Warme Worte, warm anziehen
Dass der "Tag der Immobilienwirtschaft" (TDI) des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) eine High-Profile-Veranstaltung ist, hat man bereits am Dresscode gemerkt. War an der Expo Real die Dichte der weißen Sneaker auffällig, hat man sie in Berlin nur ganz vereinzelt gesehen. Lederschuhe waren angesagt, dazu der feine Zwirn – selbst bei 28 Grad Hitze schien unausgesprochen die Sakko-Pflicht zu gelten. Der TDI war ganz auf die politische Elite Berlins ausgerichtet: So waren zum Beispiel Bauministerin Klara Geywitz und Finanzminister Christian Lindner zu Gast. Und die haben die Immobilienwirtschaft auf die aktuellen Herausforderungen eingeschworen.
Es verknappt an allen Ecken
Auch wenn Geywitz dieses Mal noch sehr euphorisch begrüßt wurde mit den Worten "Eine ganze Branche hat sich Jahrzehnte lang gewünscht, dass es Sie gibt" – mit bloßer Anwesenheit allein wird die SPD-Politikerin im Amt auf Dauer nicht glänzen können. Sie hat die schwierige Aufgabe, drängende Fragen der Knappheit zu lösen. Knappheit des Wohnraums, Knappheit der Baumaterialien, Knappheit der staatlichen Fördergeld – nun, die Liste ließe sich endlos fortführen.
Die Bauministerin hält hartnäckig an ihrem Ziel fest, 400.000 Wohnungen bauen zu wollen – und sie treibt die Immobilienwirtschaft an, dass ja wohl zu schaffen sei, was zu schaffen sein muss!
Im Publikum zustimmendes Nicken, doch im direkten Gespräch merkte man den Anwesenden dann eine gewisse Ratlosigkeit an. Woher die Materialien nehmen? Wie lassen sich die bürokratischen Hürden überwinden? Also, in diesem Punkt hatte Geywitz dann doch wieder eine Antwort parat: Die serielle Bauweise soll gestärkt werden, dafür müsse es dann länderübergreifende, einheitliche Standards geben.
Raus aus dem Ohrensessel für einen neuen Gründergeist
ZIA-Präsident Andreas Mattner schlug in seiner Eröffnungsrede ähnliche Töne an wie Geywitz. Er ermahnte die Branche, dass sie endlich rauskommen solle aus ihrem "Ohrensessel". "Wir brauchen einen neuen Gründergeist, um den Krisen zu begegnen", sagte Mattner.
Ob er damit die CEOs aus der Generation der Babyboomer meinte oder seine ganze Hoffnung auf den "jungen Wilden" aus der PropTech-Szene liegt – das ließ er offen.
Immerhin wurde am TDI 2022 zum ersten Mal der "PropTech of the Year"-Award verliehen. Gewonnen hat Ecoworks, ein PropTech, das die energetische Sanierung durch Digitalisierung und modulare Bauweise vorantreibt. Man könnte diese Preisverleihung schon fast als Sinnbild für die Branche verstehen: Die junge Generation muss wohl den Bestand fit machen für die Zukunft mit all ihren Unwägbarkeiten.
Bekämpfung der Energiekrise und der Inflation haben oberste Priorität
Finanzminister Lindner ist ein alter Hase auf dem Parkett des TDI und wurde entsprechend freundschaftlich begrüßt. Auch wenn er vom ZIA für seine "klaren Ansagen" gelobt wurde, hatte er doch auch die Botschaft im Gepäck, dass sich die Immobilienwirtschaft "warm anziehen" müsse.
Wärme ist überhaupt das Stichwort: Besonders die Warmmiete der Mieterinnen und Mieter ist ein Sorgenkind des Ministers. Bei den aktuell explodierenden Energiekosten müssten dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Verbraucher zu entlasten. Das soll unter anderem über die Energiequellen geschehen. Laut Lindner dürfen wir da nicht wählerisch sein. Er schloss dann auch die Weiternutzung der Kernkraftwerke nicht kategorisch aus.
Für die Probleme am Wohnungsmarkt hat Lindner eine – vermeintlich – einfache wirtschaftliche Lösung: Das Angebot müsse der hohen Nachfrage angepasst werden, damit sich der Markt von selbst reguliere. Der Gruß geht an Frau Geywitz und ihr ambitioniertes Ziel der 400.000 Wohnungen pro Jahr.
Fördergeld: Die Immobilienwirtschaft soll den Gürtel enger schnallen?
Anlass zum Optimismus gab es am Ende nicht wirklich beim Tag der Immobilienwirtschaft. Lindner sprach aus, was viele befürchtet hatten: Wir sind in einer Wirtschaftskrise. Präsens. Der Staat muss jetzt gut haushalten und sinnvoll investieren. Das Gleiche erwartet der Minister auch von der Immobilienwirtschaft und stellte in Aussicht, dass es von seiner Seite aus keine unbegrenzten Förderpakete mehr geben werde. Erstaunlicherweise erntete er für diese Aussagen sogar vereinzelt Applaus aus dem Publikum.
Vielleicht war der Applaus trotziger Optimismus à la "Wir werden es schon schaffen". Trotz aller düsteren Prognosen ließen sich die Anwesenden die Stimmung dann auch nicht nicht verderben. Der TDI war schlussendlich eine Art Klassentreffen der Branche, die nach der Pandemie langsam zu regelmäßigen Treffen in Präsenz zurückkehrt.
Bleibt zu hoffen, dass sich beim Get-Together in der Berliner Abendsonne besonders gut Pläne für eine nicht ganz so rosige Zukunft haben schmieden lassen …
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