Keine doppelte Zahlung von Nachteilsausgleich und Sozialplanabfindung
Bei einer Betriebsstilllegung muss der Arbeitgeber zahlreiche Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) beachten. Das Gesetz setzt vor eine geplante Betriebsänderung unter anderem einen Interessenausgleich. Verhandelt der Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß mit dem Betriebsrat, hat dies Sanktionen zur Folge: Der Arbeitgeber kann den entlassenen Arbeitnehmern gemäß § 113 BetrVG zu einem sogenannten Nachteilsausgleich- einer Abfindung oder sonstigem finanziellen Ausgleich- verpflichtet sein. Sieht dann ein später entstandener Sozialplan Abfindungen vor, stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer doppelte Zahlung verlangen können. Hierzu hat das BAG vorliegend entschieden.
Der Fall: Arbeitnehmer fordert sowohl Nachteilsausgleich als auch Sozialplanabfindung
Ein Arbeitnehmer, der betriebsbedingt gekündigt wurde, klagte vor Gericht gegen den Arbeitgeber auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 9.000 Euro, die ihm - soweit unstreitig - aufgrund eines Sozialplans zustehen. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass er dem früheren Mitarbeiter bereits einen Nachteilsausgleich in Höhe von 16.307,20 Euro gezahlt habe, den dieser zuvor gerichtlich erstritten hatte.
Der Hintergrund: Der Arbeitgeber hatte im März 2014 die Stilllegung seines Betriebs beschlossen und dem Arbeitnehmer betriebsverfassungswidrig gekündigt, bevor die Betriebsparteien in einer Einigungsstelle über einen Interessenausgleich verhandeln konnten. Der Arbeitnehmer erstritt daraufhin vor Gericht einen Nachteilsausgleich gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG. In der Zeit zuvor vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat einen Sozialplan, nachdem dem ehemaligen Mitarbeiter ebenfalls eine Abfindung zusteht.
Verrechenbarkeit von Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich?
Der Arbeitnehmer vertrat die Überzeugung, dass ihm diese Abfindung nach dem fraglichen Sozialplan zustehe. Eine Anrechnung des Nachteilsausgleichs auf seinen Sozialplananspruch komme nicht in Betracht. Zur Begründung führte er an, dass der Arbeitgeber kein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat entsprechend Art. 2 der europarechtlichen Massenentlassungsrichtlinie (RL 98/59/EG) durchgeführt habe. Eine Anrechnung sei auch ausgeschlossen, weil dem Nachteilsausgleich ein besonders grober betriebsverfassungsrechtlicher Pflichtverstoß des Arbeitgebers zugrunde liege. Zudem würden die niedrigen Forderungen eine Anrechnung verbieten.
BAG: Nachteilsausgleich darf auf Abfindung aus Sozialplan angerechnet werden
Die Erfurter Arbeitsrichter folgten der Auffassung nicht. Aus Sicht des BAG sind beide betriebsverfassungsrechtlichen Leistungen – Sozialplanabfindung und Nachteilsausgleich- von ihrem Zweck her weitgehend deckungsgleich. Damit erfülle die Zahlung eines Nachteilsausgleichs auch die Sozialplanforderung. Dem steht auch die europäische Massenrichtlinie (Richtlinie 98/59/EG) nicht entgegen. Der Senat führte in der Urteilsbegründung aus, dass eine Verletzung der Konsultationspflicht des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat vor einer Massenentlassung als Folge, die die Unwirksamkeit der Kündigung hat. Es sei unionsrechtlich nicht geboten, den Arbeitgeber mit einer Sanktion im Sinn einer Entschädigungszahlung zu belegen.
Hinweis: BAG, Urteil vom 12. 02. 2019, Az: 1 AZR 279/17; Vorinstanz: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. 03. 2017, Az: 4 Sa 1619/16
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