Am 01.01.2018 ist das neue Bauvertragsrecht in Kraft getreten. Die Neuregelung war im März beziehungsweise April 2017 in Bundestag und Bundesrat endgültig verabschiedet worden. Vorangegangen waren Vorarbeiten der vom Bundesjustizministerium bereits im Jahr 2010 eingesetzten „Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht“, die 2013 ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte.
Die neuen Vorschriften gelten für Verträge, die ab dem 01.01.2018 abgeschlossen werden. Für vorher abgeschlossene Verträge gilt das bisherige Recht.
Warum ein neues Bauvertragsrecht?
Anlass der Neuregelung war, dass sich das Baurecht im Laufe der Zeit zu einer komplexen Spezialmaterie entwickelt hat und die wenigen gesetzlichen Regelungen zum Werkvertragsrecht nach Auffassung des Gesetzgebers nicht mehr detailliert genug waren. Zudem fehlten in diesem Bereich bis auf einige Ausnahmen bisher Verbraucherschutzvorschriften. Hier sah der Gesetzgeber Handlungsbedarf, nicht zuletzt weil Verbraucher für ein Bauvorhaben häufig einen wesentlichen Teil ihrer finanziellen Mittel aufwenden. Unerwartete Mehrkosten durch eine nicht rechtzeitige Fertigstellung oder die Insolvenz des Bauunternehmers können für Verbraucher gravierende Auswirkungen haben.
Detailliertere Vorschriften im BGB
Kern der Reform sind neue und geänderte Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Im BGB-Werkvertragsrecht werden spezielle Regelungen für den Bauvertrag eingeführt. Neu ist der Verbraucherbauvertrag, durch den der Verbraucherschutz gestärkt werden soll. Der Bauträgervertrag wird im BGB ebenfalls als eigener Vertragstyp normiert.
Auch der Architekten- und Ingenieurvertrag wird gesetzlich normiert. Dabei wird die überproportionale Belastung der Architekten und Ingenieure im Rahmen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung mit dem Bauunternehmen reduziert, indem ein Vorrang der Nacherfüllung durch den Bauunternehmer eingeführt wird.
Eine konsolidierte Fassung der neuen Regelungen im Bauvertragsrecht hat die Rechtsanwaltskanzlei Kapellmann und Partner zusammengestellt.
Neu für alle Werkverträge: Kündigung aus wichtigem Grund
Der Auftraggeber kann einen Werkvertrag bis zur Fertigstellung des Werkes jederzeit kündigen. An diesem freien Kündigungsrecht nach § 649 BGB (künftig § 648 BGB) ändert sich durch die Reform nichts. Handlungsbedarf sah der Gesetzgeber aber beim Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Dieses ist bisher gesetzlich nicht normiert. Für den Bauvertrag hat die Rechtsprechung ein solches Kündigungsrecht vielfach anerkannt. Um für die Praxis mehr Rechtssicherheit zu schaffen, wird die Kündigung von Werkverträgen aus wichtigem Grund nun gesetzlich normiert.
Nach dem neuen § 648a BGB, der für alle Werkverträge gilt, können beide Vertragsparteien den Werkvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus wichtigem Grund kündigen. Für die Beschreibung des wichtigen Grundes greift der Gesetzgeber auf die übliche Generalklausel zurück. Demnach liegt ein wichtiger Grund vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann, das Vertragsverhältnis bis zur Fertigstellung des Werkes fortzusetzen.
Einzelne Kündigungsgründe werden nicht im Gesetz niedergelegt, um – so die Begründung – auch besondere Einzelfälle berücksichtigen zu können. Hier könne die umfangreiche Rechtsprechung zu § 314 BGB herangezogen werden. Als einen möglichen Grund für eine Kündigung aus wichtigem Grund nennt die Gesetzesbegründung die Insolvenz des Unternehmers, weist jedoch zugleich darauf hin, dass es auch hier auf den Einzelfall ankomme. So könne dem Besteller die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses trotz Insolvenz des Unternehmers zumutbar sein, wenn eine Sanierung im sogenannten „Schutzschirmverfahren“ beabsichtigt und nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hingegen sei die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar, wenn der Unternehmer den Geschäftsbetrieb bereits eingestellt habe und die Arbeiter nicht mehr auf der Baustelle erscheinen.
