Nachtarbeitszuschlag: Mindestlohn als Berechnungsgrundlage
Bereits Mitte 2016 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon zwei grundsätzliche Entscheidungen zum gesetzlichen Mindestlohn getroffen: einerseits zur Bezahlung von Bereitschaftszeiten, andererseits auch zu Sonderleistungen. Aber auch die Landesarbeitsgerichte hatten sich bereits ausführlich mit dem Mindestlohn beschäftigt. Zuletzt hatte etwa das LAG Nürnberg mit Blick auf die AGB-Kontrolle entschieden, dass eine Ausschlussklausel nicht insgesamt unwirksam ist, weil sie auch Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn umfasst.
Der Fall: Gilt Mindestlohn für Nachtarbeitszuschläge?
Im aktuellen Fall vor dem BAG waren nun "Nachtarbeitszuschläge" Gegenstand des Verfahrens. Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin aus Sachsen, deren langjähriger Arbeitgeber Nachtzuschläge anhand eines älteren Tarifvertrags mit vertraglichem Stundenlohn von sieben Euro, berechnete. Der anzuwendende ältere Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Sächsischen Metall- und Elektroindustrie von 2004 (MTV) sieht unter anderem einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 Prozent des tatsächlichen Stundenverdienstes und ein "Urlaubsentgelt" in Höhe eines eineinhalbfachen durchschnittlichen Arbeitsverdienstes vor.
Zuschläge: "Zulagen nach dem Mindestlohngesetz" bezahlt
Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin zwar nach Einführung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) für den Monat Januar neben dem vertraglichen Stundenverdienst von sieben Euro beziehungsweise 7,15 Euro eine "Zulage nach dem MiLoG" gezahlt. Die Vergütung für einen Feiertag und einen Urlaubstag berechnete er jedoch ebenso wie den Nachtarbeitszuschlag für fünf Stunden nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns, sondern nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung. Ein gezahltes "Urlaubsgeld" rechnete der Arbeitgeber zudem auf Mindestlohnansprüche der Arbeitnehmerin an (Mehr zur Berechnung des Mindestlohns).
Deshalb verlangte die klagende Monteurin nun die Vergütung aller im Januar 2015 abgerechneten Arbeits-, Urlaubs- und Feiertagsstunden mit dem damaligen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro brutto. Zudem forderte sie, dass auch der Nachtarbeitszuschlag auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen sei. Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Auch das Bundesarbeitsgericht urteilte nun zugunsten der Arbeitnehmerin.
Mindestlohn gilt für Entgeltfortzahlung an Feiertagen
Die Richter entschieden, dass der Arbeitgeber die Vergütung für den Feiertag zu Unrecht nach der niedrigeren vertraglichen Stundenvergütung berechnet hatte. Das MiLoG gewähre zwar nur Ansprüche für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden, führten die Richter im Urteil aus, aber nach dem Entgeltausfallprinzip müsse der Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) dem Arbeitnehmer für die Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, das Arbeitsentgelt zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
Dies gilt laut BAG auch dann, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach dem MiLoG bestimmt; da dieses keine hiervon abweichenden Bestimmungen enthalte. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung scheidet nach Auffassung der obersten Arbeitsrichter aus.
Nachtzuschlag, Urlaubsentgelt: Mindestlohn als Basis
Zudem entschieden die Richter, dass der tarifliche Nachtarbeitszuschlag und das tarifliche Urlaubsentgelt nach den Bestimmungen des MTV ebenfalls mindestens auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns von damals 8,50 Euro berechnet werden müssen. Schließlich, so die Begründung des BAG, sei der Mindestlohn Teil des „tatsächlichen Stundenverdienstes“ im Sinne des MTV.
Damit bestätigten die höchsten deutschen Arbeitsrichter ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg. Das hatte bereits Anfang 2016 zum Thema „Nachtarbeitszuschlag“ entschieden, dass dieser auf Basis des Mindestlohns zu berechnen sei.
Mindestlohn: Wann Urlaubsgeld angerechnet werden darf
Auch in Bezug auf das Urlaubsgeld, urteilten die Erfurter Richter im Sinne der Arbeitnehmerin: Es dürfe nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Das Gericht begründete dies damit, dass das Urlaubsgeld, welches bei Urlaubsantritt gezahlt wurde, keine Vergütung für geleistete Arbeit darstellte, sondern eine besondere Zahlung - mit eigenem Anspruch nach MTV.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann Urlaubsgeld gemäß einem früheren BAG-Urteil auf den Mindestlohn angerechnet werden, wenn es Arbeitsvergütung ist und im Vertrag entsprechend definiert wird.
Hinweis: BAG, Urteil vom 20. September 2017, 10 AZR 171/16; Vorinstanz: Sächsisches LAG, Urteil vom 27. Januar 2016, Az: 2 Sa 375/15
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