Sechs Thesen zur EU-Wertpapierprospektverordnung
Der Deutsche Bundestag hatte die Änderungen des Wertpapierprospektgesetzes zur Umsetzung der EU-Wertpapierprospektverordnung am 28.6.2018 beschlossen. Damit übernimmt Deutschland die Regelung des Prospektrechts der Europäischen Union (EU). Dann wird es auch hierzulande möglich sein, Emissionen bis zu einem Volumen von acht Millionen Euro von der Prospektpflicht auszunehmen.
Dies stellt für die deutschen Crowdinvesting-Startups eine richtungsweisende Entscheidung dar, sagen Zinsland-Geschäftsführer Carl von Stechow, der außerdem Leiter des Arbeitskreises Real Estate Crowdfunding des Bundesverbands Crowdfunding ist, und Dr. Detmar Loff, nicht nur Partner, sondern auch Leiter der Aufsichtspraxis der Kanzlei Ashurst. Sie begrüßen die Umsetzung der Prospekt-Verordnung.
These 1: KMU profitieren
Die EU-Wertpapierprospektverordnung hilft insbesondere kleineren und mittleren Immobilienunternehmen (KMU) bei der Kapitalbeschaffung – und folglich bei der Realisierung von dringend benötigtem Wohnraum. In Zeiten der lockeren Geldpolitik sollte man meinen, dass Kapitalbeschaffung für jedes gut aufgestellte Unternehmen möglich sei. Aber es sind eben auch die Zeiten von Basel III und bald Basel IV, die es regulierungsbedingt mittelständischen Firmen erschweren, Fremdkapital von Banken aufzunehmen.
Da vielen KMU trotz guter Unternehmenszahlen die Kapitalmarktfähigkeit nicht zuerkannt wird, werden sie unter anderem durch höhere Zinsen bei der Kapitalbeschaffung bestraft – einschließlich Mezzanine-Finanzierungen. Die Crowdinvesting-Plattformen wiederum agieren überregional und ermöglichen auch mittelständischen Unternehmen deutschlandweit einen neuen Zugang zu Kapital für ihre Projekte.
These 2: Wettbewerb und Win-Win-Situation
Die Umsetzung der EU-Wertpapierprospektverordnung schafft Wettbewerbsgleichheit innerhalb der europäischen Grenzen und eine Win-Win-Situation unter Investoren und Unternehmen. In Zusammenarbeit mit immer internationaler aufgestellten Crowdinvesting-Plattformen (künftig unter Nutzung der Verordnung für Crowdfunding Service Partner) können hier bislang nicht gehobene Potenziale aufgedeckt werden. Das ist eine Win-Win-Situation: Ein größerer Investorenkreis für kapitalsuchende Unternehmen einerseits und erweiterte Anlagemöglichkeiten für einen größeren Kreis an Investoren andererseits.
Die nun anwendbare Wertpapierprospektverordnung ist ein wichtiger Schritt zur Harmonisierung der europäischen Rechtslage und ermöglicht Chancengleichheit auch für deutsche Marktteilnehmer, nachdem viele Länder bereits Emissionen bis zu einem Volumen von acht Millionen Euro erlaubt hatten.
These 3: Sicherheit und Transparenz
Die Nichtanwendung der Prospektpflicht hat keinen negativen Einfluss auf die Sicherheit und die Transparenz. Über das Wertpapier-Informationsblatt wird bereits Transparenz hergestellt. In der Praxis genutzte moderne Medien und Tools ermöglichen mit einer Mischung aus Texten, Fotos und Grafiken sowie Bewegtbild zusätzlich, dass die Risikoabschätzung für den Anleger transparent dargestellt wird und dieser auf den Punkt informiert ist – auch oder gerade, weil auf einen sehr umfangreichen, oftmals unübersichtlichen Prospekt mit teilweise mehr als 100 Seiten verzichtet wird. Ein solcher Prospekt wird von den Anlegern oftmals nicht oder nicht vollständig gelesen.
Zusätzlich ist die Interaktion mit den Anlegern der offensichtliche Vorteil einer interaktiven Plattform, auf der sich Anleger austauschen und informieren können. Gleichzeitig führt die Transparenz der Plattform dazu, dass alle Marktteilnehmer die Projekte und Produkte einsehen können und keine Informationsasymmetrien entstehen.
These 4: Marktanforderungen in der Praxis
Die Wertpapierprospektverordnung setzt die Marktanforderungen in die Praxis um. Will man im harten Wettbewerb bestehen können, müssen Projektentwickler sehr schnell – zum Beispiel über den Kauf eines Grundstücks – entscheiden und eine Finanzierung bereitstellen können. Die Erstellung eines Prospekts ist jedoch nicht nur kostenintensiv, sie ist vor allem komplex und langwierig. Das passt weder in das Geschäftsmodell der kapitalsuchenden Unternehmen noch in das eines digitalen Immobilienfinanzierers, wo Marktveränderungen kurzfristig stattfinden und deshalb Effizienz sowie einfache und kostengünstige Kapitalbeschaffung zählen.
