Energieausweis wird nur in jedem achten Mietspiegel beachtet
In 143 der 200 einwohnerstärksten Städte in Deutschland werden Mietspiegel erstellt. In den übrigen 57 Städten existiert kein Mietspiegel oder der Mietspiegel ist zum Stichtag 1.1.2022 abgelaufen, obwohl in 17 von diesen Städten die Mietpreisbremse gilt. Das ist ein Fazit aus dem aktuellen Mietspiegelreport der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif).
Seit der Einführung der Mietpreisbremse im Juni 2015 ist die in den Mietspiegeln angegebene ortsübliche Vergleichsmiete für Mieterhöhungen und Neuvermietung die zentrale Referenz.
Erstmals wurde im gif-Mietspiegelreport die Berücksichtigung energetischer Wohnwertmerkmale analysiert. Die hauptsächlich ausgewiesenen Wohnwertmerkmale beschränken sich demnach auf die Art des Wärmeerzeugers, die Dämmung und die Verglasung einer Wohnung. Der Energieausweis findet hingegen nur in etwa jedem achten Mietspiegel Verwendung. Der Report erfasst die Art des Mietspiegels (einfacher oder qualifizierter Mietspiegel) und dessen Berechnungsmethode
(Regressionsanalyse oder Tabellenmethode).
Neu im gif-Mietspiegelreport 2022 sind folgende Auswertungen:
- Analyse des Umgangs mit Residuen in Regressionsmietspiegeln
- Analyse der Berücksichtigung energetischer Wohnwertmerkmale
- Analyse des Umfangs der Wohnlagenermittlung qualifizierter Mietspiegel
- Untersuchung der Nachvollziehbarkeit der Datenerhebung einfacher Mietspiegel
Kein Mietspiegel: Mietpreisbremse de facto unwirksam
Die von der gif untersuchten Mietspiegel sind in Sachen Erhebung, Auswertung und bezüglich der Dokumentation weiterhin sehr heterogen. Lediglich 83 (42 Prozent) der 200 Städte erstellen einen qualifizierten Mietspiegel – der wiederum bietet den Experten zufolge den besten Mieterschutz. 60 Städte (30 Prozent) erstellen nur einen einfachen Mietspiegel, darunter neun Städte mit einem angespannten Wohnungsmarkt und geltender Mietpreisbremse. 23 Mietspiegel (zwölf Prozent) sind zum Stichtag 1.1.2022 abgelaufen. Davon betroffen sind zwei Städte mit Mietpreisbremse.
Insgesamt 57 Städte (36 Prozent) sind weiterhin ohne Mietspiegel. Darunter sind 17 Städte, in denen die Mietpreisbremse gilt oder gelten soll. "Ohne Mietspiegel ist die Mietpreisbremse aber de facto unwirksam und wahrscheinlich auch rechtlich ungültig", heißt es in der Studie. Ein Großteil der qualifizierten Mietspiegel (55 Prozent) wurde von den Kommunen sowie von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt.
Rund die Hälfte der Mietspiegel werden extern erstellt
Der Trend geht der gif zufolge zur Berechnung qualifizierter Mietspiegel mit Regressionsanalysen. Aktuell werden demnach 56 Mietspiegel in Deutschland als Regressionsmietspiegel erstellt. Im Vorjahr waren es 50. Knapp ein Viertel (23 Prozent) der Mietspiegel werden von den Städten selbst und ein Viertel (25 Prozent) von lokalen Arbeitskreisen erstellt. 52 Prozent entfallen auf externe Anbieter.
Die Anzahl der externen Mietspiegel-Ersteller ist im Vergleich zum gif-Mietspiegelreport 2021 deutlich gesunken. In der aktuellen Untersuchung wurden elf externe Anbieter identifiziert, im Vorjahr waren es 15. Davon erstellen sechs Unternehmen jeweils acht oder mehr Mietspiegel. 114 Städte (80 Prozent) bieten den Mietspiegel gebührenfrei an. Unabhängig von den Gebühren ist in 124 Städten (87 Prozent) der Mietspiegel als digitales Dokument per Download verfügbar. Dagegen sind Online-Mietpreisrechner nur für 41Prozent, also 59 der Mietspiegel verfügbar.
gif-Mietspiegelreport: Wesentliche Änderungen im Überblick
Im Zusammenhang mit der Verlängerung des Bezugszeitraums von vier auf sechs Jahre wurden Mietspiegel nach Zeitablauf im Kontext des vorigen gif-Mietspiegelreports erstmals ungültig. Die Anzahl der untersuchten Mietspiegel sank daher zunächst, hat sich jedoch zum Stichtag 1.1.2022 wieder auf 143 Mietspiegel erhöht. Seit der Erstauflage des Reports ist das die höchste Zahl untersuchter Mietspiegel. Im Betrachtungszeitraum zum Stichtag ohne Mietspiegel und damit wahrscheinlich auch ohne anwendbare Mietpreisbremse waren unter anderem Bremen (Stadt) und Erfurt. Auch die Gültigkeit des Mietspiegels Berlin ist weiter strittig.
Der Anteil qualifizierter Mietspiegel steigt erneut deutlich von 38 Prozent im Report 2021 auf 42 Prozent im Report 2022 – beziehungsweise von 76 auf 83. Sechs qualifizierte Mietspiegel werden durch Zeitablauf ungültig. Auch der Anteil einfacher Mietspiegel steigt: Von 26 Prozent auf nun 30 Prozent – beziehungsweise von 52 auf 60. Von den einfachen Mietspiegeln werden durch Zeitablauf 17 ungültig, da sie noch auf einem Vier-Jahreszeitraum beruhen.
Der Trend zur Regressionsmethode setzt sich weiter fort. Die Anzahl der Regressionsmietspiegel ist von 49 auf 56 in der aktuellen Auswertung gestiegen. Die Berücksichtigung energetischer Wohnwertmerkmale im Mietspiegel wird in diesem Jahr erstmalig untersucht. Es zeigt sich, dass der Energieausweis bislang kaum für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen wird, während die Beschaffenheit von Bauteilen wie Dämmung und Verglasung regelmäßig vor allem in qualifizierten Mietspiegel berücksichtigt wird.
Folgende Mietspiegel sind seit 2022 erstmalig qualifiziert:
- Unna (Regressionsmietspiegel)
- Göppingen (Regressionsmietspiegel)
Mietspiegelreformgesetz und Mietspiegelverordnung
Das Mietspiegelreformgesetz und die Mietspiegelverordnung sind am 1.7.2022 in Kraft getreten. Die Auswirkungen zeigen sich noch nicht im aktuellen Mietspiegelreport (Stand 1.1.2022). Darauf weist Prof. Dr. Steffen Sebastian, Vorsitzender der gif-Mietspiegelkommission und Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg hin. Derzeit und zum Stichtag des kommenden gif-Mietspiegelreports (1.1.2023) – vor allem aufgrund der dann vollständig umgesetzten Mietspiegelreform – befinden sich in mehreren Städten weitere Mietspiegel in Anwendung oder Vorbereitung, teilen die Wissenschaftler mit.
gif-Mietspiegelreport 2022 (kostenloser Download)
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