Gaskrise: "Die kommenden Monate werden hart"
Dr. Patrick Graichen ist als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zuständig für Energiefragen. Im Rahmen eines Energietage-Specials der Reihe "Orientierungswissen Energiekrise" gab er Veranstalter Jürgen Pöschk eine Übersicht der Initiativen der Bundesregierung, um die Energiekrise zu bewältigen. Grundsätzlich verfolge die Bundesregierung eine Dreifachstrategie: Ersatzbeschaffung, Substitution und Einsparen von Gas. Alle drei seien bereits in vollem Gange, es bedürfe aber weiterer großer Anstrengungen.
Ersatzbeschaffung ja, aber ums Sparen kommen wir nicht herum
Mit den schwimmenden LNG-Terminals, die teils noch bis Ende des Jahres an den Start gehen sollen, sei die Bundesregierung bereits stark im Bereich Ersatzbeschaffung von Gas aktiv. Und auch die Substituierung durch Kohle, Öl und Strom seien Möglichkeiten, um von Gas als Energieträger wegzukommen. Im Bereich der privaten Haushalte komme hier der Wärmepumpe große Bedeutung zu, die im besten Fall mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werde. Doch trotz dieser Maßnahmen sei das Einsparen ein weiterer wichtiger Bestandteil, der eine gemeinsame Anstrengung für alle darstellen werde.
Atomkraft könnte nächstes Jahr wieder auf die Agenda kommen
Auch wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) gerade erst ausgeschlossen hat, dass die Laufzeit von Atomkraftwerken verlängert wird, ist für Graichen das Thema noch nicht ganz abgeschlossen: Atomkraft könnte gegen Anfang des kommenden Jahres noch einmal wichtig werden, falls keine Netzstabilität vorhanden wäre. Sie sei jedoch getrennt von der Gasbeschaffung zu sehen, weil diese das Stromnetz betreffe. Die Potenziale für eine Gassubstitution durch einen diskutierten dreimonatigen Streckbetrieb der drei verbliebenen AKW werden als gering eingeschätzt. Ein Streckbetrieb würde bedeuten, dass die Brennstäbe über ihr natürliches Zyklusende hinaus genutzt werden, um weiter Energie zu gewinnen.
Was passiert, wenn die Gaseinsparung nicht erreicht wird?
In Deutschland gibt es sogenannte geschützte Kunden, die selbst im Fall einer Notsituation bis zum Schluss mit Gas versorgt werden sollten. Das sieht der Notfallplan Gas vor. Zu den geschützten Gruppen zählen etwa Krankenhäuser, Schulen, Fernwärmeanlagen und Privathaushalte. "Aber innerhalb dieses geschützten Bereichs muss man schauen, was Luxus ist", sagte Graichen. In diesem Zusammenhang gelte zum Beispiel auch die Maximaltemperatur von 19 Grad Celsius in öffentlichen Gebäuden. "Wenn wir in eine Gasmangellage kommen, gehört auch die Frage, ob wir diese Regelung allgemein für Arbeitsstätten und Büros in Deutschland festlegen können, auf den Tisch". Ein volkswirtschaftlicher Schaden und der Verlust von Arbeitsplätzen müsse verhindert werden. "Die kommenden 18 bis 24 Monate werden hart", betonte der Staatssekretär.
Langfristiger Effekt: Weniger Ausstoß von CO2?
Bei all den Herausforderungen ist Graichen jedoch überzeugt: "Die Energiekrise ist ein Booster für die Energiewende und dadurch den Klimaschutz". Bei den aktuellen Preisen werde grüner Wasserstoff seiner Meinung nach konkurrenzfähig. Projekte in diesem Bereich würden vorangetrieben und auch am stärkeren Einsatz von heimischem Biogas, der zwar nicht völlig emissionsfrei, aber nahezu CO2-neutral ist, werde von Seiten der Regierung im Rahmen einer Novelle des Energiesicherungsgesetzes gefeilt.
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