Vorsteuerabzug im Einzelfall auch ohne Vorlage einer Rechnung
Der EuGH hat in einer Entscheidung (EuGH Urteil vom 21.11.2018 - C - 664/16 (Vădan)) zum Ausdruck gebracht, dass ein Unternehmer im Einzelfall Vorsteuer auch ohne die Vorlage einer Rechnung geltend machen kann. Die Tragweite dieses Urteils bleibt allerdings noch abzuwarten.
Praxis-Hinweis: In Deutschland gilt nur die ordnungsgemäße Rechnung als Beweis für die Vorsteuer
Die Entscheidung des EuGH wird in der Fachpresse durchaus unterschiedlich gewürdigt. Während einige Stimmen von einer bahnbrechenden Entscheidung sprechen, betonen andere den Ausnahmecharakter der Entscheidung. In der Tat ist es schwer abzuschätzen, in welche Richtung das Urteil geht:
- Einerseits betont der EuGH an verschiedenen Stellen, dass es einer Rechnung bedarf, damit Vorsteuer geltend gemacht werden kann;
- andererseits eröffnet er in der Entscheidung die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs ohne eine solche Rechnung und ermöglicht es, den Nachweis in einer anderen Art und Weise zu führen.
Sachverständigengutachten reichen allerdings nicht aus, weswegen der Kläger hier keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Nur weitere Entscheidungen des EuGH werden zeigen, ob es sich um einen Sonderfall handelt oder nicht. Steuerpflichtige sollten indes in keinem Fall darauf vertrauen, dass ihnen in Deutschland ohne die Vorlage einer Rechnung ein Vorsteuerabzug gewährt wird. Bis auf Weiteres ist auf eine ordnungsgemäße Rechnung zu achten. Das Urteil sollte aber gleichwohl in den Fällen herangezogen werden können, in denen mangels ordnungsgemäßer Rechnung die Geltendmachung der Vorsteuer durch das Finanzamt verweigert wird und eine Korrektur der Rechnung – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Betracht kommt.
In Rumänien bestand keine Pflicht, eine Rechnung zu erstellen
Kläger war ein rumänischer Staatsangehöriger, der in den Jahren 2006 bis 2008 ein Bauprojekt in Rumänien entwickelte und Immobilienumsätze erzielte. Hierbei überschritt er die rumänischen Grenzen für die Umsatzsteuerbefreiung. Das Finanzamt setzte gegen ihn sodann Umsatzsteuer fest, er begehrte im Gegenzug Vorsteuer aus Zahlungen an andere Unternehmer. Rechnungen konnte er indes nicht vorlegen, da – wie der Kläger vortrug – in den entsprechenden Jahren keine Verpflichtung zu Ausstellung von Rechnungen in Rumänien bestand. Er konnte nur Kassenzettel vorlegen, im Verlauf des Verfahrens brachte er 2 Sachverständigengutachten ein, aufgrund derer der Vorsteuerabzug bei einem Bauvorhaben dieser Größe geschätzt wurde. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug mangels Rechnung ab. Das angerufene rumänische Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Vorlage einer Orignalrechnung für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs zwingend sei.
Vorsteuerabzug ist zu gewähren, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind
Der EuGH betonte zunächst, dass für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach der maßgeblichen Richtlinie der EU formell eine ordnungsgemäße Rechnung Voraussetzung sei. Allerdings gelte darüber hinaus das Grundprinzip, dass der Vorsteuerabzug zu gewähren sei, wenn die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.
Deshalb ist der Vorsteuerabzug auch dann zu gewähren, wenn
- in einer Rechnung einzelne Angaben fehlen oder fehlerhaft sind und
- diese Angaben berichtigt werden.
Folge dieser Rechtsprechung ist, dass ein Vorsteuerabzug auch dann in Betracht kommt, wenn der Unternehmer keine Rechnung vorlegen kann, er aber die materiellen Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs in anderer Weise nachweisen kann. Dies kann etwa durch Unterlagen des leistenden Unternehmers erfolgen, nicht aber durch die Sachverständigengutachten. Aus diesen war nämlich nicht ersichtlich, dass der Kläger die Umsatzsteuer tatsächlich gezahlt hatte.
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