Datenschutz: Zulässigkeit von Big-Data-Analysen

Big-Data-Analysen sind in der Personalarbeit zunehmend ein Thema. Die Zusammenführung verschiedener Beschäftigungsdaten eröffnet Unternehmen völlig neue Erkenntnisse. Der Markt für entsprechende Tools ist daher groß - deren Einsatz datenschutzrechtlich jedoch schwierig. 

Der Umfang an Daten in Unternehmen wächst exponentiell. Dank immer neuer Technologien ist es mittlerweile möglich, diese in kürzester Zeit zusammenzuführen, zu verarbeiten und zu analysieren. Im Rahmen solcher Big-Data-Analysen werden aus riesigen Datenmengen neue Erkenntnisse gewonnen, die bisher unbekannte Zusammenhänge offen legen und es ermöglichen, sichere Prognosen für bestimmte Vorgänge zu erstellen. Diese können sodann die Grundlage für Entscheidungen bilden.

Zusammenführung von Beschäftigtendaten 

Bei der Durchführung von Big-Data-Analysen in der Personalarbeit wird in der Regel auf Personal-, Leistungs- und Verhaltensdaten zurückgegriffen. Während Personal- (Name, Adresse, Alter, Geschlecht, Konfession, Familienstand, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Qualifikationen et cetera) und Leistungsdaten (Beförderungen, Bewertungen durch Vorgesetzte, individuelle Produktivität et cetera) dem Arbeitgeber regelmäßig bereits vorliegen oder im laufenden Arbeitsverhältnis „anfallen“, müssen Verhaltensdaten meist gesondert erhoben werden (Wie oft steht ein Mitarbeiter von seinem Schreibtischstuhl auf? Wie schnell tippt er auf der Tastatur? Wie kommuniziert er mit seinen Kollegen? Welche Emotionen liegen in seiner Stimme, während er telefoniert?). 

Big-Data-Analysen: Potential für HR

Die Daten werden durch entsprechende Tools verknüpft und ausgewertet. So können Analysen über alle erdenklichen Themen der Personalarbeit durchgeführt werden, zum Beispiel zur Teamzusammensetzung, zu Pausenzeiten, Mentoring-Programmen und Beförderungsmaßnahmen oder zur Stressbelastung.

Mithilfe solcher Analysen können beispielsweise zielgenau passende Mitarbeiter rekrutiert, abwanderungswillige Mitarbeiter gehalten, Teams zusammengestellt und bestmögliche Stellenbesetzungen vorgenommen werden. Unternehmen in den USA ist es so gelungen, die Mitarbeiterfluktuation um 50 Prozent zu senken. Kurzum: Big-Data-Analysen erlauben eine völlig neue Herangehensweise in der Personalarbeit.

Problem Datenschutz: Deutsche Firmen eher zurückhaltend

In Deutschland sind Unternehmen bislang sehr zurückhaltend, was den Einsatz von Big-Data-Analysen in HR angeht. Dies liegt jedoch meist nicht an dem Willen der Unternehmen, entsprechende Tools einzusetzen. Vielmehr sind solche Analysen mit den dem deutschen Datenschutzrecht zugrundeliegenden Grundprinzipien der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit oft nur schwer vereinbar. Jede Verwendung – also Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung – von Daten ist insoweit grundsätzlich verboten, sofern sie nicht durch einen Erlaubnistatbestand gerechtfertigt ist. Dabei bedarf jede Verwendung von bereits rechtmäßig erhobenen Daten für einen neuen Zweck ebenfalls einer neuen Rechtfertigung (Zweckbindung der Datenverwendung).

Einwilligung zur Datenverwendung für Big-Data?

Eine wirksame Einwilligung zur Datenverwendung für Big-Data-Analysen scheidet in der Praxis regelmäßig aus. Lässt man die Frage, ob eine Einwilligung im Arbeitsverhältnis überhaupt freiwillig sein kann, einmal außer Acht, muss der Beschäftigte nämlich nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zunächst auf den Zweck der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner Daten hingewiesen werden. Der gesamte Vorgang der Datenverwendung muss möglichst präzise bestimmt werden.

