Ein einfacher Mietspiegel kann auch nach Einführung des qualifizierten Mietspiegels durch die Mietrechtsreform alleinige Grundlage für eine Mieterhöhung sein. Das hat der BGH klargestellt.

Hintergrund

Der Vermieter einer Wohnung in Backnang (Baden-Württemberg) verlangt von einem Mieter, einer Mieterhöhung um 77 Euro monatlich zuzustimmen. Der Berechnung der Mieterhöhung hat er den (einfachen) Mietspiegel der Nachbarstadt Schorndorf zugrunde gelegt und dies damit begründet, dass es sich dabei um eine mit Backnang vergleichbare Gemeinde handele. Für die Gemeinde Backnang selbst existiert kein Mietspiegel. Der Mieter akzeptiert die Mieterhöhung nicht.

Entscheidung

Der BGH gibt dem Vermieter Recht. Der Vermieter hat sein Mieterhöhungsverlangen ordnungsgemäß begründet.

Die Bezugnahme auf den Mietspiegel der Nachbarstadt reichte aus, weil für die Stadt, in der sich die Wohnung befindet, kein Mietspiegel erstellt worden ist und weil beide Städte im Hinblick auf das Mietniveau vergleichbar sind.

Es schadet auch nicht, dass es sich bei dem verwendeten Mietspiegel um einen einfachen Mietspiegel handelte. Auch nach Einführung des qualifizierten Mietspiegels (§ 558d BGB) durch das Mietrechtsreformgesetz (in Kraft seit 1.9.2001) kann ein einfacher Mietspiegel (§ 558c BGB) alleinige Grundlage der dem Gericht obliegenden Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein.

Zwar begründet der einfache Mietspiegel nicht - wie der qualifizierte Mietspiegel - die Vermutung, dass die dort genannten Preise die ortsübliche Vergleichsmiete richtig wiedergeben. Der einfache Mietspiegel ist aber ein Indiz hierfür.

Ob diese Indizwirkung im Einzelfall ausreicht, um die Ortsüblichkeit der verlangten Miete nachzuweisen, hängt davon ab, was der Mieter gegen den Erkenntniswert des Mietspiegels vorbringt. Wendet der Mieter z. B. mit nachvollziehbaren Argumenten ein, den Verfassern habe es an der erforderlichen Sachkunde gefehlt oder sie hätten sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder unzureichendes Datenmaterial verwendet, muss das Gericht dem nachgehen. Bleiben danach Zweifel an der Verlässlichkeit des Mietspiegels, so ist die Indizwirkung erschüttert. Der Vermieter muss dann anderweitig Beweis für seine Behauptung antreten, die von ihm verlangte Miete liege innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Solche Einwendungen hat der Mieter im vorliegenden Fall aber nicht erhoben.

(BGH, Urteil v. 16.6.2010, VIII ZR 99/09)

Lesen Sie auch:

BGH: Bezeichnung allein macht keinen „qualifizierten“ Mietspiegel

BGH: Einfacher Mietspiegel kann vor Gericht ausreichen

BGH-Rechtsprechungsübersicht zur Mieterhöhung


§ 558a BGB: Form und Begründung der Mieterhöhung  

 (1) Das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 ist dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen.

(2) Zur Begründung kann insbesondere Bezug genommen werden auf

1. einen Mietspiegel (§§ 558c, 558d),

2. eine Auskunft aus einer Mietdatenbank (§ 558e),

3. ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen,

4. entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen; hierbei genügt die Benennung von drei Wohnungen.

§ 558c BGB: Mietspiegel  

 (1) Ein Mietspiegel ist eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.

(2) Mietspiegel können für das Gebiet einer Gemeinde oder mehrerer Gemeinden oder für Teile von Gemeinden erstellt werden.

(3) Mietspiegel sollen im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden.

(4) Gemeinden sollen Mietspiegel erstellen, wenn hierfür ein Bedürfnis besteht und dies mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist. Die Mietspiegel und ihre Änderungen sollen veröffentlicht werden.

§ 558d BGB: Qualifizierter Mietspiegel  

(1) Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist.

(2) Der qualifizierte Mietspiegel ist im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen. Dabei kann eine Stichprobe oder die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland zugrunde gelegt werden. Nach vier Jahren ist der qualifizierte Mietspiegel neu zu erstellen.

(3) Ist die Vorschrift des Absatzes 2 eingehalten, so wird vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.


Schlagworte zum Thema:  Mietspiegel, Mieterhöhung, Mietrecht