WEG kann Individualanspruch auf Vereinbarung nicht an sich ziehen
Hintergrund: Eigentümer wollen Gemeinschaftsordnung ändern
Mehrere Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft ließen eine Vereinbarung notariell beurkunden, durch die die in der Gemeinschaftsordnung geregelte Kostenverteilung geändert werden sollte. Zuvor hatte das Landgericht in einem Prozess die bestehende Kostenverteilung als unwirksam angesehen.
Mit der beurkundeten Vereinbarung sollten auch die Regelungen der Teilungserklärung zu Sondernutzungsrechten, Instandhaltungspflichten und zur Art der Nutzung des Wohnungs- und Teileigentums sowie die Regelung in der Gemeinschaftsordnung über den Verwalter geändert werden. Die Vereinbarung wurde den übrigen Miteigentümern zur Kenntnis gegeben mit der Aufforderung, ihr in notarieller Form zuzustimmen.
Nachdem nicht alle Eigentümer ihre Zustimmung erteilten, wurde in einer Eigentümerversammlung der Beschluss gefasst, den Verwalter zu beauftragen und zu ermächtigen, außergerichtlich und notfalls gerichtlich im Namen der WEG die noch fehlenden Zustimmungen einzuholen und durchzusetzen.
Ein Eigentümer hat gegen den Beschluss Anfechtungsklage erhoben.
Entscheidung: Keine Beschlusskompetenz
Der angefochtene Beschluss ist nichtig, weil die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer fehlt.
Durch den Beschluss sollte die Ausübung der Individualansprüche der Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG auf Abschluss der Änderungsvereinbarung auf den Verband übertragen werden. Als Kompetenzgrundlage hierfür kommt nur § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG in Betracht. Dessen Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Für den Individualanspruch des Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG kann eine Ausübungsbefugnis des Verbandes nicht begründet werden.
Nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG übt die Gemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt deren gemeinschaftsbezogenen Pflichten wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Diese Regelung bezieht sich nur auf Rechte und Pflichten aus der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, nicht aber auf das Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedschaftsrechte.
§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gibt hingegen dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Änderung der Grundlagenvereinbarung der Wohnungseigentümergemeinschaft, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unbillig erscheint. Dieser Änderungsanspruch bezieht sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum und dessen Verwaltung, sondern ausschließlich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses. Er ist damit schon seiner Art nach von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG nicht erfasst.
Zudem betrifft § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer, der der Vergemeinschaftung von vornherein entzogen ist. Zweck der Regelung ist die Beseitigung unbilliger Härten, die einem Wohnungseigentümer bei einem Festhalten an der bisherigen Regelung entstünden. Folglich dient der Änderungsanspruch gerade dem individuellen Schutz des Einzelnen. Dieses individualschützende Recht würde zur Disposition der Mehrheit gestellt, wenn die Wohnungseigentümer den Änderungsanspruch des Einzelnen dem Verband zur Ausübung übertragen könnten. Denn ein auf dieser Grundlage gefasster Übertragungsbeschluss hätte zur Folge, dass der einzelne Wohnungseigentümer seinen Anspruch nicht mehr selbst geltend machen könnte.
Der Schutzzweck von § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG erfordert es aber, dass der einzelne Wohnungseigentümer selbst darüber entscheiden kann, ob und mit welchem Inhalt er seinen Anspruch auf Änderung einer für ihn unbilligen Regelung Gemeinschaftsordnung geltend macht.
(BGH, Urteil v. 13.10.2017, V ZR 305/16)
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