Cannabis für besseres Wellbeing im Betrieb?


Cannabis am Arbeitsplatz

Cannabis wird legal. Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller wirft einen Blick auf die neue Rechtslage und stellt fest, dass einmal mehr wichtige Fragen ungeregelt bleiben.

Das Cannabis-Gesetz (kurz: CanG) ist da. 42 Jahre nach dem Tod von Bob Marley, einer der Ikonen des "legalize it". Es gibt hierzu medizinische, soziologische, kriminologische und persönliche Meinungen. Gibt es auch eine arbeitsrechtliche Meinung? Spätestens ab jetzt: ja!

Beschäftigte müssen in einem "Zustand" zur Arbeit erscheinen, in dem sie auch tatsächlich arbeitsfähig sind. Das ist hergebrachte Rechtsprechung – und nicht ganz unlogisch. Wer sich selbst in einen Zustand der Arbeitsunfähigkeit bringt, wird nicht vergütet. Erfolgt dies häufiger, kann sogar eine (verhaltensbedingte) Kündigung drohen – es sei denn, es läge ein nicht steuerbares Verhalten vor, dann kann man unter "erschwerten Bedingungen" an eine personenbedingte Kündigung denken. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gegebenenfalls auch denkbar, wenn Beschäftigte Cannabis in den Betrieb einbringen. Aber langsam, denn da stehen etliche Hürden im Weg.

Cannabis verbieten oder erlauben?

Die erste Frage: Darf ich Cannabis im Betrieb zu mir nehmen und es damit auch in den Betrieb einbringen? Grundsätzlich: ja. Ausnahme: Wenn im Freien gearbeitet wird und nicht ein Mindestabstand von 500 Metern von Einrichtungen sichergestellt ist, die ihrer Art nach oder tatsächlich ausschließlich oder vorwiegend von Kindern oder Jugendlichen aufgesucht werden (wie zum Beispiel Kindertagesstätten, Schulen, Jugendclubs, Spielplätze). Zu beachten ist, dass das Thema "Cannabis" mitbestimmungspflichtig ist (nach einer Entscheidung des BAG aus 2023 ist das allerdings nicht mehr so sicher, siehe Kolumne "Lösungen anstreben statt zu streiten"), es sei denn ein Gesetz sähe anderes vor (§ 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG, der sog. Gesetzesvorbehalt) – und ein gesetzliches Verbot besteht nur im Radius von 500 Metern um solche Einrichtungen.

Allen anderen Arbeitgebern, die kein Cannabis im Betrieb möchten, sei angeraten, ein entsprechendes Verbot per Direktionsrecht zu erlassen (soweit kein Betriebsrat vorhanden ist) oder eben eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Gibt es weder das eine noch das andere, ist Cannabis und der Genuss erlaubt – bis zur Grenze des Sich-arbeitsunfähig-Machens.

Soll ich Cannabis verbieten oder nicht? Die Frage kann man nicht ohne Weiters beantworten. Sind Alkohol und Nikotin im Betrieb erlaubt? Wenn ja, warum dann nicht auch Cannabis? Ist das Erlauben des Genusses und des Einbringens von Cannabis in den Betrieb womöglich sogar ein Vorteil im "War for talents" oder gar ein "Wellbeing-Thema"? Ich weiß nicht so recht. Und auch wenn es erlaubt ist – es bleibt dabei, dass es nicht erlaubt ist, sich arbeitsunfähig zu kiffen.

Einbringen und Genuss von Cannabis verbieten

Gibt es ein Verbot des Einbringens und des Genusses im Betrieb, ist alles sonnenklar: Beim ersten Mal Einbringen oder Genuss erfolgt eine Abmahnung, beim zweiten Mal die Kündigung. Verboten ist verboten, und Arbeitsvertragsverstöße sind grundsätzlich vom Arbeitgeber nicht hinzunehmen.

Im Prinzip "einfach" beim Einbringen. Aber Achtung: Wie bemerkt der Arbeitgeber das? Durch Taschenkontrollen? Die wären mitbestimmungspflichtig – also auch daran denken! Oder per "Zufallsentdeckung", womöglich durch Kolleginnen und Kollegen, die andere "verpetzen"? Aber, Hand auf's Herz: Wer erkennt Cannabis? Ich nicht. Ich habe vielleicht einen Verdacht – zur Bestätigung muss ich aber "beschlagnahmen" (was wiederum mitbestimmungspflichtig wäre) und ein Gutachten machen lassen (wo? durch wen?).

