Corona bremst die Wohnungswirtschaft weiter aus
Rund 140 Millionen Euro – etwa zehn Prozent aller für 2020 geplanten Investitionen in den Neubau, die Instandhaltung und die Modernisierung von Wohnungen – wurden wegen der Corona-Pandemie nicht investiert. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) unter seinen Mitgliedern.
Fast alle der im Oktober und November befragten 119 Wohnungsgenossenschaften und sozial orientierten Unternehmen gehen davon aus, dass ihr Geschäftsbetrieb auch im kommenden Jahr deutlich beeinträchtigt sein wird. Etwa jedes zweite Unternehmen (42 Prozent) erwartet, dass sich Bauvorhaben weiter verzögern: um bis zu drei Monate, meinen 70 Prozent; ein Fünftel (20 Prozent) fürchtet gar Verzögerungen von mehr als fünf Monaten. Mehr als jedes zehnte (13 Prozent) Unternehmen wird 2021 insbesondere Modernisierungen und Instandhaltungen zurückhalten.
Verzögerte Arbeit der Behörden bremst Baubetrieb
Dabei beklagen rund zwei Drittel der Betriebe, dass die Prozesse bereits auf kommunaler Ebene gebremst werden – bei der Schaffung von Baurecht, der Erteilung von Baugenehmigungen oder bei Bauabnahmen. Und die Sorge der Wohnungswirtschaft ist groß, dass die kommunalen Behörden infolge der Corona-Pandemie noch weiter gebremst werden. 59 Prozent der im Herbst Befragten befürchten eine Zunahme; im Frühsommer waren es noch 39 Prozent.
Auch die Sorge vor einer Störung der Lieferketten ist größer geworden. Knapp die Hälfte (49 Prozent) der Befragten erwartet entsprechende Probleme auch noch im kommenden Jahr, nach 43 Prozent bei einer Umfrage im Frühsommer. Das wird sich auf die Baustellen auswirken. Als besonders problematisch werden die Einhaltung von Corona-bedingten Sicherheitsregeln und behördlichen Vorgaben sowie die erschwerte Koordination der Gewerke empfunden.
"Ich halte es für notwendig, angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie inne zu halten und der Wohnungswirtschaft zumindest bis zum Ende der Pandemie keine weiteren Belastungen aufzuerlegen", mahnte VNW-Chef Andreas Breitner.
Die Krise schlägt auf den Wohnungsbau durch
Bei einer aktuellen Umfrage des Landesverbands Nord des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) sagten 73 Prozent der Projektentwickler und Bauträger, dass die Planung und Genehmigung neuer Wohnprojekte und die Organisation der Baustellen erheblich beeinträchtigt sind. Ein Drittel (33 Prozent) sagte, dass Corona-bedingt Subunternehmer auf den Baustellen wegblieben. Ein Viertel hat damit zu kämpfen, dass die eigenen Mitarbeiter ausfallen. Für 14 Prozent ist die Einhaltung der Sicherheit auf den Baustellen eine Herausforderung.
Dennoch liefen der Umfrage zufolge die meisten Bauvorhaben in diesem Jahr trotz der Corona-Pandemie noch weiter – wenn auch mit Verzögerungen. 77 Prozent der Unternehmen gehen hier davon aus, dass sie alle für 2020 geplanten Bauvorhaben tatsächlich realisieren können. Der Blick in die Zukunft ist allerdings düsterer: 81 Prozent der Bauträger und Projektentwickler fürchten, dass sich die Verzögerungen auf kommunaler Ebene verschlechtern werden. 35 Prozent von ihnen beklagen Verzögerungen in der Planrechtschaffung, ebenfalls 35 Prozent mussten länger auf die Erteilung von Baugenehmigungen warten. Auch die Bauleitplanungen und behördliche Abnahmen dauern momentan deutlich länger. Rund zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten rechnen für 2021 weiterhin mit administrativen Verzögerungen.
Probleme auch bei der Finanzierung
Entsprechend haben 48 Prozent der Projektentwickler und Bauträger weniger Baugenehmigungen erhalten, als sie ursprünglich für 2020 angestrebt hatten. 75 Prozent der Unternehmen mussten Baubeginne verschieben – mehr als ein Viertel davon (27 Prozent) sogar um mehr als fünf Monate. Außerdem gehen 57 Prozent der Bauträger und Projektentwickler davon aus, dass viele Baubeginne, die sie für 2021 geplant hatten, nach hinten rücken werden.
Dazu kommt, dass sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtert haben. Dies empfinden 87 Prozent der Unternehmen so. 40 Prozent davon sagen, dass die Banken mehr Zeit bräuchten, um Finanzierungsanfragen zu beantworten. 30 Prozent geben an, dass sich die Anforderungen an die Sicherheiten erhöht hätten. 27 Prozent mussten die Erfahrung machen, dass Kreditzusagen zurückgezogen wurden.
"Es zeichnet sich ab, dass wir in den kommenden Jahren mit deutlichen Rückgängen bei den Fertigstellungszahlen rechnen müssen", kommentiert Sönke Struck, Vorstandsvorsitzender des BFW Landesverbands Nord, die Umfrageergebnisse.
Der Wohnungsmarkt ist zu analog
Die Corona-Krise hat nicht nur bei den liegengebliebenen Baugenehmigungen deutlich gemacht, dass der Wohnungsmarkt zu analog ist. Ein Bündnis aus Verbänden und Immobilienunternehmen forderte bereits im Frühsommer in einem Positionspapier Lösungen für eine digitalere Zukunft von der Bundesregierung. "Politik und Verwaltung müssen die rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen schaffen, um die bislang verpasste Digitalisierung aufzuholen", heißt es da – bei den Baugenehmigungen angefangen, über die Einsicht in Grundbuchunterlagen oder die Präsenzpflicht bei notariellen Beurkundungen bis hin zu den Eigentümerversammlungen müssten alte Regeln überholt werden.
Der Initiative gehören bisher der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), der Bundesverband für die Immobilienwirtschaft (BVFI), der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), der Verband der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV), die Makler- und Vermarktungsplattformen ImmoScout24, Immowelt sowie Ebay Kleinanzeigen, der Immobilien-Softwareentwickler Flowfact und der gewerbliche Immobilienprüfer Sprengnetter an.
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