Vorsteuerabzug: BFH schafft Klarheit bei Misch-Immobilien
Die Bewirtschaftung von Immobilien von der Herstellung oder Anschaffung bis zur laufenden Unterhaltung ist äußerst kapitalintensiv. Investoren versuchen deshalb aus verständlichen Gründen, das Finanzamt als Kapitalgeber mit ins Boot zu holen. Das gelingt am besten über eine möglichst optimale Ausgestaltung des Rechts auf Vorsteuerabzug, bei dem das Finanzamt die auf allen Eingangsleistungen lastende Mehrwertsteuer zeitnah zurückerstattet.
Das Recht auf Vorsteuerabzug wird maßgeblich davon bestimmt, wie die Immobilie genutzt wird. Soweit der Mieter das Gebäude für die Erbringung steuerpflichtiger Umsätze einsetzt, kann der Vermieter auf die Steuerbefreiung der Vermietungstätigkeit verzichten (Optionsrecht) und so den Umfang des Abzugs von Vorsteuern auf Eingangsleistungen optimieren. Wird die Immobilie anderweitig genutzt, besteht diese Optionsmöglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht nicht und der Vorsteuerabzug bleibt versagt.
Jahrelanger Streit um den richtigen Schlüssel
Seit mehr als zehn Jahren beschäftigen sich die Finanzgerichte in zahlreichen Verfahren und Entscheidungen mit der Frage, auf welche Art und Weise die Höhe des Vorsteuerabzuges bei gemischt genutzten Grundstücken zu ermitteln ist. Im Kern geht es um die Frage, ob die Bundesrepublik abweichend von geltendem EU-Recht einen Sonderweg bei der Ermittlung abzugsfähiger Vorsteuern beschreiten durfte.
Das Mehrwertsteuersystem der Europäischen Union basiert im Wesentlichen auf der sechsten EG-Richtlinie. In Artikel 19 Absatz 1 dieser Norm ist für die Frage des Vorsteuerabzugs gemischt genutzter Immobilien für alle Mitgliedstaaten der EU der Umsatzschlüssel als Aufteilungsmaßstab vorgesehen. Davon abweichend hatte die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung zum 1. Januar 2004 den § 15 Absatz 4 Umsatzsteuergesetz so gefasst, dass eine Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel nur noch dann erfolgen darf, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
Da bei Gebäuden eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel stets eine wirtschaftliche Zurechnung ermöglicht, hatte man mit dieser Regelung die Anwendung des Umsatzschlüssels praktisch ausgeschlossen. So dachte man jedenfalls im Bundesfinanzministerium. Viele Jahre und ein gutes Dutzend Urteile später gilt diese restriktive Marschroute für deutsche Investoren nicht mehr uneingeschränkt.
Bundesfinanzhof hat die neuen Spielregeln präzisiert
Deutschland kann nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 9. Juni 2016 (Rs. C-332/14) zwar grundsätzlich die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken nach dem Flächenverhältnis vorschreiben. Voraussetzung ist jedoch, dass das Flächenverhältnis eine präzisere Bestimmung des richtigen Vorsteuerabzuges gewährleistet als die Umsatzmethode. In seinem Anschlussurteil vom 10. August 2016 (Az. XI R 31/09) übernimmt der Bundesfinanzhof (BFH) die vom EuGH aufgestellten Rechtsgrundsätze und präzisiert die neuen Spielregeln.
Zunächst muss unterschieden werden zwischen Eingangsleistungen zur Anschaffung und Herstellung eines Gebäudes und den nachfolgend angefallenen Aufwendungen für den laufenden Betrieb der Immobilie. Die laufenden Unterhaltungs- und Betriebskosten lassen sich nach Meinung der BFH-Richter „verhältnismäßig einfach“ den unterschiedlich genutzten Gebäudeteilen zuordnen und dürfen insoweit nicht in eine Vorsteueraufteilung einbezogen werden.
Hier gilt also vorrangig das Prinzip der direkten Zuordnung zu den steuerpflichtig und steuerfrei vermieteten Grundstücksteilen. Nur für die Eingangsleistungen aus den laufenden Kosten, die nicht direkt zuzuordnen sind, wie zum Beispiel Wartungsarbeiten am Aufzug, Treppenhausreinigung, Dachreparaturen oder Wartungsarbeiten an Heizungs- und Klimatechnik, ist eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen.
Bei den Eingangsleistungen für die Errichtung oder den Kauf eines Grundstücks gehen die Steuerjuristen des BFH einen anderen Weg. Hier sehen sie den Flächenschlüssel zur Aufteilung der angefallenen Vorsteuern dann als sachgerechte Schätzungsgrundlage an, sofern sich die Herstellungskosten gleichmäßig auf alle Mieteinheiten verteilen.
Fehlt es allerdings an dieser von den Richtern unterstellten Vergleichbarkeit, büßt der Flächenschlüssel diese Sachgerechtigkeit wieder ein. An einer Vergleichbarkeit mangelt es zum Beispiel, wenn es erhebliche Ausstattungsunterschiede (etwa bei der Höhe der Räume, Dicke der Wände oder Decken oder der Innenausstattung) gebe oder wenn es auch andere Nutzflächenarten (vermietete Wand-, Fassaden- und/oder Dachflächen – zum Beispiel für eine Photovoltaikanlage oder einen Mobilfunkmast) gebe oder wenn eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel aus sonstigen Gründen nicht präzise genug sei.
Back to the Roots – Für viele Investoren
Die aktuellen Urteile treffen zwar keine klare Aussage darüber, welche Ausstattungsunterschiede die Richter als erheblich gelten lassen würden. Dennoch eröffnet die Argumentation der Richter cleveren Beratern mit Gestaltungsphantasie genügend Spielraum, um doch wieder zur Anwendung des von der Finanzverwaltung so ungeliebten Umsatzschlüssels zu kommen und so einen höheren Vorsteuerabzug zu generieren.
Man könnte zum Beispiel argumentieren, dass sich die Baukosten unter anderem aufgrund höherer Baugeschosshöhen, des Einbaus einer Fußbodenheizung und deckenhoher Ganzglastürelemente für eine Einzelhandelsfläche nicht gleichmäßig auf das Gebäude verteilen. Denkbar wäre auch eine unterschiedliche Kostenzuordnung, weil die Ausstattung steuerpflichtig vermieteter Gewerbe- und Büroflächen mit spezieller Klimatisierungs-, Brandschutz- und Lüftungstechnik oder einer speziellen Beleuchtung oder Verkabelung für Computersysteme aufwändiger ausgefallen ist als die vergleichbar schlichte Ausstattung steuerfrei vermieteter Wohnräume in dem Objekt.
Tatsächlich dürften in der Praxis derartige Ausstattungsunterschiede häufig und in erheblichem Ausmaß vorzufinden sein und somit in sehr vielen Fällen zu einer Anwendung des objektbezogenen Umsatzschlüssels führen. Die Urteile stellen damit für viele Investoren die alte Rechtslage wieder her, wie sie vor der vom deutschen Gesetzgeber initiierten Gesetzesänderung zum 1. Januar 2004 gegolten hat.
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