Tag der Immobilienwirtschaft: Der ZIA-Präsident tanzte nicht

Der Immobilienbranche wird von außen eine Diskussion um ihre gesellschaftliche Verantwortung aufgedrängt. Der kann sie sich kaum noch entziehen. Einige Unternehmen gehen voran. Was sonst noch war? Andreas Mattner sollte mit der Bauministerin tanzen. Aber dazu kam es nicht. Wir kennen die Gründe.

Die Schlange war lang vor den Türen des Friedrichstadt-Palastes. Und als das Gerücht die Runde machte, von den 2.500 geladenen Gästen könnten aus Sicherheitsgründen nur 2.000 hinein (stellte sich im Nachhinein als falsch heraus), schlüpften viele Teilnehmer bei einem Bekannten aus der Branche unter, der in der Schlange weiter vorne stand. Gute Strategie: Bekannte gibt es viele. Und so konnten alle teilnehmen.

Mittags erwischte ich nur noch einen veganen Blumenkohlteller. War ganz gut. ZIA trifft Zeitgeist. Grüne Themen, viele Frauen auf der Bühne. Ach ja, die Bühne: Gefühlt 50 Prozent der Rednerinnen und Redner schilderten ihre Träume, dass sie schon als Kind im Palast mal dort stehen wollten. Dieser Traum gehe nun in Erfüllung. Danke, ZIA!

Da meinte die Moderatorin im Überschwang, die Bauministerin solle doch mit dem ZIA-Präsidenten tanzen. Aber die wollte nicht. Er auch nicht. Er schützte Hüftsteifheit vor. Der wahre Grund dürfte ein anderer sein. Was ich sonst noch mitnehme:

1. Die Staatsquote beim Bauen ist zu hoch

ZIA-Präsident Mattner beeindruckte mit einem Chart, das zeigte, dass der Staat über Kosten, Gebühren und Steuern regelmäßig für 37 Prozent der Baukosten verantwortlich ist. Er brachte eine konzertierte Aktion ins Gespräch zwischen Bund, Ländern, Kommunen, der Immobilien- und Baubranche, um diese Kosten zu senken. 37 Prozent Kosten, von denen der Staat, wenn es gut läuft, wieder ein paar Prozent über Förderungen abgibt.

Aber es läuft ja gerade nicht so gut. Bei all dem sagen Sie mir: Warum hätte er tanzen sollen?

2. Gedenken an Gorbatschow

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Dieses Zitat schwang mit, als Nikolaus Samios (PropTech1 Ventures) meinte: "Die Transformation kommt in jedem Fall. Der, der vorne mit dabei ist, wird überleben. Oder es zumindest künftig deutlich besser haben."

Schon dafür hat sich die Teilnahme gelohnt.

3. Serielles Bauen ist der Wahn

Es ist absolut salonfähig geworden. Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich damit. Auch solche, von denen es selbst der Moderator nicht dachte (etwa die Zech Group). Der Gewinner des PropTech-Awards, die Gropyus AG befasst sich auch damit. Der Wunsch kam auf nach einer seriellen Typengenehmigung, die bundesweite Gültigkeit hat. Oppositionsführer Friedrich Merz will das Thema ins CDU-Grundsatzprogramm aufnehmen. Kommunikation ist auch hier alles: Man kann doch sagen, dass auch beim seriellen Bauen der Standard oft erst hinter der Fassade beginnt. Die kann durchaus individuell sein.

Aber das alles weiß niemand – erzählt mehr Geschichten!

4. Die Sache mit der Tiefgarage

Bundesbauministerin Klara Geywitz nannte ein Beispiel, das deutlich machte, wie die laut Satzung erforderliche Tiefgarage den sozialen Wohnungsbau verteuert.

Fixe Stellplatzquoten in Stellplatzsatzungen sollten der Vergangenheit angehören und haben im sozialen Wohnungsbau nichts zu suchen.

5. Nachhaltige Welt – geht es weniger anstrengend?

Das ist doch der Punkt – von Maja Göpel (Uni Lüneburg) und Christine Lemaitre (DGNB) aufs Tapet gebracht. Die Wohnfläche wächst seit vielen Jahren. Das ist nicht nachhaltig. Bisher traute sich nur niemand, dies auch zu sagen. Göpel hat da keine Probleme, sie ist branchenfremd. Es geht auch um Teilhabe und Eigenart (etwa um nicht uniforme Städte).

Das erinnert stark an die Idee des Neuen Europäischen Bauhauses. Ach ja, und: Ökologische Kriterien sind wichtig, um soziale Fragen zu beantworten.

Christine Lemaitre, mit der die Immobilienbranche lange fremdelte ("Wenn es um Nachhaltigkeit geht, schicken Architekturbüros ihren CEO, Unternehmen der Immobilienbranche den Nachhaltigkeitsmanager"), bekam den ersten Zwischenapplaus für die lapidare Bemerkung: "Die Zeit des 'Weiter so' ist vorbei!" Die Branche fängt an, dich zu mögen, Christine, es ändert sich gerade alles.

6. Und da ist ja noch … die GEG-Novelle

Es sei ja in Ordnung, die Wärmeversorgung im Gebäudebestand zu dekarbonisieren. Aber es sei eine schlechte Strategie, so wie Robert Habeck das wolle, die Energieeffizienz im Gebäudebestand insgesamt zu heben, meinte Geywitz: "Ich sehe nicht, wie man das schaffen kann." (!)

Und Bundesjustizminister Marco Buschmann meinte lapidar: "Das neue Gebäudeenergiegesetz wird so nicht kommen."

Mein Fazit vom Tag der Immobilienwirtschaft

Ich habe bisher das Gros der Immobilienbranche so eingeschätzt, dass sie rein renditeorientiert handelt. Altruistisch ist sie nicht. Kann sie wahrscheinlich auch nicht sein.

Ein Gebäude zu bauen, das über den Lebenszyklus betrachtet weniger kostet, tut dem Investor – nicht nur dem privaten – im Moment besonders weh. Und doch zeigt diese Veranstaltung, dass es auch jenseits aller Taxonomiediskussionen eine Bewegung innerhalb der Immobilienszene gibt, die sich gesellschaftliche Verantwortung auf die Fahnen geschrieben hat. Und die dafür auch auf Rendite verzichtet. Ich lerne gerade. Die Branche ist tatsächlich im Wandel.


Das könnte Sie auch interessieren:

Serielles Bauen: Immobilienbranche fordert fixe Quote

Streit um Heizungsgesetz: Das meint die Immobilienbranche


Schlagworte zum Thema:  Immobilienwirtschaft