Das ist im Zusammenhang mit Big-Data-Analysen aber nahezu unmöglich. Deren Wesen besteht gerade darin, möglichst viele verschiedene Daten zu völlig neuen Zwecken zusammenzusetzen und auszuwerten. Vor der Durchführung einer Analyse kann daher noch völlig offen sein, wie genau die erhobenen Daten verknüpft werden. Losgelöst hiervon ist eine Einwilligung auch jederzeit widerrufbar, sodass sie schon deshalb keine geeignete Rechtsgrundlage für die Durchführung von Big-Data-Analysen darstellt.

BDSG: Big-Data-Analysen regelmäßig nicht gerechtfertigt

Aber auch die Erlaubnistatbestände des BDSG rechtfertigen regelmäßig keine umfassenden Big-Data-Analysen. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden – wenn dies für die Begründung, die Durchführung oder die Beendigung dieses Verhältnisses erforderlich ist. Voraussetzung ist also zunächst, dass überhaupt Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses mit der Datenverwendung verfolgt werden. Schon dies ist jedoch fraglich, da die Verwendung der personenbezogenen Daten der einzelnen Beschäftigten für Big-Data-Analysen häufig gar keine Auswirkungen und keinen Bezug zu dem eigenen Verhältnis hat, sondern sich „lediglich“ auf andere Beschäftigungsverhältnisse auswirkt.

Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten steht im Vordergrund

Selbst wenn man eine Anwendbarkeit des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG unterstellt: Im zweiten Schritt bedarf es stets der Prüfung, ob die Datenverwendung in Bezug auf die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Insoweit ist eine umfassende Interessenabwägung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen. Je stärker der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten ist, desto größer muss das Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung der Maßnahme sein. Die Verwendung der Daten muss dabei geboten und nicht nur als für den Arbeitgeber nützlich einzustufen sein. 

Big-Data-Analysen: Hintergrund ist wirtschaftliches Interesse 

Unternehmen erhoffen sich durch Big-Data-Tools meist neue Erkenntnisse und Anhaltspunkte, die der Optimierung des Betriebsablaufs dienen; Hintergrund ist mithin ein wirtschaftliches Interesse. Demgegenüber können die Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten sehr schwerwiegend sein. Insbesondere Personaldaten, die primär ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über den Mitarbeiter im Arbeitsverhältnis und seinen Werdegang wiedergeben sollen, unterliegen insoweit strengen Schutzvorgaben. Eine Verwendung dieser Daten für die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, insbesondere unter Hinzunahme weiterer Daten, stellt einen erheblichen Eingriff dar. 

Big Data: Datenschutzrechtlich nur geringer Anwendungsbereich

Im Zusammenhang mit Big-Data-Analysen ist die Verwendung solcher Daten allenfalls dann zulässig, wenn die Anzahl der besonderen Merkmale so gering wie möglich gehalten wird und sich die Analyse nicht auf besonders sensible personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 9 BDSG bezieht. Dies betrifft etwa eine Big-Data-Analyse, die nur auf das Alter der Mitarbeiter zurückgreift, um Prognosen bezüglich der demografischen Entwicklung im Betrieb zu treffen. Jede darüber hinausgehende Verwendung ist nicht mehr als erforderlich anzusehen und daher unzulässig. 


Ob sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Rechtfertigung von Big-Data-Analysen empfiehlt und warum Profiling grundsätzlich verboten ist,  lesen Sie im gesamten Artikel von Thomas Niklas im Personalmagazin, Ausgabe 01/2018 oder in der Personalmagazin-App.


Zum Autor: Thomas Niklas ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.


Schlagworte zum Thema:  Datenschutz, Big Data, Persönlichkeitsrecht