EZB-Zinssenkung: Schon im Oktober und mit Immobilienboom?
Die erste Inflationsrate von weniger als zwei Prozent seit drei Jahren, die bislang niedrigsten Bauzinsen im Jahr 2024 und vermutlich die nächste Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) bereits im Oktober statt wie zunächst angenommen erst im Dezember – Expertenprognosen zeigen, ob und wie sich die nächste Entscheidung der Notenbank auf die deutschen Immobilienmärkte und auf die Kaufpreise auswirken wird.
Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Finanzdienstleisters Dr. Klein, kommentiert die Entwicklungen und erklärt, warum sich ein Immobilienkauf gerade jetzt lohne.
Warum sich der Immobilienkauf lohnt
"Mit unter drei Prozent erreichten die Baufinanzierungszinsen in den vergangenen Wochen kurzfristig einen neuen Jahrestiefstwert", so Neumann. Ursache hierfür sei der vergleichsweise große Zinsschritt der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) von 50 Basispunkten im September 2024 und eine veränderte Erwartungshaltung an die EZB.
"Bis vor Kurzem rechnete der Markt mit nur einer weiteren Senkung des Leitzinses bis zum Jahresende. Nun sieht es so aus, als würden die Schritte etwas schneller aufeinanderfolgen. Das hat bei den Bauzinsen für einen kleinen Impuls nach unten gesorgt", sagte der Experte. Beim Kreditvermittler liegt der repräsentative Bestzins zurzeit bei 3,05 Prozent für eine zehnjährige Baufinanzierung (Stand: 14.10.2024).
Das Zinsniveau bewegt sich mit geringen Ausschlägen seitwärts und die Immobilienpreise haben sich stabilisiert – das macht dem Zinsexperten zufolge den Immobilienkauf wieder kalkulierbarer. Auf dem Baufinanzierungsmarkt müssten "sämtliche Glocken läuten", da sich aufgrund der Rahmenbedingungen gerade jetzt ein Immobilienkauf lohne, so der Dr. Klein-Vorstandschef, der mittelfristig eine Seitwärtsbewegung mit sehr geringer Schwankungsbreite prognostiziert.
Bauzinsen: Wie geht es weiter?
"Wir gehen davon aus, dass die Zinsen sich auch weiterhin um das derzeitige Niveau bewegen und die Immobilienpreise weiter steigen werden", sagt Mirjam Mohr, Vertriebsvorständin der Interhyp Gruppe. Wer sich für einen Kauf interessiere, sollte jetzt tätig werden und nicht mehr zu lange warten. So sieht es auch die Hälfte der von Interhyp befragten Experten. Sie gehen davon aus, dass sich die Zinsen langfristig zwischen drei und 3,5 Prozent bewegen werden.
"Der Rückgang der Leizinsen sollte jedoch bereits im Markt berücksichtigt sein und somit ist mit keinen Auswirkungen auf die langfristigen Bauzinsen zu rechnen. Die Zinsen für Immobilienfinanzierungen werden sich weiterhin mit kleineren Schwankungen seitwärts bewegen", heißt es aus dem Banken-Panel.
Die andere Hälfte des Panels hält steigende Zinsen und ein Niveau zwischen 3,5 und vier Prozent bis Ende 2024 für möglich. "Der Konjunktur- und Inflationsausblick spricht für einen begrenzten Spielraum für weitere Leitzinssenkungen der EZB", sagt ein Experte. "Bei den langfristigen Zinssätzen erwarten wir hingegen keine nachhaltige Fortsetzung der deutlichen Abwärtsbewegung über den Sommer. Vielmehr rechnen wir mit einer leichten Gegenbewegung, wenn die Inflation über den Winter wieder steigt."
EZB-Ratsmitglied plädiert für Zinssenkung im Dezember
Das Ratsmitglied der EZB, Peter Kazimir, hat sich im September für eine weitere Zinssenkung erst zum Jahresende 2024 ausgesprochen. Vor dem nächsten Zinsschritt "werden wir wohl mit ziemlicher Sicherheit bis Dezember warten müssen", sagte der Präsident der slowakischen Notenbank in einer Stellungnahme, die auf der Internetseite der Zentralbank veröffentlicht wurde. Erst dann sei ein klareres Bild über die weitere konjunkturelle Entwicklung verfügbar.
"Die Entscheidung der vergangenen Woche bedeutet keinesfalls, dass wir bei jedem Treffen die Zinsen senken werden", so Kazimir. Nachdem die Inflation im Währungsraum 2022 ein Rekordhoch bei mehr als zehn Prozent erreicht hatte, ging es mit der Teuerung zunächst stark nach unten. Die Inflationsrate näherte sich dem anvisierten Ziel, Kazimir machte aber deutlich, dass die Inflation nach wie vor "hartnäckig" sei.
Bundesbank: Offen für EZB-Leitzinssenkung
Andere Ratsmitglieder haben Signale gesendet, dass die EZB die Leitzinsen im Oktober um weitere 0,25 Prozentpunkte reduzieren wird. Auch Volkswirte sind sich überwiegend einig. Die nächste Sitzung am 18.10.2024 findet nicht wie üblich in Frankfurt am Main statt, sondern in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana.
Eine Zinssenkung wäre die dritte in diesem Jahr. Zuletzt hatte die Notenbank Anfang September den für die Finanzmärkte wichtigen Einlagensatz um 0,25 Punkte auf 3,50 Prozent gesenkt. Unmittelbar nach der Sitzung sah es noch so aus, als könnte im Oktober wieder eine Zinspause folgen. Die in der Folge veröffentlichen Inflations- und Konjunkturdaten ließen jedoch die Erwartungen für eine erneute Zinssenkung steigen.
Die zuletzt deutlich gefallenen konjunkturellen Frühindikatoren haben die Erwartung verstärkt, dass die Inflation nachhaltig den Zielwert von mittelfristig zwei Prozent erreichen wird. EZB-Präsidentin Christine Lagarde zeigte sich zuversichtlich. "Wir werden dies bei unserer nächsten geldpolitischen Sitzung im Oktober berücksichtigen", sagte sie bei einer Anhörung im Europäischen Parlament.
Auch Notenbankvertreter, die eher zu den sogenannten Falken gezählt werden, die sich für eine strengere Geldpolitik aussprechen, wie Bundesbankpräsident Joachim Nagel, zeigten sich offen für eine Leitzinssenkung. Edgar Walk, Chefvolkswirt bei Metzler Asset Management, sieht sogar Gründe für eine große Zinssenkung um 0,50 Punkte. Er verwies auf die "spürbar verschlechterten" wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die nachlassende Inflationsdynamik. "Mit einer solchen Entscheidung würde die EZB der US-Notenbank Fed folgen, die im September ebenfalls einen größeren Zinsschritt vorgenommen hatte", schreibt Walk.
Studie: EZB-Geldpolitik trägt Mitschuld an Inflation
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mit Sitz in Berlin hat die geldpolitische Strategie der EZB während des Inflationsanstiegs untersucht und analysiert, wie Zentralbank hätte reagieren sollen. Ein Ergebnis: Die verlängerte expansive Politik habe zum Anstieg der Inflation im Euroraum beigetragen.
Die EZB haben mit ihrem zögerlichen Handeln den Preisantrieb befeuert, mit einem strikteren Kurs hätte die EZB die zweistelligen Inflationszahlen verhindern können, heißt es in der Studie. Die Berechnungen zeigten, dass in der jüngsten Inflationswelle der Preisanstieg mit einer frühzeitigen Zinsanhebung schneller gebremst worden wäre und sich die Wirtschaft schon im Jahr 2023 davon erholt hätte.
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