Im Prinzip auch "einfach" beim Genuss. Einfach? Angeblich riecht Cannabis süßlich – aber ist jeder süßlich riechende Rauch Cannabis? Wohl nein, es gibt auch süßliche Zigaretten und e-Zigaretten. Also am besten jegliches Rauchen verbieten, dann ist man auf der sicheren Seite. Denn sonst landet man wieder bei Beschlagnahme und Gutachten.

Arbeitsfähig sein und bleiben

Nun, bei manchen Berufen ist es einfach so, dass man gar keine Drogen zu sich nehmen darf – bei Kraftfahrern etwa. Arbeitgeber dieser Branche sind fein raus, da muss man sich um Mitbestimmung keine Gedanken machen, verboten ist verboten. Doch was tun alle anderen?

Es ist schon bei alkoholisierten Beschäftigten schwierig genug herauszufinden, ob sie arbeiten können oder nicht. Aber wer kann das bei einem bekifften Beschäftigten schon feststellen? Lallende Sprache, schwankender Gang, Alkoholfahne – alles Fehlanzeige. Ein Vorführen beim betriebsärztlichen Dienst? Nicht immer erfolgversprechend, denn zum einen hat nicht jeder Betrieb rund um die Uhr einen betriebsärztlichen Dienst, und selbst wenn ist ohne Blutentnahme die Feststellung des THC-Wertes im Blut nicht möglich. Hilft hier eine Betriebsvereinbarung? Eventuell, wenn es eine Null-Toleranz-Grenze gibt.

Aber vielleicht verstieße solch eine Regelung gegen das Persönlichkeitsrecht? Fahren darf man bis zu einem THC-Wert von 1,0 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). Studien betrachten 3,8 ng/ml als unschädlich. Was soll also der "richtige" Grenzwert sein? Darf ich Beschäftigten (wirksam) verbieten, einen netten Abend zu haben und am Tag darauf mit beispielsweise 0,5 ng/ml bei der Arbeit zu erscheinen? Manche Menschen, so Studien, haben selbst 48 Stunden nach einem Cannabis-Genuss noch THC im Blut. Können Arbeitgeber jeden Spaß am Wochenende verbieten? Für mich zumindest fraglich.

Und wie wäre der Nachweis zu führen? Wenn man googelt, findet man jede Menge Schnelltests. Doch wie zuverlässig sind diese? Und  – nun wird es noch entwürdigender als bei der Blutentnahme – zumeist handelt es sich um Urin-Tests. Ab wann springen diese an – sicher nicht sofort nach dem Genuss, sondern erst einige Zeit später, wer überwacht den mutmaßlichen Delinquenten bei Abgabe der Probe, damit er nicht mitgebrachten Urin für den Test verwendet? Oh, oh, oh …

Drei Meinungen zu guter Letzt

Ich habe immer noch nichts zu Kündigung & Co gesagt – der Platz reicht an dieser Stelle einfach nicht. Aber Platz genug: Der Gesetzgeber lässt Arbeitgebende – wieder einmal – im Regen stehen. Ich habe eine persönliche Meinung, ja: Joints zuzulassen ist richtig, Alkohol und Nikotin als "sozialadäquate Drogen" sind ja auch erlaubt.

Aber ich habe auch eine professionelle Meinung: Cannabis einfach zulassen, die Belegschaft sich bekiffen lassen, und einfach mal austesten – vielleicht geht ja alles gut? Nein, das kann es nicht sein!

Und nicht zuletzt habe ich eine politische Meinung: Gefühlt ist im Bundestag und Bundesrat ja auch alles gut gegangen. Eine gewiss völlig falsche Annahme ist, dass, ob der vielen offen gebliebenen Themen im Arbeitsrecht, jemand an dem Entwurf und der Verabschiedung des CanG mitgewirkt haben könnte, der oder die auch mal Drogen getestet hat und noch nicht wieder auf 0,0 ng/ml war.


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), sowie Vorstand und Arbeitsdirektor bei ABB, blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.


Schlagworte zum Thema:  Gesetz, Gesetzgebung, Arbeitsrecht