Für rechtskonformes Sondereigentum ist jeder Eigentümer selbst zuständig
Hintergrund: Eigentümer will Wohnung ausbauen
Die Mitglieder einer aus zwei Personen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft streiten über die Gültigkeit gefasster Beschlüsse.
Das Haus besteht aus drei Einheiten. Die Klägerin ist Sondereigentümerin der Wohnung im 1. Obergeschoss (Einheit Nr. 2), der Beklagte ist Eigentümer der Wohnung im Erdgeschoss (Einheit Nr. 1) sowie der Einheit im Dachgeschoss (Einheit Nr. 3). Letztere ist in der Teilungserklärung als „Wohnung“ bezeichnet.
Nach dem Aufteilungsplan besteht die Einheit Nr. 3 aus zwei Zimmern und einem großen Bodenraum. Anders als bei den beiden anderen Einheiten sind Küche und Bad nicht eingezeichnet. Die Wohnnutzung ist bauordnungsrechtlich nicht genehmigt.
Der Eigentümer der Einheit Nr. 3 möchte diese als Wohnung nutzen und stellte einen Bauantrag. Die Stadt gab ihm unter anderem auf, einen Standsicherheits- und einen Brandschutznachweis zu erbringen. Zudem wies sie darauf hin, dass es wegen der geänderten Gebäudeklasse vermutlich erforderlich sein werde, einen Dispens hinsichtlich der Feuerwiderstandsklassen von Decken und Treppen zu erwirken. Weiter sei für die neue Wohnung ein PKW-Stellplatz nachzuweisen oder ein Verzicht zu beantragen.
Daraufhin wurden in einer Eigentümerversammlung mit Stimmenmehrheit folgende Beschlüsse gefasst:
TOP 2: Die Miteigentümergemeinschaft ermächtigt [den Beklagten], auf Kosten der Gemeinschaft Fachleute zu beauftragen, die unter Ermittlung der angemessenen Kosten klären, welche Sanierungsmaßnahmen am Haus (…) durchgeführt werden müssen, um einen bauordnungsgemäßen Zustand herbeizuführen...
TOP 6 (1): Da ein Stellplatz nicht geschaffen werden kann, wird an die Stadt zum spätest möglichen Zeitpunkt ein Ablöseantrag gestellt.
TOP 6 (2): Den Ablösebetrag tragen die Miteigentümer im Verhältnis ihrer Eigentumsanteile.
Die andere Eigentümerin hat gegen die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 6 (2) Anfechtungsklage erhoben. Hierbei wendet sie sich nicht gegen die Maßnahmen an sich, sondern dagegen, an den Kosten hierfür beteiligt zu werden.
Entscheidung: Keine Beschlusskompetenz über Sondereigentum
Der Beschluss zu TOP 2 (Beauftragung von Fachleuten) ist nichtig, soweit er sich auf das Sondereigentum bezieht. Im Übrigen entspricht der Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung.
Zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung gehört die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hierzu zählen sowohl die erstmalige plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums als auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum.
Hier muss das gemeinschaftliche Eigentum die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine Nutzung des Gebäudes mit drei Einheiten zu Wohnzwecken erfüllen, insbesondere die brandschutzrechtlichen Vorgaben für die danach einschlägige Gebäudeklasse. Um zu klären, welche Maßnahmen hierfür erforderlich sind, wurde der Beschluss zu TOP 2 gefasst.
Die Kosten für die Erfüllung der bauordnungsrechtlichen Anforderungen an das Gemeinschaftseigentum müssen die Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 WEG nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile tragen. Das gilt auch für die Kosten der Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen. Eine abweichende Kostenregelung wurde nicht beschlossen.
Dagegen ist der Beschluss nichtig, soweit er sich auf das Sondereigentum bezieht. Grundsätzlich ist es Sache des jeweiligen Sondereigentümers, etwaige das Sondereigentum betreffende bauordnungsrechtliche Vorgaben auf eigene Kosten zu erfüllen. Für Maßnahmen am Sondereigentum besteht generell keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer. Das gilt auch, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften die Maßnahmen erfordern. Ein dennoch gefasster Beschluss hierüber ist nichtig.
Für das Sondereigentum an einer Wohnung kann bauordnungsrechtlich der Einbau einer Toilette und einer Badewanne beziehungsweise Dusche vorgegeben sein. Solche bauordnungsrechtlichen Vorgaben muss der Sondereigentümer auf eigene Kosten erfüllen.
Stellplatzablöse betrifft alle Eigentümer
Die zu TOP 6 (2) beschlossene Kostenregelung, die einen etwaigen Ablösebetrag für einen Stellplatz betrifft, entspricht der gesetzlichen Kostenregelung gemäß § 16 Abs. 2 WEG und ist daher nicht zu beanstanden. Auch insoweit handelt es sich um Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums.
Der BGH hat bereits entschieden, dass die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis Aufgabe aller Wohnungseigentümer ist, wenn der Bauträger von den der Baugenehmigung zugrundeliegenden Plänen abgewichen ist und dadurch die öffentlich-rechtliche Verpflichtung besteht, weitere Stellplätze zu schaffen (Hierzu BGH: Stellplatznachweis ist Sache aller Wohnungseigentümer)
Nichts anderes gilt, wenn die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an den Stellplatznachweis - wie hier - bei der Aufteilung nicht oder nicht vollständig erfüllt worden sind. In beiden Fällen betrifft die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen die erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des Gemeinschaftseigentums, die auf die bauliche Anlage und nicht auf eine einzelne Einheit bezogen ist. Es ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer, die für die drei Wohneinheiten erforderlichen Stellplätze nachzuweisen.
(BGH, Urteil v. 9.12.2016, V ZR 84/16)
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