Bewerbung und AGG: "Absageschreiben ohne Begründung tun weh"

Personaler fürchten rechtliche Konsequenzen, wenn sie Ablehnungsgründe im Absageschreiben nennen. Das ergab eine Umfrage von Softgarden und dem Personalmagazin. Wie eine persönliche Absage gelingt, die nicht gegen das AGG verstößt, erklärt der Anwalt Jan-Marcus Rossa.

Haufe Online-Redaktion: Bei Absagen neigen Personaler zu knappen Schreiben. Sie fürchten rechtliche Konsequenzen, wenn sie Gründe für die Absage nennen, was auch eine Umfrage von Softgarden und dem Personalmagazin offenbart. Lässt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das AGG, nicht mehr zu?

Jan-Marcus Rossa: Doch. Es gibt aber Absagegründe, die man vermeiden sollte. Alle Absagegründe, die nach dem AGG ein Indiz begründen können, dass zum Beispiel Alter, Geschlecht, Rasse, sexuelle Orientierung oder Behinderung eine Rolle spielen, bergen eine Gefahr: Sie können einen Hinweis für eine diskriminierende Auswahlentscheidung liefern mit der Folge, dass Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche entstehen können. Dabei reicht eine mittelbare Diskriminierung aus. Wenn Personalverantwortliche also Gründe mitteilen und diese nicht ganz eindeutig sind, könnte es ein abgelehnter Bewerber zumindest mit einer Entschädigungsklage versuchen. Auch wenn es grundsätzlich laut BAG keinen Anspruch auf Mitteilung der Ablehnungsgründe gibt, ist aber auch klar: Neutrale Absageschreiben tun weh. Denn als Bewerber hat man sich offenbart und knappe, formelhafte Absagen ohne Gründe sind dann wenig hilfreich. Ich weiß, dass viele Personaler das Bedürfnis haben, Feedback zu geben. Grundsätzlich kann man das machen, auch wenn das Risiko existiert, dass abgelehnte Bewerber ein Schreiben oder das gesprochene Wort am Telefon negativ auslegen.

Haufe Online-Redaktion: Wie können Personaler diesen Spagat meistern?

Rossa: Indem sie dem Bewerber fach- und eignungsbezogene Kriterien mitteilen, die ursächlich für die Ablehnung waren. Das ist nicht zu beanstanden. Daher raten wir, das Auswahlverfahren optimal vorzubereiten und sich klarzumachen:  Welche gerade fachlichen Anforderungen stelle ich an Bewerber? Kann ich sodann die Auswahl unter rein fachlichen Gesichtspunkten treffen und begründen, setze ich auch keine Diskriminierungsindizien. Es ist also wichtig, sich im Vorfeld das Anforderungsprofil klarzumachen und sich im Auswahlprozess selbst daran zu orientieren. Dann bin ich als Personalverantwortlicher auch in der Lage, die Absage zu begründen.

Haufe Online-Redaktion: Was wären solche fachlichen Gesichtspunkte?

Rossa: Ein Beispiel: Bei Juristen haben die beiden Examina eine große Aussagekraft, sodass Sie eine erste Auswahl schon über die Gesamtpunktzahl aus beiden Examina machen können. Ähnlich funktioniert das in vielen anderen Berufszweigen. Auch dort können Sie alleine von der Papierform her, beispielsweise eben über Zeugnisse, qualitative Unterschiede feststellen, die überhaupt nichts mit Alter, Geschlecht oder ähnlichen Merkmalen zu tun haben.

Haufe Online-Redaktion: Und Berufserfahrung?

Rossa: Auch da kommt es auf das Anforderungsprofil an. Wenn Sie jemanden suchen, der ein Team von Mitarbeitern führen soll, ist Berufserfahrung vielleicht der falsche Begriff. Vielmehr brauchen Sie Führungserfahrung, die regelmäßig nur mit Berufserfahrung gegeben ist. Oder: Sie suchen einen Marketing-Spezialisten für die Vermarktung von Werbung im Kino – mit einschlägiger Berufserfahrung. Das können Sie so verlangen. Sie können aufgabenbezogene Anforderungen aufstellen, die sachlich gerechtfertigt sind. Bei sachlicher Rechtfertigung dürfen Sie sogar Diskriminierungsmerkmale bei der Auswahl erfüllen. Es ist jedoch empfehlenswert, diese im Absageschreiben nicht zu benennen, um einer Auseinandersetzung den Nährboden zu entziehen. Daher hilft eine an den Fähigkeiten und Qualifikationen orientierte Auswahlentscheidung. Denn: Leistungskriterien sind keine Diskriminierungsmerkmale.


Jan-Marcus Rossa ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Esche Schümann Commichau.
Das Interview führte Michael Miller, Redaktion Personal.


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