Nachhaltig und alternativ: So hat der Wohnungsbau eine Zukunft

Kies und Sand sind knapp, Bauholz ist kostspielig – für den Wohnungsbau der Zukunft sind neue Baustoffe und -technologien gefragt. Die sind oft nachhaltiger, regional verfügbar und nicht teurer als das klassische Stahlbeton-Kalksandstein-Ziegel-Allerlei. Auch mit Pilzen wird experimentiert.

Die Zahl lässt aufhorchen: Seit Anfang 2021 haben sich die Preise für Bauholz verdoppelt. Handwerker und Verarbeiter hierzulande appellierten bereits an die Bundesregierung, einen Exportstopp zu verhängen. Denn Holz aus deutschen Wäldern wird im großen Stil nach Nordamerika und China exportiert. Ein Verbot spräche jedoch gegen den wirtschaftsliberalen Kurs der Regierung und ist keine Option. Eine kurzfristige Erholung ist also nicht in Sicht. "Dass die Preise zurückgehen, glaube ich nicht", schätzt Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die Lage ein.

Holz ist derzeit der alternative Baustoff Nummer Eins hierzulande, allerdings wird er überwiegend für Dachstühle, zur Schalung und als Interieur verwendet – längst nicht in großen Mengen für komplette Holzbauten. Dabei wäre die Holzbauweise eine gute Alternative, wo auch andere Baurohstoffe wie Kies, Sand – und damit Beton – oder Stahl knapp und teuer werden.

Nun sucht eine ganze Branche nach anderen Baustoffen, um im Wohnungsbau der Zukunft bestehen zu können – und das mit Baustoffen, die besonders nachhaltig sind.

Auswahl der Baustoffe nach CO2-"Fußabdruck"

Aber wie wählt man nachhaltige Baustoffe aus? Lebensdauer, Aufwand und Kosten für Wartung, Verschleiß oder Recycling sind Kriterien, die künftig beachtet werden müssen:

  • Das Material wurde aus der Natur gewonnen und wird durch Recycling wieder in die Natur zurückgeführt oder wiederverwendet.
  • Die Behandlung des Materials darf eine Weiterverwendung nicht erschweren oder unmöglich machen.
  • Je regionaler ein Baumaterial erzeugt wurde, umso nachhaltiger ist es.

Biologische Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (NaWaRo) sind besonders gut geeignet. Zwar kommen auch Baustoffe mit langen Lebenszyklen in Betracht, wie zum Beispiel der am Bau beliebte Stahlbeton, allerdings lässt der sich nur mit einem hohen Aufwand recyceln – im Gegensatz zu Holz etwa, das einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck hat, aber wiederum auch nicht die Haltbarkeit und bauphysikalisch wesentliche Eigenschaften wie Beton oder Metall aufweist.

Und "würde das verwendete Bauholz nach dem Rückbau einfach verbrannt, wäre für das Klima auch nichts gewonnen", erklärt Viehrig. Stattdessen müsste es gelingen, die Holzelemente in irgendeiner Form wiederzuverwenden, entweder als Balken oder Latten oder recycelt als Dämmstoff.

Exotisch: Auch mit Pilzen kann man bauen

Will man nachhaltig bauen, kommt man um Holz nicht herum. Es ist der einzige alternative Baustoff, der derzeit wirtschaftlich einsetzbar ist, auch wenn Holz nicht für alle Bereiche am Bau geeignet ist, etwa nicht "beim Tiefbau und bei allen Teilen, die mit Erde in Berührung kommen", so Viehrig. Im mehrgeschossigen Holzbau sind meist die neuralgischen Punkte in Stahlbeton ausgeführt, neben den Erdbereichen auch Schächte für Treppenhäuser und Aufzüge.

"Im Neubau könnte sich Holz noch stärker positionieren, wenn die rechtlichen Weichen gestellt würden. Eine vom GdW durchaus kritisch betrachtete Ökobilanzierung als Neubauanforderung könnte Materialien mit kleinerem CO2-Fußabdruck zudem befördern", sagt Viehrig.

Neben Holz gibt es noch andere nachhaltige Baustoffe: Kork, Lehm, Naturstein, Ton und Ziegel oder das von der Küste bekannte Reet für Dächer. Neben den bekannten und schon lange verwendeten Materialien bieten sich noch andere spannende Alternativen an. So können etwa sogenannte weiß verfaulende Pilze, die an toten Baumstümpfen sprießen, als Baustoff dienen. Tatsächlich lassen sich aus ihnen Bausteine formen.

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wird dafür der Glänzende Lackporling (Ganoderma lucidum) erforscht. Die aus dem Myzel (Pilzfäden eines Pilzes) gewonnene Masse lässt sich in fast jede Form füllen, wo sie sich innerhalb einiger Tage zu einer festen Struktur verdichtet. Abschließend wird sie getrocknet, um das Wachstum zu stoppen und den Pilz abzutöten.

Verwendet wurde dieser Baustoff im Jahr 2017 auf der Seoul Biennale of Architecture and Urbanism in Südkorea. Dort präsentierten die Forscher den "MycoTree" – eine selbsttragende, zimmerdeckenhohe Skulptur aus Myzel und Bambus. Ein Haus aus diesem Pilzstoff kann nach dem Rückbau ganz einfach auf dem Kompost entsorgt werden.

