BGH: Hürde für Verwertungskündigung liegt hoch

Die Kündigung eines Wohnraummietvertrages wegen beabsichtigter wirtschaftlicher Verwertung des Grundstücks ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Das hat der BGH bekräftigt.

Hintergrund: Vermieterin will Neubau errichten und vermieten

Die Vermieterin einer Wohnung in St. Blasien, die V-KG, verlangt von den Mietern nach einer Kündigung die Räumung. Das Mietverhältnis besteht seit 2012, die Vermieterin hat das Gebäude 2015 gekauft und ist in den Mietvertrag eingetreten.

Die Vermieterin ist zudem Eigentümerin des Nachbargrundstücks. Dieses hat sie an die S-KG verpachtet, die dort ein Modehaus betreibt. Beide Gesellschaften sind persönlich und wirtschaftlich miteinander verbunden.

Im Juni 2015 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag. Sie begründete dies damit, das Haus abreißen und stattdessen einen Neubau mit Gewerberäumen zur Erweiterung des Modehauses errichten zu wollen. Durch die Verpachtung an die S-KG könne sie einen deutlich höheren Ertrag erwirtschaften als bei der Fortführung der bisherigen Mietverhältnisse.

Entscheidung: Keine erheblichen Nachteile gegeben

Die Kündigung ist unwirksam. Die genannten Gründe reichen nicht aus, um eine Verwertungskündigung zu begründen.

Der Abriss des Gebäudes zur Erweiterung des Modehauses ist zwar eine von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragene und mithin angemessene wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Eine Verwertungskündigung ist aber nur unter der zusätzlichen (hohen) Voraussetzung zulässig, dass dem Eigentümer durch den Fortbestand des Mietverhältnisses andernfalls ein erheblicher Nachteil entstehen würde.

Bei der Beurteilung dieser Frage ist neben den Belangen des Vermieters auch die Rechtsposition des Mieters zu berücksichtigen. Auch das Besitzrecht des Mieters wird von der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie geschützt.

Vor diesem Hintergrund hat der Vermieter keinen uneingeschränkten Anspruch auf Gewinnoptimierung oder gerade die Nutzungsmöglichkeit, die den größten wirtschaftlichen Vorteil bietet. Andererseits erfordert ein erheblicher Nachteil nicht, dass ohne die Kündigung die Existenz des Vermieters bedroht ist.

Im vorliegenden Fall reicht es nicht aus, dass die Vermieterin bei einem Neubau langfristig Mieteinnahmen sicherstellen könnte. Außerdem sind bei einer Verwertungskündigung – anders als etwa bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs – nur solche (erheblichen) Nachteile zu berücksichtigen, die dem Vermieter selbst entstehen würden. Hier hat sich die Vermieterin aber auf Nachteile der Schwestergesellschaft berufen. Das reicht nicht aus, auch wenn beide Gesellschaften persönlich und wirtschaftlich verflochten sind.

(BGH, Urteil v. 27.9.2017, VIII ZR 243/16)

BGH ist bei Kündigungsgründen streng

Der BGH hat 2017 bereits in mehreren Urteilen zur Zulässigkeit der ordentlichen Kündigung eine restriktive Linie gefahren. Lesen Sie hierzu:

BGH präzisiert Voraussetzungen der ordentlichen Kündigung

BGH: Kündigung einer Mietwohnung für berufliche Nutzung wird schwerer


§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn

[…]

3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.