Dies gilt auch bei Projektgrößen jenseits von zweieinhalb Millionen Euro, die bislang oftmals nach dem Vermögensanlagengesetz realisiert wurden. Die nun umgesetzte Regelungsoption bedeutet eine enorme Erleichterung der alltäglichen Geschäftsprozesse und ermöglicht hohe Einsparpotenziale, von denen Anleger, Projektentwickler und Crowdinvesting-Plattformen gleichermaßen profitieren.
Letztere müssen allerdings beachten, dass die Vermittlung der "prospektfreien Wertpapiere" nur mit einer Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz möglich ist – hierüber verfügen noch nicht alle Plattformen. Besonders die Vermittlung innerhalb eines engen regulatorischen Rahmens durch KWG und WpHG sorgt für einen höheren Qualitätsstandard.
These 5: Schritt zur digitalisierten Immobilienfinanzierung
Die Verordnung ist nur ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Digitalisierung der Immobilienfinanzierung. Mancher Kritiker fragt sich, warum eine seit einem Jahrzehnt boomende Wirtschaft dieses Gesetz überhaupt benötigt. Ganz einfach: Die Verordnung kommt, weil die Nachfrage besteht.
Bequeme Online-Investments und alternative Anlageformen sind in Zeiten der Digitalisierung sehr gefragt. Sie versetzt private Investoren in die Lage, ihr Vermögen selbstbestimmt anzulegen, wobei sich kapitalintensivere Projekte immer größerer Beliebtheit erfreuen. In Zukunft werden diese und noch viel mehr Anlageformen online abgewickelt. Das ist der Fluss der Zeit – der Beschluss folgt nur der aktuellen Entwicklung.
These 6: Anlegerschutz bleibt gewahrt
Der Schutz der Anleger (so genannter nicht-qualifizierter Anleger, Privatkunden) bleibt auch bei einem prospektfreien Angebot gewahrt. Zum einen gibt das erforderliche Wertpapier-Informationsblatt eine gute Übersicht über das Produkt, seine Kosten und Risiken, zum anderen wendet der deutsche Gesetzgeber bei prospektfreien Wertpapierangeboten ab einer Millionen Euro bestimmte Einzelanlageschwellen an.
Diese sind dem Vermögenanlagengesetz nachgebildet und enden grundsätzlich bei 10.000 Euro. Da dieser Schwellenwert nach wie vor sehr gering ist, stellt sich für die Crowdfunding-Szene die Herausforderung den potentiellen Anlegerkreis zu erweitern, da ein Gesamtvolumen von acht Millionen Euro deutlich schwieriger zu erzielen sein wird als die aktuelle Grenze von zweieinhalb Millionen Euro.
Zugleich können Wertpapiere nicht durch die § 34-GewO-Vermittler vertrieben werden, so dass die Crowdinvesting-Plattformen aufgrund der erforderlichen höheren Regulierung hierüber auch zum Anlegerschutz beitragen. Das WpPG kann auch zu einem Erstarken der Haftungsdächer (wegen der Erlaubnisfrage) und einem erhöhten Interesse bereits bestehender Wertpapierdienstleister (an dem Produkt) führen.
Über die Autoren
Carl-Friedrich von Stechow ist Gründer und Geschäftsführer von Zinsland. Seit 2006 ist er in der Immobilienbranche tätig und beschäftigt sich vor allem mit der Konzeption von Fonds und Anlageprodukten. Er verfügt über Expertise in der Finanzierung von Immobilien, insbesondere von Immobilien-Projektentwicklungen. Seit 2014 ist er Member of the Royal Institution of Chartered Surveyors. Seit 2016 ist er Leiter des Arbeitskreises Real Estate Crowdfunding des Bundesverbands Crowdfunding.
Dr. Detmar Loff ist auf aufsichtsrechtliche Regulierungsmaßnahmen mit Fokus auf das Investmentrecht (Lizenzanforderungen, Struktur, Risikomanagement), das Wertpapierhandelsgesetz, grenzüberschreitende Sachverhalte und andere regulatorische Aspekte (Erlaubniserteilung, Datenschutz, Geldwäsche) spezialisiert. Er begleitet neben internationalen Investment- und Privatkundenbanken auch verstärkt die Digitalisierung von Finanzprodukten und FinTechs. Loff berät Fondsmanager und -initiatoren, insbesondere von Debt Funds, Immobilien- und Infrastrukturfonds sowie Crowdfunding-Plattformen und ICO-Anbieter in Deutschland. Versicherungsunternehmen und Versorgungswerke vertritt er im Zusammenhang mit der Eignung bestimmter Investments und berät zudem bei Bankentransaktionen mit M&A-Bezug.
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