Ökologisch: Popcorn als Dämmstoff

Die Dämmung ist ein Bereich, in dem alternative Stoffe schon heute viel häufiger zum Einsatz kommen könnten. Statt dem allgegenwärtigen Polystyrol könnten zunehmend Hanf, Holzfasern oder Holzwolle, Jute, Kokosfasern, Kork und Schafwolle verwendet werden.

"Leider wird durch das Gebäudeenergiegesetz der Einsatz solcher Dämmstoffe nicht belohnt", kritisiert Viehrig. Letztlich sei Polystyrol einer der effizientesten Dämmstoffe und zudem vergleichsweise preisgünstig. Beim Einsatz von Naturstoffen müsste zudem die Dämmung und damit das Mauerwerk stärker ausfallen – "vom Brandschutz abgesehen", so Vierig. Das alles treibe die sowieso schon hohen Baukosten weiter in die Höhe.

Dabei hätten Pflanzenfasern als NaWaRo eine sehr gute CO2-Bilanz und ließen sich vielfältig einsetzen. Schilf oder Napiergras kann man zu stabilen Platten in Kammerform pressen. Als Matten können sie selbst in schrägliegenden Dachflächen zur Dämmung beitragen. Auch Seegras eignet sich als Dämmstoff, weil es durch den hohen Salzgehalt nur sehr schwer brennbar ist.

Ein echter Exot als Dämmmaterial ist Popcorn. Es kann nach heutigem Stand der Technologie zu einem Drittel Holzspänen beigemischt und zu Platten gepresst werden. Forscher arbeiten daran, solche Platten zu 100 Prozent aus den gepufften Maiskörnern herzustellen. Doch all diese Stoffe sind derzeit noch teurer als Polystyrol.

Tragend: Carbon und Aluminium stecken noch in den "Kinderschuhen"

Während es bei der Dämmung zahlreiche nachhaltige Alternativen gibt, sieht es bei der tragenden Konstruktion noch nicht ganz so rosig aus. Stahlbeton ist hier immer noch das Mittel der Wahl – er ist extrem belastbar, feuerfest, kaum verformbar und langlebig. Das sind alles Eigenschaften, die ein Tragwerk braucht. "Mit einem Stahlbetonskelettbau kann man langfristig sehr flexibel arbeiten, allerdings ist er nicht zerstörungsfrei rückbaubar", sagt Viehrig. Die Ökobilanz fällt ebenfalls nicht gut aus.

Es gibt schon Möglichkeiten, Stahl zu ersetzen. Am weitesten fortgeschritten sind die Entwicklungen mit Carbon. Betonelemente, die damit bewehrt sind, sind deutlich schlanker und damit leichter. Sie benötigen aufgrund der höheren Festigkeit des Carbons weniger Sand und Zement und lassen sich besser formen. Das macht vollkommen neue Bauelemente möglich, die zu einer effizienteren Bauweise beitragen könnten. "Aber auch hier ist die stoffliche Trennung am End of Life noch unklar", gibt Viehrig zu bedenken. Für die Carbon-Herstellung ist zudem doppelt so viel Energie sowie der dreifache CO2-Ausstoß wie für Stahl nötig.

Als Ersatzstoff kommt derzeit auf Forschungsebene auch Flachs in Form von Textilmatten zum Einsatz. Zugelassen als Baustoff ist er aber noch nicht. Eine Möglichkeit wären auch Leichtbau- und Stahlbaukonstruktionen. Der große Vorteil: Die Materialien sind monostofflich und gut zu recyceln. Aluminium hätte jedoch den Nachteil, dass zu seiner Herstellung das Doppelte an Energie wie für Stahl nötig wäre und es zudem nicht so belastbar ist.

Zertifiziert: Nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig

Sind die Gebäude erst einmal nachhaltig gebaut, lassen sie sich zertifizieren. Weltweit verbreiteter Standard ist die Building Research Establishment Environmental Assessment Method (BREEAM). Damit wurden in mehr als 30 Jahren rund 200.000 Bauwerke zertifiziert. Schwerpunkte sind neben Gebäudemanagement, Energie, Wasser und Ökologie auch die verwendeten Materialien. Hierzulande wird das Zertifikat vom Deutschen Institut für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (DIFNI) vergeben. Aus diesem Standard resultiert auch das Zertifizierungssystem Leadership in Energy and Design (LEED), mit dem Kriterien wie nachhaltiger Grund und Boden sowie Materialien und Ressourcen erfasst werden.

Der bekannteste Standard hierzulande kommt von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB). Streng genommen kann man auch den Passivhausstandard dazu zählen, der vom Passivhaus-Institut in Darmstadt zertifiziert wird. Das Green-Building-Label bewertet Kriterien wie Umweltschutz, Ressourceneffizienz und Gesundheit. Das Blue-Building-Label bewertet Ökologie, Ökonomie und soziokulturelle Aspekte. Eine Zertifizierung nach der Richtlinie 160 der German Facility Management Association (GEFMA) ist auch möglich.

Das wohnungswirtschaftliche NaWoh-Siegel ist für die Wohnungswirtschaft das wichtigste Siegel. Die Nachhaltigkeit und Umwelteinflüsse von Baustoffen bewertet die Umweltproduktdeklaration (englisch: Environmental Product Declaration, EPD). Die Baustoffe werden hier über ökobilanzbasierte Indikatoren eingeschätzt. Dazu gehören der Treibhauseffekt oder der Verbrauch an sogenannter "grauer Energie" (Primärenergieinhalt, PEI). Die Ressourceneffizienz hingegen spielt in den Produktdeklarationen nach ISO/TR 14025 eine Rolle.


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