Das neue "Normal": Mitarbeiter organisieren sich selbst


Corona-Folgen: Mehr Mitarbeiter organisieren sich selbst

Der Wandel in der Wohnungswirtschaft hat begonnen: Im Zuge der Coronakrise mussten viele Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen beziehungsweise sich selbst organisieren. Für eine Vielzahl von Unternehmen war das eine positive Erfahrung. Wie profitieren wir nach der Krise davon? 

Die äußerlich sichtbaren Corona-Folgen für Wohnungsunternehmen halten sich bisher in Grenzen. Laut einer Umfrage unter knapp 900 Vermietern in Hamburg unter anderem durch BFW, ivd und VNW traten bislang bei weniger als einem Prozent der Wohnraummietverhältnisse Zahlungsschwierigkeiten auf.

Viel gelernt durch die internen Herausforderungen

Die Herausforderungen gab es eher bei den Prozessen: Mitarbeiter im Homeoffice arbeitsfähig machen, Zugriff zu Daten und Systemen einrichten, Kommunikationswege mit den Mietern schaffen, Abwicklung von Reparaturen und Bauvorhaben am Laufen halten, Mieterwechsel ermöglichen. Die Optionen und die Erfahrungen waren dabei sehr unterschiedlich, je nachdem, wie die Ausstattung und Ausgestaltung von Systemen und Prozessen aussah.

Während die einen unvermindert Zugriff auf Systeme und Daten in der Cloud oder im Rechenzentrum hatten, nahmen andere Ordner mit nach Hause und veranlassten Notbesetzungen in den Büros. Engagierte Mitarbeiter, Improvisations- und Organisationstalent, Vertrauen und neue Technologien haben vieles möglich gemacht, was vorher undenkbar war. Viele Prozesse klappen mittlerweile virtuell so gut, dass sich Unternehmen jetzt fragen, welche sie für die Zeit nach der Krise übernehmen wollen.

Die Zukunft bleibt virtuell

Wahrscheinlich wird es alles in allem kontaktärmer: So haben einige Unternehmen bei der Mieterkommunikation gute Erfahrungen gemacht mit Portalen, E-Mail, Bots oder textbasierten Dialogsystemen, die das Chatten mit einem technischen System erlauben. Die Programme erkennen die Bedürfnisse der Mieter und leiten sie an eine zuständige Stelle weiter. Sie geben so dem einzelnen Sachbearbeiter mehr Raum für andere Tätigkeiten.

Immer wieder wurde zu Corona-Zeiten an Wohnungsunternehmen der Wunsch von Mietern weitergeleitet, das Ablesen der Verbrauchsdaten in den Wohnungen möglichst kontaktlos zu bewerkstelligen. Da ist er also, dieser Corona-bedingte Wunsch nach digitalen Workflows, der vom Kunden kommt.

Der digitale Transformationsprozess ist akzeptiert

Die Voraussetzungen für den digitalen Transformationsprozess sind in der Wohnungswirtschaft aktuell optimal. Es werden immer mehr Gegebenheiten geschaffen, die mehr Digitalisierung möglich machen.

Das Hamburger Startup Immomio zum Beispiel präsentierte jüngst eine digitale Mietvertragssignatur, die auch Gerichtsverfahren standhalten soll. Und laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey sind 38 Prozent der Befragten aus der Wohnungswirtschaft der Meinung, dass die digitale Transformation in den einzelnen Unternehmen wichtiger geworden sei. Das ist jetzt nicht wirklich überraschend, aber damit immerhin belegt.

Selbstorganisation der Mitarbeiter stärken

Aber noch etwas wird in der Krise wichtiger, und das hat nur mittelbar mit Digitalem zu tun: die Möglichkeit zur Selbstorganisation der Mitarbeiter. Haufe hat Ende April 1.600 Arbeitnehmer und Führungskräfte in Unternehmen verschiedener Branchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt, wie sie in ihrem Unternehmen den Lockdown wahrnehmen, wie sie ihre eigene wirtschaftliche Zukunft und die ihres Unternehmens einschätzen. Knapp die Hälfte der Befragten waren der Ansicht, dass ihr Unternehmen seit Beginn der Pandemie die Selbstorganisation der MitarbeiterInnen gestärkt habe. 43 Prozent der Unternehmen planten, zukünftig noch mehr in ihre Angestellten zu investieren.

Interessant auch: Aktuell halten mehr als 40 Prozent die Kompetenzen in der Belegschaft für noch nicht ausreichend. Rund die Hälfte sehen mitarbeiterseitige Barrieren bei anstehenden Veränderungen. Auch das Führungsverständnis wurde in einem überraschend hohen Ausmaß als "antiquiert" bewertet. Etwa ein Fünftel der Befragten hielt es für wichtig, Entscheidungsprozesse künftig zu beschleunigen.

Wo muss die Wohnungswirtschaft in Sachen Skills und Führungsverhalten hin?

Ob Sie oder Ihr Unternehmen auch befragt worden sind, weiß ich nicht. Aber gehen Sie doch einmal in sich: Wie würden meine Mitarbeiter und wie würde ich derartige Fragen beantworten? Vielleicht führen Sie selbst eine interne Befragung durch?

Es muss das Ziel sein, möglichst alle Beschäftigten im Unternehmen in die Lage zu versetzen, selbstbestimmt arbeiten zu können. Das bedeutet einen hohen Aufwand an Schulungen, die Förderung der benötigten Skills und vor allem das entsprechende Führungsverhalten.

Zurzeit versuchen fast alle großen Unternehmen, die digitale Transformation zu stemmen. Die stabile und potente Wohnungswirtschaft ist bislang aber kein Motor für wirklich weitreichende Veränderungen, diese Kultur kommt eher von den Startups, aus der agilen Software-Entwicklung und dem Druck schnell und dynamisch zu agieren. Auf den Schultern der Wohnungswirtschaft ruht jedoch die große Verantwortung, mit guten Entscheidungen und optimalen internen Strukturen das Wohnen zu sichern. 

Die Zeit zur Weiterentwicklung der internen Prozesse ist gekommen. Es ist Zeit, Systeme und Führungskultur voranzutreiben. Es wäre fahrlässig zu warten!

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