Gewerbliche Kinderbetreuung in der WEG – Verbotsbeschluss
Hintergrund
Wohnungseigentümer streiten darüber, ob eine Tätigkeit als Tagesmutter in der Anlage zulässig ist. Die Wohnung der klagenden Eigentümerin befindet sich im Erdgeschoss des Hauses, die darüber liegende Wohnung der beklagten Eigentümer im ersten Obergeschoss.
Die Teilungserklärung enthält folgende Regelung:
"Die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung ist nur mit Zustimmung des Verwalters zulässig. Die Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kann sie auch von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden. Als wichtiger Grund für die Verweigerung der Zustimmung gilt insbesondere, wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer oder Hausbewohner befürchten lässt … . Erteilt der Verwalter eine beantragte Zustimmung nicht oder nur unter Auflage oder wird von ihm eine unwiderruflich erteilte Zustimmung widerrufen, so kann der betroffene Miteigentümer einen Beschluss der Gemeinschaft herbeiführen, die die Entscheidung des Verwalters mit dreiviertel Mehrheit der abgegebenen Stimmen ändern kann."
Die Mieterin der OG-Eigentümer betreut in ihrer Wohnung mit Erlaubnis der Stadt gegen Entgelt täglich von sieben Uhr bis 19 Uhr fünf Kinder im Alter von null bis drei Jahren. Die Verwalterin erklärte am 5.5.2009 gegenüber den OG-Eigentümern schriftlich, dass sie dieser Nutzung wegen der mit der Kinderbetreuung einhergehenden Lärmbelästigungen nicht zustimme. Auf einer Eigentümerversammlung am 28.9.2009 erreichte ein von der Verwalterin eingebrachter Antrag, der Mieterin die Tätigkeit zu genehmigen, nicht die erforderliche Dreiviertemehrheit. Dieser ablehnende Beschluss wurde nicht angefochten.
Die Erdgeschosseigentümerin verlangt von den OG-Eigentümern, die Nutzung der Wohnung als Kindertagespflegestelle zu unterlassen.
Entscheidung
Der BGH gibt der Unterlassungsklage statt.
Ein Unterlassungsanspruch folgt bereits daraus, dass den OG-Eigentümern die Ausübung der Tagesmuttertätigkeit ihrer Mieterin durch den in der Eigentümerversammlung vom 28.9.2009 gefassten Beschluss untersagt worden war. Dieser Beschluss ist nicht angefochten worden und daher für die OG-Eigentümer verbindlich.
Die Nutzung einer Wohnung zum Betrieb einer entgeltlichen Tagespflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder stellt die "Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung" im Sinne der Teilungserklärung dar. Sie bedarf daher der Zustimmung des Verwalters oder einer Dreiviertelmehrheit der hierüber abstimmenden Wohnungseigentümer.
Zwar gehört zum Wohnen auch die Möglichkeit, in der Familie neben den eigenen Kindern fremde Kinder zu betreuen, etwa bei regelmäßigen Besuchen von Freunden der Kinder oder im Wege der Nachbarschaftshilfe. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Nutzung der Wohnung zur (werk-)täglichen Erbringung von Betreuungsdienstleistungen gegenüber Dritten in Form einer Pflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder, bei der der Erwerbscharakter im Vordergrund steht. Eine solche teilgewerbliche Nutzung der Wohnung wird vom Wohnzweck nicht mehr getragen.
Darauf, ob die Verwalterin zu Recht die Zustimmung verweigert hat, kommt es aber nicht an. Denn ein Unterlassungsanspruch der EG-Eigentümerin folgt bereits daraus, dass den OG-Eigentümern die weitere Ausübung der Tagesmuttertätigkeit ihrer Mieterin durch den in der Eigentümerversammlung gefassten, nicht angefochtenen Beschluss untersagt wurde.
Den OG-Eigentümern, bleibt es aber unbenommen, bei der Verwalterin oder der Wohnungseigentümergemeinschaft einen entsprechenden Antrag zu stellen. Über diesen wäre unter Berücksichtigung der tatsächlichen konkreten Gegebenheiten innerhalb der Wohnungseigentumsanlage, der Wertungen des § 22 Abs. 1a BImSchG und der in der Teilungserklärung ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Erteilung von Auflagen zu entscheiden. Solange eine erforderliche Zustimmung aber nicht vorliegt, darf die Tagesmuttertätigkeit aufgrund des bestandskräftigen Untersagungsbeschlusses nicht fortgesetzt werden.
(BGH, Urteil v. 13.7.2012, V ZR 204/11)
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