Erbbaurecht: Anlagevehikel für institutionelle Investoren

Erbbaurechte sind komplex. Investoren halten sich deshalb noch zurück auf diesem Gebiet. Doch gerade für Institutionelle bietet die Komplexität der Immobilienanlage eine interessante Investmentalternative, wie eine neue Studie zeigt. Kann das Erbbaurecht auch Bauland aktivieren?

"Die Volumina der auf Erbbaurecht spezialisierten Immobilienfonds in Großbritannien zeigen das Marktpotenzial auf, das deutsche Fonds bisher nur in geringem Maße genutzt haben", sagte Wolfgang Kessler, Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Institutional Property GmbH bei Vorstellung der Irebs-Studie, die von Union Investment unterstützt wurde. In Großbritannien hat das Erbbaurecht (Leasehold beziehungsweise Ground Lease) bereits hohe Akzeptanz.

Das Marktvolumen von Erbbaurechten hat aber auch in deutschen Großstädten aufgrund der Preissteigerungen des Baulands zugenommen, wie die Studie "Erbaurecht als Anlageform für institutionelle Investoren zeigt. Sie soll nun den Impuls setzen, sich in weiteren Untersuchungen intensiver mit dieser alternativen Anlageform zu beschäftigen. 

Erbbaurecht: Markt nur wenig erforscht

Im Niedrigzinsumfeld sind institutionelle Investoren dazu gezwungen, nach alternativen Anlagevehikeln zu suchen, die Renditen bringen und mit einem konservativen Risikoprofil vereinbar sind. Mikrowohnen, Parkhäuser oder Gesundheitsimmobilien haben Investoren schon länger auf der Einkaufsliste. Ein weiteres Nischenprodukt könnten Erbbaurechte sein, so die Studienautoren.

Lange Laufzeiten (bei wohnwirtschaftlicher Nutzung sind meist zwischen 60 und 99 Jahre, bei gewerblicher Nutzung zwischen 40 und 50 Jahre üblich) und der sichere Cashflow aus dem Erbbauzins macht das mit einem Erbbaurecht belastete Grundstück interessant für institutionelle Investoren. "Der Nutzen hängt jedoch insbesondere in Deutschland stark von der Vertragsgestaltung ab", so Kessler. Geprüft werden müssen etwa dingliche und schuldrechtliche Vereinbarungen, Vorkaufsrechte oder Berechnungsverfahren. Attraktiv seien unter anderem die finanziellen und zeitlichen Gestaltungsspielräume.

Gemäß einer Umfrage des Deutschen Erbbaurechtsverbandes (2017), auf die sich die Studie stützt, steigt die Nachfrage nach Erbbaurechten zwar, das Konzept des Erbbaurechts sei aber dem Großteil der Investoren nicht vollumfänglich bekannt. 93 Prozent der Befragten ist demnach der Auffassung, dass Volleigentum einfacher zu vermarkten ist. 74 Prozent der Umfrage-Teilnehmer geben an, dass sie das Erbbaurecht nutzen um einen langfristigen und möglichst sicheren Cashflow zu generieren.

Erbbauzins und Transaktionsvolumen: Daten transparent machen

Erforderlich sei mehr Transparenz, um den Markt attraktiver für Investoren zu gestalten, heißt es in der Studie. Das fängt bei der Datenerhebung an. Das Marktvolumen in Deutschland ist unbekannt, verlässliche Schätzungen oder repräsentative Informationen zum Erbbaurecht sind nicht vorhanden, heißt es in der Studie.

"Daten bezüglich Erbbauzins oder dem Volumen der Transaktionen mit Erbbaurecht sind vereinzelt in den Kommunen vorhanden, werden allerdings nicht verarbeitet und veröffentlicht." Prof. Dr. Steffen Sebastian, Irebs International Real Estate Business School an der Universität Regensburg

Für Investoren interessant ist die Frage nach dem Erbbauzins, da dieser maßgebend für die Rendite und somit auch die Höhe eines möglichst sicheren und langfristigen Cashflows ist. Laut einer Umfrage von Licher aus dem Jahr 2009 lag der Erbbauzins zwischen 3,6 und 4 Prozent für Wohnnutzungen und zwischen 5,1 und 5,4 Prozent für gewerbliche Nutzungen. Eine Studie von Deloitte von 2016 konstatierte 2,5 bis 3,5 Prozent (Wohnen) und 4 Prozent (Gewerbe). Die Befragung des deutschen Erbbaurechtsverbandes (2018) weist für Wohnimmobilien einen durchschnittlichen Erbbauzins von 3,1 Prozent und für Gewerbeimmobilien von 4,3 Prozent auf. Bei einer Verlängerung oder Neuausgabe des Erbbaurechts erfolgt laut Verband die Anpassung zu einem höheren Zins: Vier Prozent für wohnwirtschaftlich genutzte Grundstücke und zwischen sechs und sieben Prozent für Gewerbeflächen.

