Kündigung einer Mietwohnung für berufliche Nutzung wird schwerer
Hintergrund: Aus Mietwohnung soll Büro werden
Die Vermieterin einer Wohnung in Berlin verlangt nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs die Räumung.
Das Mietverhältnis über die 27 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung in Berlin besteht seit 1977. Die Vermieterin hat die Wohnung 2008 per Zwangsversteigerung erworben. Der Ehemann der Vermieterin betreibt im Anwesen, in dem sich die Mietwohnung befindet, ein Beratungsunternehmen.
Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung, ihr Ehemann benötige die Wohnung, um sein seit 14 Jahren ausgeübtes Gewerbe zu erweitern. Die räumliche Kapazität der hierzu angemieteten Räume sei ausgeschöpft. Die auch als Beratungsräume genutzten Büroräume seien überfrachtet mit bis an die Decke reichenden, überfüllten Aktenregalen. Ihr Ehemann beabsichtige daher, in der Wohnung des Mieters einen weiteren Arbeitsplatz samt Archiv einzurichten.
Amts- und Landgericht haben zwar das Vorliegen eines Kündigungsgrundes bejaht, weil der geltend gemachte Bedarf an der Mietwohnung für die berufliche Tätigkeit des Ehemannes der Vermieterin ein berechtigtes Interesse darstelle, das dem Kündigungstatbestand des Eigenbedarfs gleichstehe. Allerdings wiesen sie sie Räumungsklage wegen der in Berlin in Kraft getretenen Vorschriften betreffend die Zweckentfremdung von Wohnraum ab.
Entscheidung: Kein Eigenbedarf für Büronutzung
Die Räumungsklage hat auch vor dem BGH keinen Erfolg. Entgegen einer weit verbreiteten Praxis ist es nicht zulässig, den Berufs- oder Geschäftsbedarf als ungeschriebene weitere Kategorie eines typischerweise anzuerkennenden Vermieterinteresses an der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses zu behandeln. Die Gerichte müssen vielmehr im Einzelfall feststellen, ob ein berechtigtes Interesse des Vermieters besteht, den Mietvertrag über die Wohnung zu kündigen.
Denn nur mit den typisierten Regeltatbeständen des § 573 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber für die praktisch bedeutsamsten Fallgruppen selbst geregelt, unter welchen Umständen der Erlangungswunsch des Vermieters Vorrang vor dem Bestandsinteresse des Mieters hat. Wenn der Vermieter die Mietwohnung - wie hier - jedoch nicht als Wohnraum benötigt, sondern sie einer gewerblichen Nutzung zuführen will, ist der Kündigungstatbestand des Eigenbedarfs nicht erfüllt. Ebenso wenig stellt die Eigennutzung der vermieteten Wohnräume zu (frei-)beruflichen oder gewerblichen Zwecken eine wirtschaftliche Verwertung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar.
Prüfung im Einzelfall erforderlich
Bei Anwendung der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB hingegen verlangt das Gesetz stets eine am Einzelfall orientierte Feststellung und Abwägung der Belange von Vermieter und Mieter. Allgemein verbindliche Betrachtungen verbieten sich dabei.
Allerdings geben die typisierten Regeltatbestände des § 573 Abs. 2 BGB einen ersten Anhalt für die erforderliche Interessenbewertung und -abwägung. Will der Vermieter aus nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen die Wohnung selbst - ausschließlich oder überwiegend - zu Wohnzwecken nutzen oder sie hierfür den im Gesetz genannten Angehörigen zur Verfügung stellen, reicht bereits ein ernsthafter Nutzungsentschluss für ein vorrangiges Erlangungsinteresse des Vermieters aus. Dem – von nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen getragenen - wirtschaftlichen Verwertungsinteresse eines Vermieters, etwa durch Veräußerung oder Abriss für einen Neubau, billigt das Gesetz hingegen nur ausnahmsweise dann Vorrang zu, wenn der Vermieter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile erleiden würde.
Das Interesse des Vermieters, die Mietwohnung zu (frei-)beruflichen oder gewerblichen Zwecken selbst zu nutzen, ist von der Interessenlage her regelmäßig zwischen den genannten typisierten Regeltatbeständen anzusiedeln. Auch insoweit verbietet sich zwar eine Festlegung allgemein verbindlicher Grundsätze.
Leitlinien für Kündigung einer Mietwohnung zu gewerblicher Nutzung
Anhand bestimmter Fallgruppen lassen sich aber grobe Leitlinien für die Kündigung einer Mietwohnung zu gewerblichen Zwecken bilden:
Der Entschluss eines Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen (sogenannte Mischnutzung), weist eine größere Nähe zum Eigenbedarf auf, da er in solchen Fallgestaltungen in der Wohnung auch einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In solchen Fällen wird es regelmäßig ausreichen, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde - was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters häufig der Fall sein dürfte. Entsprechendes gilt, wenn die Mischnutzung durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Vermieters erfolgen soll.
Dagegen weisen Fälle, in denen der Vermieter oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte, eine größere Nähe zur Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf. Wenn der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden soll, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen. Das kann etwa anzunehmen sein, wenn die geschäftliche Tätigkeit andernfalls nicht rentabel durchgeführt werden könnte oder die konkrete Lebensgestaltung die Nutzung der Mietwohnung erfordert (etwa bei gesundheitlichen Einschränkungen, Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Personen).
Gemessen hieran hat die Vermieterin hier kein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses. Aufgrund der beabsichtigten Nutzung der Mietwohnung allein für gewerbliche Zwecke ihres Ehemannes hätte die Vermieterin andernfalls entstehende Nachteile von einigem Gewicht darlegen müssen. Solche sind nicht ersichtlich.
(BGH, Urteil v. 29.3.2017, VIII ZR 45/16)
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