Verkehrssicherungspflicht – so haben Gerichte entschieden


Verkehrssicherungspflicht: Rechtsprechung im Überblick

Nicht immer ist klar, ob und in welchem Umfang eine Verkehrssicherungspflicht besteht – oder ob dagegen verstoßen wurde. Manchmal müssen die Gerichte entscheiden. Ein Überblick.

Wer auf seinem Grundstück Bäume stehen hat, die umknicken und dabei Menschen sowie Sachen gefährden könnten, den trifft die Verkehrssicherungspflicht. Dass alle vermeidbaren Risiken beseitigt werden, kann nach Ansicht des OLG Oldenburg (Urteil v. 11.5.2017, Az. 12 U 7/17) auch von einem Privatmann erwartet werden. Er muss in angemessenen zeitlichen Abständen eine äußere Sichtprüfung von Bäumen durchführen, so das Gericht. Dabei kann er auch als Laie gewisse Probleme (etwa abgestorbene Pflanzenteile, Pilzbefall und Rindenverletzungen) erkennen, um dann gegebenenfalls Fachkräfte hinzuzuziehen.

Pflicht zur Beseitigung von Herbstlaub

Das OLG Schleswig (Urteil v. 8.10.2013, Az. 11 U 16/13) ist der Auffassung, dass es grundsätzlich ausreicht, auch regennasse Gehwege einmal täglich vom Laub zu befreien. In der Regel sei der Verkehrssicherungspflicht damit Genüge getan.

Starker Wind schlägt Eisentor zu: Keine Warnpflicht

Dass ein schweres Eisentor bei kräftigem Wind zufallen kann, begründet keine besondere Warn- oder Hinweispflicht des Eigentümers, stellte das LG Köln (Urteil v. 31.10.2019, Az. 16 O 438/18) fest. Die Gefahrenlage sei offensichtlich und naheliegend gewesen. Die Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers habe auch keine besonderen Schutzmaßnahmen (zum Beispiel einen Türstopper) erfordert.

Dachlawine: Schneefanggitter reicht in der Regel

Ein Autofahrer verlangte von einem Hauseigentümer Schadenersatz, weil eine abgegangene Dachlawine seinen geparkten Pkw beschädigt hat. Ein Schneefanggitter war montiert. Das AG München (Urteil v. 11.3.2014, Az. 274 C 32118/13) ging davon aus, dass ein Hauseigentümer seiner Verkehrssicherungspflicht bezüglich Dachlawinen durch das Anbringen eines Schneefanggitters Genüge tut. Unabhängig von der Neigung des Daches.

Haftung für Schäden durch Dachlawinen bei besonderer Wetterlage

Das LG Bielefeld (Urteil v. 11.3.2011, Az. 8 O 310/10) ist der Auffassung, dass besondere Umstände (wie extreme Wetterlage, Beschaffenheit des Gebäudes, zentrale Lage mit hohem Verkehrsaufkommen) eine Haftung für Schäden durch Dachlawinen begründen können, trotz Schneefanggittern. Die Verkehrssicherungspflicht kann dann die Räumung des Hausdaches von den Schneemassen erforderlich machen und wäre trotz eines erheblichen Aufwands zumutbar.

Dass ein Hauseigentümer Straßenbenutzer bei ungewöhnlich starkem Schneefall vor Dachlawinen warnen muss, meint das LG Magdeburg (Urteil v. 10.11.2010, Az. 5 O 833/10), auch wenn er nicht vor Ort wohnt. Dann muss er entsprechende Vorkehrungen treffen, dass Dritte die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht übernehmen. Mehr

Keine Warnschildpflicht bei Eiszapfen

Das gilt auch für herabfallende Eiszapfen (AG München, Urteil v. 7.3.2008, Az. 222 C 25801/05), wenn ein Schneeschutzgitter angebracht worden ist. Der Hauseigentümer muss auch keine Warnschilder aufstellen, um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, soweit der Geschädigte eine Gefahrenlage selbst hätte erkennen können.

Räum- und Streupflicht bei Beauftragung

Hat der Eigentümer eines Mietshauses einen Dritten damit beauftragt, bei Schnee zu räumen und zu streuen, ist seine Verkehrssicherungspflicht auf Kontrolle und Überwachung reduziert. Der Beauftragte haftet dann direkt gegenüber einem geschädigten Dritten, entschied der BGH (Urteil v. 22.1.2008, Az. VI ZR 126/07).

Räum- und Streupflicht gilt nicht uneingeschränkt

Sind auf einem Grundstück nur vereinzelt Glättestellen vorhanden und erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr fehlen, geht der BGH (Urteil v. 12.6.2012, Az. VI ZR 138/11) nicht von einer allgemeinen Glättebildung aus, die eine besondere Streupflicht begründen könnte. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht stellte das Gericht nicht fest. Mehr

Eigentümer haftet nicht für jede Stolpergefahr

Ein Hauseigentümer haftet nicht für jede "noch so geringe" Bodenunebenheit, entschied das OLG Hamm (Urteil v. 30.10.2012, Az. 24 U 38/12). Zwar muss er damit rechnen, dass sich Passanten bei winterlichen Verhältnisse auf dem Gehweg an seiner Hauswand entlang taste, aber er muss sie nicht vor jeder denkbaren (Stolper-)Gefahr schützen. Das würde unzumutbare Anforderungen an die wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit des verkehrssicherungspflichtigen Eigentümers stellen.

Eis und Schnee auf privaten Schleichwegen

Für einen Privatweg, den Passanten mit Kenntnis des Eigentümers unbefugt als Abkürzung nutzen, gilt nicht dieselbe Verkehrssicherungspflicht wie für einen öffentlichen Weg. Eine Klage des Passanten vor dem OLG Hamm (Urteil v. 16.5.2013, Az. 6 U 178/12) wegen eines nicht von Schnee und Eis geräumten Garagenvorplatzes hatte keinen Erfolg. Der WEG sei keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, entschieden die Richter. Mehr

Räumpflicht nur bis zur Grundstücksgrenze

Ein Vermieter ist aus dem Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zum Mietobjekt zu gewähren. Dazu gehört es auch, die auf dem Grundstück befindlichen Wege von Schnee und Eis frei zu halten. Die gleiche Pflicht trifft den Eigentümer eines Grundstücks auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. Ein Vermieter oder Eigentümer ist aber regelmäßig nicht verpflichtet, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen, entschied der BGH (Urteil v. 21.2.2018, Az. VIII ZR 255/16). Mehr


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