStG wird davon ausgegangen, dass Pots das Fabrikgebäude seit der Anschaffung im Jahr 2018 vollumfänglich umsatzsteuerfrei genutzt hat, was zur Folge hat, dass Pots für die Jahre 2018 bis 2022 die geltend gemachte Vorsteuer aus dem Erwerb anteilig zurückzahlen muss, mithin 85.500 EUR (171.000 EUR / 10 Jahre = 17.100 EUR x 5 Jahre = 85.500 EUR).
Praxis-Tipp: Option zur Umsatzsteuerpflicht vorsorglich in Verträge aufnehmen
Vorsorglich sollte in Grundstückskaufverträgen immer ein Absatz zur Option zur Umsatzsteuerpflicht aufgenommen werden, um sich für den Falle einer Nichtanerkennung der Geschäftsveräußerung im Ganzen durch die Finanzverwaltung zu wappnen.
Die Option zur Umsatzsteuerpflicht sollte nicht unter einer Bedingung vorgenommen werden. Vielfach ist es in der Praxis üblich, dass die Option zur Umsatzsteuerpflicht erst eintritt, wenn das Finanzamt nicht von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgeht. Hierbei handelt es sich in der Regel um eine aufschiebend bedingte Vereinbarung. Erst wenn die Bedingung eintritt, also das Finanzamt die Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht als solche anerkennt, wird die Rechtsfolge ausgelöst. Dies kann im Rahmen einer Betriebsprüfung, die Jahre später stattfindet, zur Folge haben, dass die Steuerfestsetzung des Jahres, in dem die Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgenommen wurde, verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar ist. Ist die formelle Bestandskraft der Steuerfestsetzung eingetreten, würde die Bedingung zu spät eintreten, weil die Steuerfestsetzung bereits nicht mehr änderbar ist. Die Finanzverwaltung geht erfreulicherweise in der gängigen Praxis davon aus, dass eine Option im notariellen Kaufvertrag bedingt ausgeübt ist, also sofort gültig, für den Fall, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen sollte, dass die Annahme des Veräußerers und Erwerbers, es läge eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, nicht stimmt.Diese wesentlichen Tatsachen sollten Veräußerer und Erwerber im Rahmen des Grundstückskaufvertrags klären:Die Option zur Umsatzsteuerpflicht muss zwingend im notariellen Verkaufs-/Kaufvertrag geregelt sein.Sollte eine vorsorgliche Option zur Umsatzsteuerpflicht im Kaufvertrag enthalten sein, falls es sich nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt, sollte sie ohne Bedingung im Kaufvertrag formuliert sein.
Ich muss auch noch einmal nachfragen. So wie ich 27 Abs. 2 UStG lese, ist nur 9 Abs. 2 bei Altgebäuden nicht anzuwenden. 9 Abs. 1 wird nicht ausgeschlossen. Das heißt es bestünde immer ein Optionsrecht, wenn an einen anderen Unternehmer vermietet wird unabhängig von dessen Umsätzen. Könnten Sie da bitte noch einmal für Aufklärung sorgen. Viele Grüße
"Nein, es besteht nicht immer ein Optionsrecht, wenn an einen anderen Unternehmer - unabhängig von seinen Ausgangsumsätzen - vermietet wird. Grundsätzlich erfolgt die Prüfung der Optionsmöglichkeit - also dem Verzicht auf die Steuerbefreiung - wie folgt:
1. Ist mein grundsätzlich steuerfreier Umsatz in § 9 Abs. 1 UStG genannt? - Antwort: Ja, in unserem Fall der § 4 Nr. 12 UStG.
2. Wird der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht? Antwort: Ja.
3. Es muss die Einschränkung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 2 UStG für Umsätze nach § 4 Nr. 12a UStG (Vermietung und Verpachtung) geprüft werden. - Antwort: Ja, wir haben einen Umsatz (Vermietung und Verpachtung) vorliegen.
4. Prüfung, ob der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich zu Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. - Antwort: Ausgangsumsätze des Leistungsempfängers sind zu prüfen: Sollten keine steuerfreien Ausgangsumsätze erbracht werden, ist eine Option (und damit der Verzicht auf die Steuerbefreiung) nach § 9 Abs. 1, 2 UStG möglich. Sollten steuerfreie Ausgangsumsätze erbracht werden, ist keine Option möglich.
Damit ist es nicht irrelevant, welche Ausgangsumsätze ein Unternehmer erbringt, zumindest nicht bei der Option für Umsätze aus Vermietung und Verpachtung nach § 4 Nr. 12a UStG. Hier sind regelmäßig beide Absätze zu prüfen und sobald einer der Absätze nicht erfüllt ist, macht er mir die Option zunichte"
ich habe eine Verständnisfrage zu dem Thema.
Es heißt zunächst bei Altbauten nach § 27 Abs. 2 UStG darf NICHT auf Umsatzsteuer optiert werden.
Im Beispiel darunter (Herr Pots baut Haus) darf Herr Pots jedoch auch beim Arzt auf USt optieren, obwohl er einen Altbau nach § 27 Abs. 2 UStG hat.
Stehe ich da auf dem Schlauch? Das klingt für mich Widersprüchlich und ich freue mich, wenn mir da Licht ins Dunkel gebracht wird. Ich habe ein Misch-haus (MFH mit oben wohnen und unten Ladenlokale) aus dem Jahre 1969 und würde gerne nachträglich die USt-Option bei den Gewerben in Anspruch nehmen.
Darf ich das nun oder doch nicht?
Danke für die Hilfe
Beste Grüße Marianne
vielen Dank für Ihren Hinweis. Die Darstellung ist leider tatsächlich etwas widersprüchlich. Es ist korrekt, dass für die Altgebäude nach § 27 Abs. 2 UStG die Anwendung der USt-Option nach § 9 Abs. 2 UStG vollständig ausgeschlossen ist. Die Autorinnen haben das Beispiel in Kapitel 2 entsprechend angepasst und Hinweise eingefügt.
Beste Grüße
Ihre Haufe Online Redaktion Finance