Investitionsformen: Direktinvestment, Fondsstruktur oder Anleihe

Es gibt drei Investitionsformen für Institutionelle: Der Investor hält individuelle Kapitalanlagen, die mit dem Erbbaurecht belastet sind, direkt in der Bilanz (Direktinvestment), der Anleger investiert in eine Fondsstruktur, um den Zugang zu einem Portfolio bestehend aus Anlagen im Bereich Erbbaurecht zu erhalten, oder der Investor kauft einer Anleihe oder Schuldverschreibung, die mit dem langfristigen Cashflow des Erbbauzinses besichert ist.

In Deutschland ist das Produkt Erbbaurecht in der Fondsindustrie derzeit nicht etabliert. Der "Erbbauzins Deutschland Core Fonds" der Arvbo Erbbau AG aus Hamburg war der Studie zufolge der einzige Fonds in Deutschland, der sich auf Erbbaurechte fokussiert hatte. Der Fonds soll derzeit nicht mehr im Vertrieb sein. In Großbritannien existieren eine Reihe von Immobilien-Spezialfonds mit dem Fokus Erbbaurecht. Einer der größten Fonds ist gemäß eigener Angabe der "Long Harbour Ground Rent Fund" mit Assets under Management in Höhe von 1,4 Milliarden Pfund. Der Fokus des Fonds liegt im wohnwirtschaftlichen Bereich. Der Fonds hat seit dem Jahr 2010 mehr als 160.000 Wohneinheiten, die mit einer Ground Rent belastet sind, erworben.

RICS: Nutzung von Erbbaurechten zur Baulandaktivierung

Der Berufsverband RICS Deutschland hat ein Positionspapier zum Thema "Erbbaurecht stärken, Bauland aktivieren" herausgegeben. Der Verband macht sich ebenfalls stark für eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Erbbaurecht, um die Akzeptanz bei potenziellen Erbbaurechtsgebern und bei den Investoren zu erhöhen.

"Wir wollen Regierungen und Politiker im Bund, in den Ländern und Kommunen dabei unterstützen, weitere Lösungen bei der Baulandaktivierung und insbesondere bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums zu diskutieren." Martin Eberhardt, Vorstandschef der RICS Deutschland

Laut Sabine Georgi, Leiterin des Bereichs Business Development & Politikberatung bei der RICS Deutschland, bietet sich mit dem Erbbaurecht ein Instrument an, um sowohl dem Grundstückseigentümer eine auskömmliche Rendite als auch dem Erbbaurechtsnehmer die Errichtung eines Gebäudes zu ermöglichen.

RICS Deutschland sind bisher nur fünf Prozent der für das Wohnen genutzten Flächen in Deutschland auf Erbbaurechten entstanden. In einigen anderen europäischen Staaten nutze man das Erbbaurecht wesentlich intensiver, wie eine Umfrage unter RICS-Landesverbänden in Europa ergeben hätte. Nicht nur in Großbritannien, auch in den Niederlanden, insbesondere in Ballungszentren wie Amsterdam, sei es eher die Regel als die Ausnahme, dass Gebäude im Rahmen des Erbbaurechts gebaut oder weiterverkauft würden. 

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Eine Standardisierung ist notwendig.

Erbpacht: Kritik von privaten Investoren und Wohnungsunternehmen

Die Hamburger CDU sieht Erbpacht-Immobilien eher kritisch und hat vom rot-grünen Senat eine Abkehr von den Erbpacht-Plänen gefordert.

"Warum sollte jemand sein hart verdientes Geld investieren, wenn ihm nach Ablauf der Erbpacht de facto eine Enteignung droht?" CDU-Stadtentwicklungsexperte Jörg Hamann

Rot-Grün riskiere eine Abwanderung der Investitionen. Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), sieht das ähnlich: "Erbbaurecht schafft kein Eigentum und damit keine langfristige Sicherheit für Investoren".

Für Wohnungsbauprojekte setzen die VNW-Mitgliedsunternehmen Breitner zufolge rund 20 Prozent Eigenkapital ein und finanzieren die restlichen 80 Prozent über Kredite. Auf gepachteten Grundstücken erhöhe sich aufgrund der Kreditvorgaben der Finanzwirtschaft der Eigenkapitalanteil auf rund das Doppelte. 

Der Studie von Irebs und Union Investment zufolge übersteigt bei Erbbau-Immobilien wegen der Komplexität der Aufwand häufig den Nutzen für Privatpersonen. Wegen des Potenzials zu höherem Know-how und finanziellen Spielräumen sind institutionelle Investoren der prädestinierte Anlegerkreis.


Schlagworte zum Thema:  Erbbaurecht, Investment, Rendite, Immobilien