Virtuelle Eigentümerversammlung: Vorteil für Immobilienverwalter
Im Alltag des Immobilienverwalters gestaltet sich die Terminierung von WEG-Versammlungen zunehmend schwierig: Wohnungseigentümer sind oft quer durch Deutschland oder sogar über die ganze Welt verstreut. Und auch wer vor Ort lebt, hat einen vollen Terminkalender. Versuche, dieser Problematik mit möglichst langen Ladefristen entgegenzuwirken, schlagen häufig fehl – im Zweifel finden Eigentümerversammlungen vor leeren Reihen statt.
Was also läge im Zeitalter der Digitalisierung näher, als versammlungsunwillige Eigentümer stattdessen zur virtuellen Konferenz zu laden? Das würde Zeit und Geld sparen. Und auch der Immobilienverwalter ist flexibler, muss nicht mehr zwingend all seine Abende bei Eigentümerversammlungen verbringen. Das könnte die Berufsgruppe auch wieder beliebter machen: In Zeiten des Fachkräftemangels fehlt gerade in WEG-Verwaltungen zunehmend der Nachwuchs.
Wohnungseigentumsgesetz sieht virtuelle Versammlungen nicht vor
"Virtuelle Eigentümerversammlungen hätten riesengroße Vorteile", sagt Bernd Schneider, Geschäftsführer der StadtArt Hausverwaltungs GmbH aus Berlin und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbands der Immobilienverwalter (VDIV) Berlin-Brandenburg. Zunehmend, so berichtet er aus seiner Praxis, fragten auch die Wohnungseigentümer nach solchen Möglichkeiten – etwa, weil sie gerade im Urlaub sind, wenn die WEG-Versammlung stattfindet. "Das ist im Zeitalter der Digitalisierung einfach zeitgemäß", meint Schneider.
Doch das Wohnungseigentumsgesetz sieht virtuelle Versammlungen nicht vor – auch weil es aus dem Jahr 1951 stammt, als eine solche Form noch völlig undenkbar schien. Das Gesetz spricht von "erschienenen stimmberechtigten Eigentümern", was gemeinhin als "körperlich anwesend" übersetzt wird. Auch Telefonkonferenzen hat der Gesetzgeber in früheren Zeiten abgelehnt. Inzwischen gibt es jedoch ganz neue technische Möglichkeiten: Neben herkömmlichen Videokonferenzen gibt es auch moderne Web-Meetings, bei denen sich die Teilnehmer in virtuellen Räumen treffen, in denen auch digitale Dokumente gezeigt und über Chatfunktionen in Echtzeit bearbeitet werden können.
Avatare ersetzen reale Personen
Anstelle der realen Personen bewegen sich dabei sogenannte Avatare im virtuellen Raum. Der Verwalter hat die Möglichkeit, den virtuellen Konferenzraum individuell für die entsprechende WEG vorzubereiten. Er lädt Präsentationen hoch, bereitet Whiteboards und Abstimmungstools vor. Zum verabredeten Zeitpunkt treffen sich dann Verwalter und Eigentümer zur virtuellen WEG-Versammlung.
Dazu muss der Verwalter eine Einladung mit entsprechenden Zugangslinks an die Teilnehmer schicken. Alle Eigentümer sind mit einem Headset ausgestattet und können damit aktiv an Diskussionen und Unterhaltungen teilnehmen. Mithilfe von Abstimmungstools sind geheime oder öffentliche Abstimmungen möglich. Notizen oder Anregungen können – wie bei einem realen Workshop – direkt an einem virtuellen Whiteboard oder an Pinnwänden wie mit Post-its festgehalten werden. Und auch für den informellen Teil jenseits der offiziellen WEG-Versammlung ist in der virtuellen Welt gesorgt: Nach dem Treffen können sich die Eigentümer noch zu einem privaten Austausch virtuell zusammensetzen
Die Gesetzeslage steht den Wünschen vieler Kunden entgegen
Die Haufe Group, die Softwarelösungen für die Immobilienbranche entwickelt, nutze solche Tools bereits intern und in individuellen Kundenprojekten – zum Beispiel für Konferenzen – und arbeite dazu mit ihrem Kooperationspartner TriCat zusammen, erklärt Pia Westerwalbesloh, Produktmanagerin bei der Haufe Group. Auch speziellere Tools für virtuelle Eigentümerversammlungen könnten jederzeit entwickelt werden: "Der Wunsch von Kundenseite ist da, die technische Umsetzung ist überhaupt kein Problem – nur der Gesetzgeber müsste hier endlich Steine aus dem Weg räumen", so Westerwalbesloh.
Aber fehlt bei einer solchen technischen Lösung nicht die zwischenmenschliche Komponente? Das sei tatsächlich der große Nachteil von virtuellen Treffen, meint Verwalter Schneider. Schließlich gehe es in den Eigentümerversammlungen immer wieder um heikle Punkte und um Entscheidungen, die in den Alltag der Bewohner eingreifen und teils mit hohen Investitionen verbunden sind. Ein persönliches Gespräch, bei dem nicht nur der faktische Sachverhalt übertragen wird, sondern auch Körpersprache, Gestik und Mimik, könne Missverständnisse und Konflikte reduzieren.
Nicht zuletzt sei die jährliche Eigentümerversammlung auch für den Verwalter eine Gelegenheit, sich selbst und seine Leistung und Ergebnisse zu präsentieren – auch das funktioniert auf persönlicher Ebene besser. Dennoch überwiegen für Schneider die Vorteile der virtuellen Eigentümerversammlung. Er hofft auf eine Gesetzesänderung – und hat auch schon mit einer Zwischenlösung gearbeitet. Als Ende 2018 eine seiner WEG wegen eines wichtigen Beschlusses kurzfristig eine Versammlung abhalten musste, rief Schneider die Eigentümer via Internet zusammen. In die Einladung fügte er einen Hinweis auf mögliche Anfechtungsrisiken ein. Zur Sicherheit ließ er sich noch vorab Stimmrechtsvollmachten geben, um die Stimmabgabe formal richtig gestalten zu können.
"Die Abstimmung erfolgte einheitlich", berichtet Schneider: "Und alle Eigentümer waren froh, das Thema auf diese Weise so schnell erledigt zu haben – übrigens ohne eine einzige Anfechtung, und sogar mit deutlicher Bereitschaft, sich für kurze Versammlungen zukünftig wieder online einzufinden".
Der Artikel erschien im Magazin "Immobilienwirtschaft", Ausgabe 09/2019.
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