BGH: Neuer Beschluss über bestehende Schuld ist nichtig

Die Wohnungseigentümer sind nicht berechtigt, bereits entstandene, aber noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers mit Stimmenmehrheit erneut zu beschließen und so neu zu begründen. Ein dennoch gefasster Beschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig.

Hintergrund

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von Miteigentümern eine Nachzahlung aus der Jahresabrechnung 2007. Die beklagten Eigentümer haben am 24.5.2006 das Eigentum an einer Eigentumswohnung und einem Stellplatz in der Anlage erworben.

In der Jahresabrechnung 2007 sind unter der Bezeichnung „Abrechnung 2006“ Rückstände aus dem Jahr 2006 von 214,42 Euro für die Wohnung und 500,78 Euro für den Stellplatz enthalten. Die Rückstände stammen teilweise aus der Zeit vor Eigentumserwerb, teilweise aus der Zeit danach.

Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Eigentümer aufgrund der Jahresabrechnung 2007 verpflichtet sind, die Rückstände aus dem Jahr 2006 zu zahlen.

Entscheidung

Der BGH gibt den beklagten Wohnungseigentümern Recht. Der Beschluss über die Jahresabrechnung 2007 ist nichtig, soweit darin Rückstände aus dem Jahr 2006 enthalten sind.

Beitragsrückstände sind kein zulässiger Bestandteil einer Jahresabrechnung im Sinne des § 28 Abs. 3 WEG. Diese ist auf die Abrechnung der Kosten des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs unter Berücksichtigung der Vorschüsse, die die Eigentümer gezahlt haben, beschränkt.

Dem entspricht es, dass der Beschluss über eine Jahresabrechnung nur hinsichtlich des auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallenden Betrages, welcher die im Wirtschaftsplan für das abgelaufene Jahr beschlossenen Vorschüsse übersteigt (sog. Abrechnungsspitze), anspruchsbegründend wirkt. Zahlungsverpflichtungen, die durch frühere Beschlüsse entstanden sind, lässt der Beschluss unberührt. Dies gilt nicht nur für die in dem Wirtschaftsplan des abzurechnenden Jahres beschlossenen und damit nach § 28 Abs. 2 WEG geschuldeten Vorschüsse, sondern auch für Zahlungsverpflichtungen, die durch die Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen der Vorjahre begründet worden sind.

Keine Beschlusskompetenz für „alte“ Rückstände

Werden dennoch Vorjahresrückstände in eine Jahresabrechnung einbezogen, ist dies kein bloßer Abrechnungsfehler, sondern die Abrechnung ist insoweit nichtig. Für die Aufnahme abrechnungsfremder Bestandteile in die Abrechnung fehlt den Eigentümern die Beschlusskompetenz.

Soweit der Abrechnungsbeschluss die beklagten Eigentümer verpflichtet, rückständige Beiträge zu zahlen, die vor ihrem Eigentumserwerb fällig geworden und daher vom Voreigentümer zu tragen sind, würde den jetzigen Eigentümern eine nicht bestehende Erwerberhaftung auferlegt. Die Haftung eines Erwerbers für Rückstände seines Rechtsvorgängers kann aber nur durch Vereinbarung, nicht durch Beschluss begründet werden. Ein solcher Beschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig.

Rückständige Beiträge aus dem Jahr 2006, die nach Eigentumserwerb fällig geworden sind, haben ihre Grundlage entweder im Wirtschaftsplan 2006 oder der Abrechnung 2006. Eine erneute Beschlussfassung hierüber  in der Abrechnung 2007 wäre eine Neubegründung einer bestehenden Schuld. Hierzu haben die Eigentümer keine Beschlusskompetenz, sodass der Beschluss insoweit nichtig ist. Anderenfalls könnten die Eigentümer durch Aufnahme aller rückständigen Beiträge in die jeweils aktuelle Jahresabrechnung die Vorschriften über die Verjährung durch Mehrheitsbeschluss faktisch außer Kraft setzen. Das aber fällt ebenso wenig in ihre Zuständigkeit wie die Begründung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Haftung eines Wohnungseigentümers durch Mehrheitsbeschluss.

(BGH, Urteil v. 9.3.2012, V ZR 147/11)