Die Welt nach Covid 19 ist komplexer denn je. Wie so oft bei Krisen hat auch die Coronakrise einen Schub für Innovationen ausgelöst und den Übergang in eine digitalere Zukunft beschleunigt. In vielen Branchen haben Startups mit digitalen Lösungen Disruptionen angestoßen. Manche mit großen Hoffnungen gestartete PropTechs geraten jetzt aber unter Druck, denn das Risikokapital fließt nicht mehr so üppig.
Mit Ausbruch des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise sowie dem Anstieg der Zinsen infolge der Inflation haben sich die Rahmenbedingungen auf den Kapitalmärkten grundlegend geändert. Institutionelle Anleger steuern ihr Kapital wieder vermehrt in festverzinsliche Anlagen; die Angst vor einer tiefgreifenden Rezession aufgrund hoher Energiekosten geht um. Die Bewertungen von Tech-Unternehmen sind in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen und in den USA wurden in der sonst erfolgsverwöhnten Tech-Branche laut Branchendienst Techcrunch seit Jahresbeginn 93.000 Mitarbeiter entlassen.
Rückgang der Investitionen?
Risikokapitalinvestoren, die in deutsche PropTechs investiert haben, konnten bisher eigentlich entspannt bleiben, da die Geschäfte gut laufen und das Interesse seit der Coronakrise gestiegen ist. Der allgemeine Bewertungsrückgang, den der Technologiesektor weltweit verzeichnet hat, macht aber leider auch vor deutschen PropTechs nicht halt. Investoren nehmen eine vorsichtigere Haltung ein und wollen einen klaren Weg zu Gewinnen sehen. Und so gehen auch etliche PropTech-CEOs von einem Rückgang ausländischer Investitionen bis hin zu einer Zunahme der Fusions- und Übernahmeaktivitäten innerhalb der Branche aus.
Die PropTechs selbst sind längst ihrer Nische entwachsen. Im Jahr 2021 sammelten die Unternehmen mit Fokus auf die Immobilienbranche so viel Geld ein wie nie zuvor. Und die Aussichten auf ein neues Rekordjahr 2022 sind – trotz der Krisen – gut, sagt Lukas Linn, Scouting & Investment Manager von Blackprintpartners.
Deutschland: 10-Punkte-Startup-Strategie nur erster Schritt
Was PropTechs an US-Investorengeldern einbüßen könnten, sollte versucht werden, national wettzumachen – durch staatliche Mittel und inländische Investoren. Für Letzteres sind die Voraussetzungen ganz gut, weil die Bundesregierung endlich einen Schritt in die richtige Richtung getan hat und in einem 34 Seiten langen Papier eine zehn Punkte umfassende neue Startup-Strategie dargelegt hat. Ziel: die Verbesserung der Gründerbedingungen. Das war längst überfällig!
Die vorgeschlagene Stärkung hat in zweifacher Hinsicht Signalwirkung: Zum einen würde das höhere Volumen an Wagniskapital die Disruption fördern und den Druck auf etablierte Branchenplayer erhöhen, sich zukunftsfähig aufzustellen. Zum anderen könnten institutionelle Investoren endlich, wie in angelsächsischen Ländern und Skandinavien, über Wagniskapital in Startups investieren. Bislang war ihnen das verboten.
Doch die Zeit drängt. Der Immobiliensektor rückt immer mehr in den Fokus der Klimabestrebungen der Politik. Und für das Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor ist die Digitalisierung unerlässlich, denn nur so lassen sich die benötigten Daten erfassen und auswerten, auf deren Basis Emissionen erfasst, Ziele heruntergebrochen, Maßnahmen festgelegt, Investitionen entschieden, Fördermittel beantragt und Erfolge gemessen und berichtet werden können. PropTechs liefern dafür wichtige Lösungen und Impulse, um die Herausforderungen bei Beschaffung, Übermittlung und Analyse der Daten zu meistern.
Fördertöpfe für die PropTech-Branche?
Die gute Nachricht für Investoren: Deutsche PropTechs haben alle Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein. Sie verfügen über Erfindergeist, Organisationstalent und strategisches Denken und agieren in einem großen, wirtschaftlich soliden, breit gefächerten Immobilienmarkt mit zahlreichen mittelständischen Anbietern, Großunternehmen, kommunalen Anbietern und internationalen Investoren. Proptechs könnten viel leisten, um das Innovationsklima in der so wichtigen, aber oft schwer beweglichen Immobilienbranche voranzubringen.
Es gibt eine spannende Gründerszene, mutige Köpfe, vielversprechende Startups, es fehlt Kapital, um neue Ideen weiterhin ausreichend zu finanzieren. Das sollte nicht nur die Immobilienbranche, sondern auch die Bundesregierung erkennen und die Proptechs stärker fördern mit Zuschüssen, Startup-Programmen und Verbesserung der Rahmenbedingungen für Gründer und junge Unternehmen, damit dieser Zug nicht steckenbleibt.
Die Digitalisierung ist eine unerlässliche Voraussetzung im Gebäudesektor für einen erfolgreichen Kampf gegen die Erderwärmung. Hier kann die Bundesregierung zielgerichtet Mittel einsetzen, die Deutschlands Innovationskraft stärken, attraktive Arbeitsplätze schaffen und helfen, die Klimaziele zu erreichen. Ist da nicht für alle Parteien des Regierungsbündnisses etwas drin?