BGH: Schonfristzahlung ermöglicht keinen Kündigungswiderspruch

Ein Mieter kann einer ordentlichen Kündigung nicht wegen unbilliger Härte widersprechen, wenn die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung erfüllt waren. Auch eine rechtzeitige Schonfristzahlung ändert hieran nichts.

Hintergrund: Mieterin widerspricht Kündigung nach Schonfristzahlung

Die Vermieter einer Wohnung verlangen von der Mieterin nach einer Kündigung Räumung und Herausgabe. Das Mietverhältnis besteht seit etwa 30 Jahren. Die Miete nebst Betriebskostenvorauszahlungen betrug zuletzt 564 Euro monatlich.

Im Februar 2016 kündigten die Vermieter den Mietvertrag fristlos, hilfsweise ordentlich, nachdem ein Zahlungsrückstand von 1.630 Euro aufgelaufen war. Bis Juli 2017 erhöhte sich der Rückstand auf 2.750 Euro. In der eingereichten Räumungsklage erklärten die Vermieter nochmals die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung. Sodann zahlte das Jobcenter innerhalb der Schonfrist die kompletten Mietrückstände.

Die Mieterin wendet ein, eine Beendigung des Mietverhältnisses stelle für sie aus verschiedenen, im Einzelnen aufgeführten, Gründen eine unzumutbare Härte dar. Das Landgericht hat daraufhin die Räumungsklage abgewiesen und ausgesprochen, dass sich das Mietverhältnis nach §§ 574, 574a BGB infolge einer nicht zu rechtfertigenden Härte auf unbestimmte Zeit verlängere.

Entscheidung: Widerspruchsrecht bleibt ausgeschlossen

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Ein Räumungsanspruch konnte nicht wegen des Härteeinwands der Mieterin verneint werden.

Härteeinwand entfällt, wenn fristlose Kündigung möglich wäre

Ein Mieter kann einer ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (Härteeinwand). Das ergibt sich aus § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Widerspruch ist nach Satz 2 aber ausgeschlossen, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zu einer außerordentlichen/fristlosen Kündigung berechtigt.

Für den Ausschluss des Härteeinwands ist nicht erforderlich, dass der Vermieter tatsächlich eine außerordentliche Kündigung erklärt hat. Es reicht, wenn bei Zugang der ordentlichen Kündigung auch ein Grund bestand, der eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätte. Dies war hier bei beiden jeweils fristlos und hilfsweise ordentlich erklärten Kündigungen der Fall. Die Mieterin war jeweils mit deutlich mehr als zwei Monatsmieten in Verzug, sodass sowohl die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB als auch für eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorlagen.

Schonfristzahlung lässt Widerspruchsrecht nicht aufleben

Die Möglichkeit der Mieterin, der Kündigung unter Berufung auf eine unzumutbare Härte zu widersprechen, ist auch durch die Schonfristzahlung (Nachzahlung aller Mietrückstände innerhalb von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs) nicht wieder aufgelebt.

Eine Schonfristzahlung beseitigt lediglich rückwirkend die Gestaltungswirkung der außerordentlichen Kündigung, führt aber nicht dazu, dass ein Grund für die fristlose Kündigung von vornherein nicht bestand. Die Schonfristzahlung durch das Jobcenter hatte daher nur zur Folge, dass die fristlose Kündigung unwirksam geworden ist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB).

Hingegen bleibt das wegen Vorliegens der Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung einmal ausgeschlossene Recht eines Mieters, der Kündigung nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen einer besonderen Härte zu widersprechen, auch bei einer Schonfristzahlung ausgeschlossen. Es entsteht mit der Schonfristzahlung nicht neu und lebt nicht wieder auf. Für eine teleologische Reduktion des § 574 Abs. 1 Satz 2 BGB ist kein Raum. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift versehentlich zu weit gefasst hat.

Schonfristzahlung heilt ordentliche Kündigung nicht.

In der Entscheidung betont der BGH ausdrücklich seine ständige Rechtsprechung, dass eine Schonfristzahlung zwar eine fristlose, aber nicht eine ordentliche Kündigung heilt. Zuletzt hatte die 66. Zivilkammer des LG Berlin mit Urteil v. 30.3.2020 (66 S 293/19) die gegenteilige Auffassung vertreten, dass die Nachzahlung sämtlicher Mietrückstände auch eine ordentliche Kündigung unwirksam machen kann.

(BGH, Urteil v. 1.7.2020, VIII ZR 323/18)


Gesetzliche Grundlage:

§ 574 BGB Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung

(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.

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Schlagworte zum Thema:  Kündigung, Mietrecht