Praxisrelevante BAG-Urteile aus dem Jahr 2018
Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsprechungsjahr 2018 markante Urteile zu arbeitsrechtlichen Dauerbrennern wie Mindestlohn, Urlaub oder der Vergütung von Umkleidezeiten getroffen. Auch weniger beachtete Entscheidungen haben beim näheren Hinschauen ebenfalls eine hohe Praxisrelevanz, wie dieser Überblick zeigt.
Anwaltskosten der Betriebsratstätigkeit
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG können zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Betriebsratstätigkeit auch Rechtsanwaltskosten gehören. Ob der Einsatz des Anwalts für den Betriebsrat zum Erfolg geführt hat, ist unbeachtlich. Dies führt aber nicht dazu, dass ein Anwalt, der sich seinen Honoraranspruch vom Betriebsrat hat abtreten lassen, bei der Durchsetzung dieser Forderung weitere, durch seine Tätigkeit entstehende Rechtsverfolgungskosten als (Verzugs-)Schadensersatz geltend machen kann. Bei dieser Verfahrensart, urteilte das BAG, sei eine Kostenerstattung gesetzlich nicht vorgesehen.
(BAG-Urteil vom 1.8.2018, Az. 7 AZR 41/17)
Vergütung von Umkleidezeiten
Mit einem Dauerbrenner befasste sich der fünfte Senat. Ausgehend von der Rechtsprechung, wonach Umkleidezeit bei „besonders auffälliger“ Dienstkleidung zu vergüten ist, war zu beurteilen: Verdient das Tragen von Sicherheitsschuhen und einem Poloshirt, auf dem der Schriftzug des Arbeitgebers zu erkennen ist, die Bewertung „auffällige Dienstkleidung“? Dies war die Auffassung der Vorinstanz, was laut BAG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Auf die allgemeine Frage, ob Sicherheitsschuhe zur besonders auffälligen Dienstkleidung zählen, kam es nicht mehr an.
(BAG-Urteil vom 25.4.2018, Az. 5 AZR 245/17)
Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit
Dass bei Leistungsansprüchen teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter nicht benachteiligt werden dürfen, ergibt sich aus § 4 Abs. 1 TzBfG. Dieser Anspruch kann weit reichen, was die Entscheidung des ersten Senats zeigt. Eine Mitarbeiterin befand sich in Elternzeit und hatte währenddessen eine Teilzeitbeschäftigung bei ihrem bisherigen Arbeitgeber aufgenommen. Während dieser Zeit kam es zu einer Betriebsstilllegung nebst Sozialplan. Bei der daraus resultierenden Sozialabfindung, urteilte der Senat, sei nicht das Teilzeitentgelt zugrunde zu legen, sondern jenes der früheren Vollzeitbeschäftigung.
(BAG-Urteil vom 15.5.2018, Az. 1 AZR 20/17)
Fragen tariffreier Unternehmen zu Betriebsvereinbarungen geklärt
Wenn tariflose Unternehmen versuchen, konkrete Lohngrößen in Form von Betriebsvereinbarungen festzuschreiben, scheitert dies regelmäßig an der Vorschrift des § 77 III BetrVG. In dieser Vorschrift wird ein Verbot ausgesprochen, in Betriebsvereinbarungen etwas zu regeln, das üblicherweise Gegenstand von Tarifverträgen ist (sogenannter Tarifvorrang). Der erste Senat hat im Januar die Voraussetzungen konkretisiert, zu denen eine unwirksame Betriebsvereinbarung in eine wirksame Gesamtzusage umzudeuten ist – und dies auf wenige Ausnahmefälle beschränkt. Die wichtigste Folge der Entscheidung: Nicht die Auslegung der Betriebsvereinbarung selbst ist entscheidend. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber habe sich unabhängig von der Betriebsvereinbarung auf jeden Fall verpflichten wollen, seinen Arbeitnehmern die vorgesehenen Leistungen zu gewähren.
(BAG-Urteil vom 23.1.2018, Az. 1 AZR 65/17)
Bezugnahmeklausel bei fehlendem Tarifvertrag
Wie ist eine Bezugnahmeklausel auszulegen, wenn es den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht mehr gibt? Auch hier war der vierte Senat wieder gefordert und entschied: Wird in Altverträgen auf den früheren Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Bezug genommen und fehlt eine Beschreibung zur Weitergeltung eines anderen Tarifvertrags, so ist von einer Weitergeltung des (dem BAT nachfolgenden) TVöD auszugehen. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber sich über eine längere Zeit an einem anderen Tarifvertrag ausgerichtet hat. Der Arbeitnehmer kann also nicht eine sogenannte betriebliche Übung einwenden.
(BAG-Urteil vom 11.7.2018, Az. 4 AZR 444/17)
Berechtigte Arbeitsverweigerung
Die beharrliche Arbeitsverweigerung ist ein anerkannter Kündigungsgrund. Regelmäßig wird in Gerichtsverfahren eingewandt, dass ein Recht zur Arbeitsverweigerung bestand, da die Zuweisung einer bestimmten Tätigkeit nicht vom Weisungsrecht gedeckt sei. Der Zweite Senat hat sich im Juni mit vielen Gründen beschäftigen müssen, die letztlich zur Zurückverweisung an die Vorinstanz geführt haben. Grundsätzlich wird anerkannt, dass eine Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften zu einer berechtigten Arbeitsverweigerung führen können. Im konkreten Fall muss jedoch noch festgestellt werden, ob es sich um mehr als bloß geringfügige oder kurzzeitige Verstöße ohne nennenswertes Schadenspotenzial gehandelt habe. Keinen Verstoß sah das BAG jedenfalls in der Zuweisung sogenannter Nebenarbeiten. Dies sei im Wege des Direktionsrechts möglich. Die Tatsacheninstanz müsse jedoch noch prüfen, ob dies dem „billigen Ermessen“ (§ 106 GewO) entspricht.
(BAG-Urteil vom 28.6.2018, Az. 2 AZR 436/17)
Altersabstandsklausel: Kompromiss bei Spätehen?
Ist ein Altersunterschied von mehr als zehn Jahre bei der Eheschließung noch im Rahmen des „Üblichen“? Diese Frage sollte das BAG im Dezember beantworten. Das heikle Thema hatte sich der dritte Senat mit einem Urteil im Februar selbst eingebrockt. Damals entschied er: Ein Altersunterschied von mehr als 15 Jahren sei nicht mehr „üblich“, daher könne eine Versorgungsordnung Leistungen an Hinterbliebene gänzlich ausschließen. Aktuell gingen die Richter einer Bewertung von „üblichen Spätehen“ aus dem Weg und erkannten Kürzungen an. Eine in der Versorgungsordnung vorgesehene Kürzung von fünf Prozent für jedes Jahr des Überschreitens eines Altersunterschieds von zehn Jahren sei eine „maßvolle schrittweise Reduzierung“.
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