Das Recht zur außerordentlichen Kündigung werde vor allem bei Werkverträgen zum Zuge kommen, die auf eine längerfristige Zusammenarbeit ausgelegt seien, etwa bei Architektenverträgen oder Verträgen über die Planung und Einrichtung größerer EDV-Anlagen.
Die Kündigung aus wichtigem Grund kann auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werkes beschränkt werden. Nicht erforderlich ist, dass es sich um einen „in sich abgeschlossenen Teil der Leistung“ handelt, wie dies in § 8 Abs. 3 VOB/B vorgesehen ist.
Liegt der wichtige Grund in einer Vertragsverletzung, muss der Kündigung eine erfolglose Fristsetzung zur Abhilfe vorausgehen. Zudem kann die Kündigung nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden.
Folgen einer Kündigung des Werkvertrages aus wichtigem Grund
Nach einer Kündigung des Werkvertrages muss dieser abgewickelt und die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen abgerechnet werden. Auf Verlangen einer Vertragspartei sind beide Parteien verpflichtet, an einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes mitzuwirken. Dies soll allein der quantitativen Bewertung der Leistung dienen und keine der Abnahme vergleichbaren Rechtsfolgen haben.
Wenn eine Vertragspartei der an der Feststellung trotz Verlangens nicht mitwirkt, geht die Beweislast für den Stand zum Zeitpunkt der Kündigung auf diese Partei über. Dies soll einen Anreiz schaffen, an der gemeinsamen Feststellung mitzuwirken.
Nach einer Kündigung des Werkvertrages aus wichtigem Grund kann der Unternehmer (nur) die Vergütung verlangen, die auf den bis dahin erbrachten Teil der Werkleistung entfällt. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zur freien Kündigung, wo der Unternehmer die vereinbarte Vergütung verlangen kann, sich aber ersparte Aufwendungen anrechnen lassen muss.
Schadensersatz nach Kündigung des Werkvertrages
Durch eine außerordentliche Kündigung des Werkvertrages wird das Recht auf Schadensersatz nicht ausgeschlossen, wie der neue § 648a Abs. 6 BGB ausdrücklich klarstellt. Ein Anspruch auf Schadensersatz kann etwa bestehen, wenn eine Partei den wichtigen Grund, der Anlass der Kündigung war, schuldhaft herbeigeführt hat.
Neu für alle Werkverträge: Abnahmefiktion nach Aufforderung
Für alle Arten an Werkverträgen wird die fiktive Abnahme neu geregelt. Künftig greift eine Abnahmefiktion immer dann, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Dies sieht der neue § 640 Abs. 2 BGB vor. Die Fiktion tritt also ein, wenn der Besteller sich entweder gar nicht zum Abnahmeverlangen äußert oder wenn er die Abnahme verweigert, ohne Mängel zu benennen.
Im Gegensatz zur aktuellen Rechtslage hat ein Schweigen oder Nichtbenennen von Mängeln auch dann eine fiktive Abnahme zur Folge, wenn wesentliche Mängel vorhanden sind. Will der Besteller eine Abnahme verhindern, muss er sich aktiv äußern und mindestens einen Mangel benennen.
Verweigert der Besteller die Abnahme, muss er nicht sämtliche Mängel angeben oder diese im Detail mitteilen. Es genügt, wenn er beispielsweise dem Unternehmer mitteilt, wo das Werk aus seiner Sicht nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Weitere Mängel, die der Besteller zunächst nicht angegeben hat, können gleichwohl bei der anschließenden Bewertung der Abnahmereife berücksichtigt werden.
Achtung: Wenn der Besteller Verbraucher ist, tritt die Abnahmefiktion nur ein, wenn der Unternehmer mit der Aufforderung zur Abnahme darauf hingewiesen hat, welche Folgen eine nicht erklärte oder ohne Angabe von Mängeln verweigerte Abnahme hat. Dieser Hinweis bedarf der Textform.