Leipzig hat inzwischen mehr als genug Wohnungen
"Es existiert eine gefühlte Marktanspannung, die durch unsere Daten nicht gedeckt ist", erklärte Jörg Keim, Vorstandschef der Leipziger Wohnungsbau-Genossenschaft Kontakt auf der jährlichen Pressekonferenz der sechs großen Leipziger Genossenschaften (BGL, Kontakt, Lipsia, Unitas, Wogetra, VLW), die insgesamt einen Mietmarktanteil von 16,2 Prozent ausmachen. Während sich in den beliebten Wohnvierteln von Leipzig vor allem junge Leute, die zum Studium oder zur Ausbildung in die sächsische Messestadt ziehen, um die knappen Wohnungen streiten, leiden die Außenbezirke unter zunehmendem Leerstand.
"Beliebte Lagen sind immer und überall teuer. Dort für mehr Wohnungen zu sorgen, senkt jedoch nicht die Nachfrage, sondern schwächt die Stadtteile mit niedrigerer Durchschnittsmiete, die dann aus dem Fokus geraten", so Keim weiter.
Wohnungsgenossenschaften: Hotspots entzerren, unbeliebtere Viertel attraktiver gestalten
Die Frage ist, wie viele Wohnungen in Leipzig tatsächlich benötigt werden. Zuletzt ging der Zuzug in die Messe- und Universitätsstadt deutlich zurück – den Genossenschaften zufolge gab es im zweiten Quartal 2020 sogar eine leichte Abwanderung. Gleichzeitig stieg die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in den vergangenen drei Jahren um rund 42 Prozent. Laut Datenbank GeoMap sind derzeit 20.795 Wohnungen in Leipzig geplant oder im Bau. Geschätzt deckt das den Bedarf an Wohnungen für die nächsten 20 Jahre, wenn sich der aktuelle Trend weiter fortsetzt, so das Fazit der Genossenschaften.
Bei den Genossenschaften liegt der Leerstand zusammen bei 4,9 Prozent – 2.327 Wohnungen wären damit sofort beziehbar. Die offiziellen Leerstandszahlen der Stadt Leipzig von zwei Prozent hält Wolf-Rüdiger Kliebes, Vorstandschef der VLW Vereinigte Leipziger Wohnungsgenossenschaft, für fraglich: "Wir gehen ... eher davon aus, dass aktuell bis zu 10.000 Wohnungen in Leipzig sofort verfügbar sind – auch im sogenannten bezahlbaren Bereich".
"Wenn wir nicht reagieren, droht ein Überangebot, das zu mehr Leerstand führt und neue soziale Probleme schafft", sagte Steffen Foede, Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Unitas. Mieter mit einem geringeren Einkommen haben kaum eine Chance, die benachteiligteren Stadtteile zu verlassen. Das wiederum könnte zu Segregation führen. Langfristig wollen die Unternehmen in den preiswerteren Bestand und den bedarfsgerechten Neubau mit Sozialwohnungsanteil – vor allem in Stadtteilen außerhalb des Zentrums – investieren, anstatt den Fokus auf Boom-Viertel wie Connewitz und die Südvorstadt zu legen.
Wohnungsmieten der Genossenschaften steigen nur noch um rund zwei Prozent
Die Analyse zeigt auch: Die durchschnittliche Nettokaltmiete aller Wohnungen der sechs Genossenschaften liegt derzeit bei 5,14 Euro pro Quadratmeter (Leipzig gesamt: 6,03 Euro). Das entspricht einer Erhöhung um gerade einmal 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch bei den Neuvertragsmieten (Angebotsmieten) lässt sich nur ein moderater Anstieg auf im Schnitt 6,09 Euro je Quadratmeter im Bestand (plus 5,7 Prozent) und 9,15 Euro pro Quadratmeter bei Neubau und Kernsanierung (plus 2,8 Prozent) feststellen (Leipzig gesamt: 6,90 beziehungsweise 10,50 Euro).
Auf den gesamten Wohnungsmarkt bezogen, so die Daten der Stadt Leipzig, liegen die Mieten bei 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. Deutlich höher ist die Mietbelastung der Haushalte mit niedrigeren Einkommen – die Genossenschaften schlagen deshalb vor, die Kosten der Unterkunft (KdU) und die Bemessungsgrenzen für Wohnberechtigungsscheine anzuheben.
Mirjam Luserke, Vorstand im Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften (VSWG), unterstützte die Forderungen der Vertreter der sechs Genossenschaften auf deren gemeinsamer Pressekonferenz mit Nachdruck und ergänzte: "Regulierungswut oder nicht bedarfsgerechter Neubau können ganz schnell in eine schwierige Situation führen". Gegen eine Schieflage im Leipziger Wohnungsmarkt helfe nur "eine ehrliche, an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Auseinandersetzung aller Beteiligten mit dem Thema Wohnen" – mit Symbolpolitik sei niemandem geholfen.
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