3 Fragen an Tobias Nöfer

Wenn das Klima zu Extremen neigt, muss Technik für Kontinuität sorgen, meint Tobias Nöfer, Chef des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg. 3 Fragen zur überforderten Kanalisation, riesigen Underground-Zisternen und warum es nicht reicht, bei Starkregen auf dem Berg zu wohnen.

Herr Nöfer, welche Rolle spielt das Thema Hochwasserschutz bei der Planung eines Projekts wie dem "Pankower Tor" in Berlin und hätte es die gleiche Rolle auch vor 20 Jahren gespielt?

Tobias Nöfer: Die Situation hat sich verschärft, sodass sich bei den Kommunen, die die Bauleitplanung führen, die Einsicht breitgemacht hat, dass man anders handeln muss als früher. Wir müssen uns um die Frage kümmern, wo wir das Wasser lassen. Lassen wir es weiter in die Kanalisation fließen oder versuchen wir, es vor Ort in den Boden einzubringen, um Rückhaltung zu betreiben, um zu verhindern, dass wir Überschwemmungen bekommen?

Das ist ein Thema – das sehen wir jetzt ganz akut in Polen oder in Tschechien –, das eine sehr große Rolle spielt. Es wird hier und da eine noch stärkere Rolle spielen, denn Experten sagen, dass wir neben Starkregenereignissen auch Dürreperioden bekommen.

Dieser Wechsel, dieses Kontinuum einer Wasserversorgung, das ließ sich bisher in vielen Bereichen sehr gut bewältigen. Aber jetzt geraten unsere Systeme aus ihren Fugen, wenn wir verstärkte Starkregenereignisse haben. Diese Einsichten sind da. Wir wissen, dass das ein Problem ist und dass wir es bewältigen müssen.

Das findet Eingang in die Quartiersentwicklung, zum Beispiel am "Pankower Tor". Das ist eine Entwicklung mit ungefähr 2.000 Wohnungen und 60.000 Quadratmetern Gewerbe auf einem großen ehemaligen Bahngelände – da muss man sich Gedanken machen, wie man das technisch hinkriegt, dass kein Tropfen Regenwasser das Grundstück verlässt. Das war die Aufgabe. Und da gibt es verschiedene Techniken, die man anwenden muss, die einmal die Landschaftsgestaltung betreffen, aber eben auch die Gebäude selbst.

"Das Klima neigt zu Extremen, die Technik sorgt für Kontinuität"

Es wird immer auch Becken brauchen, die Wasser speichern und es langsam wieder abgeben. Wie kann man sich das vorstellen: Ein riesiges Becken im Quartier, mehrere Becken, alles unterirdisch?

Es gibt tausende von Lösungen dafür. Je nach Aufgabe kann man sich Zisternen auf der Dachebene vorstellen. Man kann sich auch Zisternen, also Auffangbecken oder Tanks, in den Kellerräumen vorstellen. Und es gibt natürlich auch im Freiraum große Tanks, die man dort vergräbt und die Regenwasser aufnehmen, bis hin zu riesigen Becken.

In Berlin ist gerade eins fertiggestellt worden, was bei Starkregenereignissen extrem viel Wasser aufnimmt. Ich kann nicht genau sagen, welcher Durchmesser. Vielleicht 50 Meter, ein riesiges Becken. Es sorgt dafür, dass vor allem die Kanalisation nicht in die Spree überläuft. Das hat noch einen anderen Hintergrund, aber das gibt es von ganz klein bis ganz riesig.

Das Ziel ist immer dasselbe: Wasser speichern, um es später wieder abzugeben – also das Gegenteil zu tun vom Klima. Das Klima neigt zu Extremen und Sie müssen mit der Technik versuchen, eine Kontinuität wiederherzustellen.

Ist es richtig, dass Hochwasserschutz nicht nur ein Thema für den Neubau ist, sondern dass man auch Quartiere umgestalten und Hochwasserschutz nachträglich dort installieren kann?

Ich würde unterscheiden wollen zwischen Hochwasserschutz und Wassermanagement. (…) Wenn es kein Wassermanagement gibt, dann kann es schon mal zu Stauwasser führen, zu Straßenüberflutungen, aber Hochwasserschutz ist nochmal etwas anderes. Es ist etwas anderes, wenn ich eine Elbe habe, die überläuft – dann muss ich in der Tiefgarage richtige Toranlagen bauen, damit die nicht geflutet wird. Das ist richtiger Hochwasserschutz, aber Wassermanagement, das ist das ganz normale Arbeiten, was wir wirklich überall brauchen.

Etwa in Städten, die starke Gefälle haben. Man könnte ja sagen, "Gut, ich habe damit nichts zu tun, denn ich wohne auf dem Berg." Aber dann läuft das Wasser ins Tal und das in Mengen. Das müssen wir verhindern, im Grunde flächendeckend.

Jeder Grundstückseigentümer, wenn er denn einen Funken Gemeinsinn hat, sollte dafür sorgen, dass er möglichst wenig Wasser in die Kanalisation einleitet. Wir müssen entsiegeln. Wir müssen das Wasser in den Boden einbringen, so wie es schon seit Jahrmillionen ist. Unser ganzes Ökosystem funktioniert so. Diese Versiegelung, diese großflächigen Bodenverschlüsse, die sind nicht gesund. Das sehen wir jetzt langsam ein, und zwar in vielerlei Hinsicht.


Schlagworte zum Thema:  Immobilien-Podcast, Hochwasser